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Drei Milliarden für Chipfabrik im Saarland

Ilona Wissenbach Reuters
1. Februar 2023

Deutschland will bei chinesischen Halbleitern unabhängiger werden. Der Kanzler und sein Wirtschaftsminister verkündeten gemeinsam ein wichtiges Signal an Washington und Peking.

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Deutschland Chipfabrik von Wolfspeed, Illustration
Computeranimation der geplanten Chipfabrik von Wolfspeed und ZF im SaarlandBild: Wolfspeed Inc.

Europa kommt bei der Ansiedlung wichtiger Technologien einen weiteren Schritt voran: Der US-Konzern Wolfspeed will im Saarland eine Chipfabrik für umgerechnet 2,75 Milliarden Euro bauen. Beteiligt mit einem Beitrag von rund 170 Millionen Euro ist der Autozulieferer ZF Friedrichshafen. Ein Großteil der Investition soll Wolfspeed-Chef Gregg Lowe zufolge über Subventionen finanziert werden.

Zur Bekanntgabe des Plans waren Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Bundeswirtschaftminister Robert Habeck (Grüne) nach Ensdorf bei Saarlouis angereist. Habeck nannte es "ein wichtiges Signal, dass der Standort Deutschland in einer schwierigen Lage weiter attraktiv ist, auch für Hochtechnologie."

Am ehemalige Kohlekraftwerk Ensdorf im Saarland wird mit Baggern gearbeitet. Auf dem Gelände des ehemaligen Kraftwerks soll das weltweit größte Werk für Halbleiter aus Silizumkarbid entstehen.
Am ehemalige Kohlekraftwerk Ensdorf im Saarland wird mit Baggern gearbeitet. Auf dem Gelände des ehemaligen Kraftwerks soll das weltweit größte Werk für Halbleiter aus Silizumkarbid entstehen. Bild: Oliver Dietze/picture alliance/dpa

Forschung und Produktion

Die Fabrik soll auf dem Gelände eines ehemaligen Kohlekraftwerks entstehen. Bund und Land stünden bereit, erhebliche Zuschüsse über den EU-Förderrahmen IPCEI zu leisten und hätten in Brüssel bereits eine Genehmigung angefragt, sagte eine mit dem Vorgang vertraute Person. "Das grüne Licht der EU-Kommission steht noch aus." Die Freigabe sei aber sicher.

Hergestellt werden sollen ab 2027 Siliziumkarbid-Halbleiter, mit denen die Reichweite von Elektroautos gesteigert werden könnte. Sie kommen auch in Energie- und Industrieanlagen zum Einsatz. Es werde die weltweit modernste und größte Fertigung dieser Bauteile, erklärten die Unternehmen.

Wolfspeed und ZF wollen zudem ein Forschungszentrum errichten, um die Hochleistungschips weiterzuentwickeln. "Diese Initiativen sind ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer erfolgreichen industriellen Transformation", erklärte ZF-Chef Holger Klein. Der zweitgrößte deutsche Autozulieferer und traditionelle Getriebehersteller steckt wie die gesamte Branche mitten im Umbruch zur Elektromobilität.

Deutschland Wolfspeed Halbleiter-Fabrik in Ensdorf
Politprominenz bei der Bekanntgabe der Investition: Unter anderem war Bundeskanzler Olaf Scholz (3. von links) ins Saarland gereistBild: Thilo Schmuelgen/REUTERS

Wolfspeed habe sich nach Prüfen einiger möglicher Standorte in Europa für Deutschland entschieden wegen der qualifizierten Arbeitskräfte. Davon erhofft sich das Unternehmen Lowe zufolge eine besonders profitable Produktion. "Das Niveau an Qualität und Ausbildung von Technikern in Deutschland ist sehr, sehr hoch", sagte er. "Unsere Aufgabe ist nur, sie für Halbleiter-Maschinen auszubilden, und dafür haben wir vier Jahre Zeit."

Subventionen locken

Die Europäische Union (EU) strebt an, die Abhängigkeit Europas von Asien bei Halbleitern zu verringern. Der Chipmangel während der Corona-Pandemie hat der Industrie die Anfälligkeit globaler Lieferketten vor Augen geführt. Die Autoindustrie kämpfte mit massiven Produktionsausfällen, der Pkw-Absatz sank in Europa trotz hoher Nachfrage auf den tiefsten Stand seit knapp 30 Jahren.

Mit einem "European Chips Act" im Volumen von insgesamt 45 Milliarden öffentlicher und privater Investitionen soll der weltweite Produktionsanteil von Halbleitern in Europa binnen zehn Jahren auf 20 Prozent verdoppelt werden.

Stefan Hain (Leiter der Halbleiterentwicklung ZF Group) hält ein Leistungsmodul eines Energiewandlers vor einen sogenannten SIC-Wafer, dem angestrebten Produkt der ZF Group in Ensdorf.
Stefan Hain (Leiter der Halbleiterentwicklung ZF Group) hält ein Leistungsmodul eines Energiewandlers vor einen sogenannten SIC-Wafer, dem angestrebten Produkt der ZF Group in Ensdorf.Bild: Harald Tittel/picture alliance/dpa

Die Chipfabrik im Saarland wird ein weiterer Baustein zur Sicherung von Lieferketten für die Auto- und Elektronikindustrie nach der in Magdeburg geplanten Halbleiter-Fertigung des US-Konzerns Intel. Auch die deutschen Schwergewichte Bosch und Infineon investieren mit staatlicher Unterstützung Milliarden in Chipfabriken in Dresden.

Intel hatte im vergangenen Jahr angekündigt, in Magdeburg zwei Werke für 17 Milliarden Euro als Teil eines 80 Milliarden Euro umfassenden Investitionsprogramms in Europa zu errichten. Die Pläne verzögern sich nach Medienberichten aber wegen Unklarheiten über die Höhe der staatlichen Förderung.

Punktgewinn für Standort Deutschland?

Die deutsche Industrie warnt immer lauter vor Wettbewerbsnachteilen gegenüber den USA, seit US-Präsident Joe Biden im vergangenen Jahr den "Inflation Reduction Act", ein 370 Milliarden Dollar schweres Förderprogramm klimafreundlicher Technologie, ankündigte. So befürchtet der Verband der Automobilindustrie (VDA) eine Spirale des Protektionismus. "Die transatlantische Partnerschaft muss vertieft, statt mit Hürden versehen werden", erklärte VDA-Präsidentin Hildegard Müller.

Europas Antwort auf den IRA ist der "Green Deal Industrial Plan". Das Maßnahmenpaket, das EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwoch in Brüssel präsentierte, soll den Weg der Wirtschaft zur CO2-Neutralität beschleunigen. Aus Sicht der Bundesregierung ist die Chipfabrik im Saarland auch vor diesem Hintergrund ein Kontrapunkt im transatlantischen Standortwettbewerb. "Derzeit gibt es Sorgen, dass die USA mit ihrem Inflation Reduction Act Investitionen aus Europa abziehen - und jetzt zeigen wir, dass ein amerikanisches Unternehmen in Deutschland investieren will", hieß es in Regierungskreisen.

Das Subventionsniveau in Deutschland sei für klimafreundliche Technologien nicht geringer als das der USA. Im deutschen Klima- und Transformationsfonds stünden für die Jahre 2023 bis 2026 Mittel von fast 180 Milliarden Euro bereit.