Drei Freisprüche vor türkischem Gericht
17. Juli 2019Ein Gericht in Istanbul sprach neben dem Vertreter der Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG) in der Türkei, Erol Önderoglu, im selben Verfahren auch die Menschenrechtlerin Sebnem Korur Fincanci und den Autor Ahmet Nesin frei. Sie hatten 2016 eine Solidaritätskampagne für die später geschlossene pro-kurdische Tageszeitung "Özgür Gündem" unterstützt.
In einem symbolischen Akt hatten sie für jeweils einen Tag die Chefredaktion der Zeitung übernommen. Den Angeklagten drohte wegen "Propaganda für eine Terrororganisation" mehr als 14 Jahre Haft. Wegen der Aktion sind noch dutzende weitere Menschen angeklagt. Bei dem Hauptprozess zu "Özgür Gündem" ist unter anderen die Schriftstellerin Asli Erdogan angeklagt.
Financi, die als einzige persönlich an dem Prozess teilnahm, sagte der Nachrichtenagentur AFP nach dem Urteil, sie sei "sehr überrascht". "Ich weiß gar nicht, wie ich reagieren soll!", sagte sie. "Leider haben wir unnötig Zeit in Haft verbracht, es ist eine Schande." Der Freispruch sei im Grunde die einzige zulässige Entscheidung gewesen, doch hätte es von vornherein keinen Prozess geben dürfen.
ROG twitterte nach der Bekanntgabe des Urteils: "Wir sind sehr erleichtert über den Freispruch von Erol Önderoglu und seinen Kollegen. Aber drei Jahre lang ein absurdes Verfahren zu führen, ist schon eine Form ungerechter Bestrafung." Außerdem, so betonte die Nichtregierungsorganisation, beginne gegen Önderoglu Anfang November ein weiteres Verfahren wegen des Vorwurfs der Terror-Propaganda.
Auch Financi muss sich in einem weiteren Prozess wegen Unterzeichnung einer Petition zum Kurdenkonflikt verantworten. Mehr als 2000 Akademiker hatten Anfang 2016 die Petition "Wir werden nicht Teil dieses Verbrechens sein" unterzeichnet.
Die drei Angeklagten saßen zwischenzeitlich in Untersuchungshaft, kamen nach internationalen Protesten aber wieder frei. Laut dem Gerichtsurteil können sie dafür nun Entschädigung verlangen. Prozessbeginn war im November 2016.
Die Zeitung "Özgür Gündem" war nach dem Putschversuch vom Juli 2016 wegen angeblicher Propaganda für die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK geschlossen worden. Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte nach dem gescheiterten Putsch mehr als 100 Medien und Verlage per Dekret schließen lassen. Die Türkei steht auf der ROG-Rangliste der Pressefreiheit auf Platz 157 von 180. Laut einer Plattform für Pressefreiheit, P24, sind derzeit 138 Journalisten und Medienschaffende in Haft.
ust/pg (dpa, afp, rog)