Dresden - noch immer eine Reise wert?
2. November 2016Frauenkirche, Schloss, Zwinger, Semperoper und Hofkirche - ein grandioses Barock-Ensemble! Gästeführer Claus Kemmer kann sich kaum einen schöneren Arbeitsplatz vorstellen. Wenn er seine Gruppen durch die wiederaufgebaute Altstadt führt, merkt er vom Touristenrückgang nicht viel. Seine Touren sind gut besucht. "Ich bin vielleicht in einer anderen Situation, weil ich viele ausländische Gäste habe", sagt Claus Kemmer. "Und mein Eindruck ist, dass die Besucherzahlen aus dem Ausland eher zu- als abnehmen."
Zahlen und Fakten
Die Statistik gibt ihm Recht: im ersten Halbjahr 2016 verzeichnete Dresden bei ausländischen Besuchern ein Plus von 7,7 Prozent. Das hört sich erst einmal gut an, aber die internationalen Gäste machen nur ein Fünftel aller Besucher aus. Das meiste Geld spielen die Inlandstouristen ein. Und die meiden Dresden zunehmend: im Jahr 2015 betrug das Minus 5,1 Prozent, im Juli sanken die Zahlen gar auf zehn Prozent! Und das war, bevor im September ein Sprengstoffanschlag vor einer Moschee detonierte und bevor im Oktober, am Tag der deutschen Einheit, Bundespräsident und Bundeskanzlerin von Pegida-Anhängern beschimpft und beleidigt wurden. Nach diesen Negativ-Schlagzeilen befürchten die Touristiker noch schlechtere Zahlen.
Semperoper - Kulisse für Pegida
Seit zwei Jahren, immer montags, versammeln sich die Anhänger der islam- und fremdenfeindlichen Pegida-Bewegung auf dem Theaterplatz vor der Semperoper und rufen ihre Hass-Tiraden. Zu Spitzenzeiten waren es 25.000 Teilnehmer, jetzt sind die Zahlen auf ein paar tausend geschrumpft.
"Ich sitze manchmal montags länger an meinem Schreibtisch und beobachte die Menschen, die sich am Theaterplatz versammeln. Pegida ist eine Katastrophe für Dresden!" Uta Neidhardt ist Expertin für niederländische Malerei der Dresdener Gemäldegalerie Alte Meister. Sie hat die aktuelle Ausstellung "Das Paradies auf Erden - Flämische Landschaften von Bruegel bis Rubens" kuratiert. Eigentlich ein Glanzlicht in der Kulturmetropole Dresden, doch auch vor den großartigen Gemälden macht sich der allgemeine Besucherschwund bemerkbar.
Dresden, das Paradies auf Erden?
"Als vor anderthalb Jahren die Entscheidung für diesen Titel fiel", so Uta Neidhardt, "erschien er uns sehr schlagkräftig und anziehend. Jetzt, vor allem nach dem Anschlag auf die Moschee, habe ich manchmal das Gefühl, dass mich die Leute des Zynismus bezichtigen." Doch das sei falsch. Die Ausstellung zeige Werke von Künstlern, die zu ihrer Zeit selbst Verfolgte waren. "Als Glaubens- und Wirtschaftsflüchtlinge haben sie in ihrer neuen Heimat große Werke geschaffen. Das zu zeigen, ist mir ein wichtiges Anliegen."
Hoffnungsträger Kultur
Im Dezember wird das neue Kulturkraftwerk Mitte eröffnet. Das Industriedenkmal aus dem 19. Jahrhundert verwandelt sich in ein modernes Theater-Quartier. Auch die Staatsoperette Dresden wird hier ihre neue Spielstätte finden.Eigentlich freut sich Chefdirigent Andreas Schüller auf seinen neuen Arbeitsplatz, aber die Atmosphäre in Dresden trübt die Stimmung. "Das Imageproblem ist nicht wegzudiskutieren", so Schüller. "Wenn ich in anderen Städten arbeite, dann werde ich sofort auf das Thema Pegida angesprochen." Er antworte dann immer, dass sich alle Theater in Dresden darüber Gedanken machen, wie man Pegida entgegentreten kann. Vor allem die Semperoper, vor deren Tür sich die Demonstrationen direkt abspielen, habe sich klar positioniert: sie hat ihre Außenbeleuchtung bei Pegida-Demos abgeschaltet, hat Transparente aufgehängt mit dem Slogan: Augen auf, Herzen auf, Türen auf! Schüllers Fazit: "Auf Kultur zu setzen, scheint mir genau der richtige Ansatz zu sein. Man kann Unkultur nur mit Kultur begegnen!"
Gesucht: Weg aus der Krise
Ab Montag Nachmittag herrscht in der Dresdener Innenstadt Leere: Restaurants und Cafés sind verwaist. Einheimische und Touristen meiden das Zentrum, wenn die Pegida-Anhänger sich versammeln. Die Einbußen für die Gastronomie sind enorm. Auch die Hoteliers klagen: mit nur 57 Prozent Auslastung im ersten Halbjahr lassen sich keine Gewinne erwirtschaften. Um den sinkenden Besucherzahlen entgegen zu wirken, haben sich Vertreter der Dresdner Tourismusbranche zusammengesetzt und Ende Oktober einen Maßnahmenkatalog verabschiedet.
Sieben Wochen Striezelmarkt
Es soll eine Bonuscard für Dresden-Besucher eingeführt werden, die alle relevanten Museen, Schlösser, Burgen und Gärten sowie die örtlichen Verkehrsbetriebe einbindet. Es sollen mehr Großkonzerte in die Stadt geholt werden, die an attraktiven Orten wie am Elbufer oder im Großen Garten stattfinden.Und nicht zuletzt soll der Striezelmarkt, Dresdens berühmter Weihnachtsmarkt, von vier auf sieben Wochen verlängert werden.
Ob diese Aktionen helfen, den angekratzten Ruf der Stadt aufzupolieren, wird die Zukunft zeigen. Das eigentliche Problem sei damit ja nicht aus der Welt, meint Johannes Lohmeyer, Vorsitzender des Tourismusverbandes Dresden: "Wir fordern die Stadt seit geraumer Zeit auf, die Pegida-Aufmärsche vor der stilbildenden Kulisse des Stadtzentrums zu verhindern. Das Bild dieser Ewiggestrigen schadet dem Image unserer weltoffenen und toleranten Stadt."