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Droht der Untergang Griechenlands?

Christoph Hasselbach10. August 2015

Griechenland steht das Wasser bis zum Hals. Die Regierung in Athen verhandelt mit ihren Gläubigern über ein weiteres Hilfspaket. Die wichtigsten Fragen dazu beantwortet DW-Europa-Experte Christoph Hasselbach.

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griechische Flagge ragt aus dem Meer Foto: Getty Images/AFP/L. Gouliamaki
Bild: Getty Images/AFP/L. Gouliamaki

Ein Hilfspaket für Griechenland, das kommt einem irgendwie bekannt vor. Gab es das nicht schon einmal?

Allerdings. Die ausländischen Gläubiger haben Griechenland bereits zwei Hilfspakete mit zusammen 240 Milliarden Euro geschnürt, um eine Staatspleite abzuwenden. Geholfen hat es immer nur vorübergehend. Jetzt droht erneut der Bankrott. Am 20. August wird die Rückzahlung von gut drei Milliarden Euro an die Europäische Zentralbank fällig, Geld, das Athen nicht hat. Mit einem Kredit aus einem neuen Hilfsprogramm könnte Griechenland die Summe begleichen.

Schulden mit noch mehr Schulden zurückzahlen, wie soll das gehen?

Das fragen sich viele in Europa. Neue Kredite würden dem Land nur eine kurze Atempause geben. Griechenland ist mit über 300 Milliarden Euro verschuldet. Ein neues Hilfspaket - im Gespräch sind 86 Milliarden Euro - würde die Verschuldung noch weiter erhöhen. Selbst als Griechenland im Jahr 2012 etwa 100 Milliarden Euro erlassen bekam, war der Schuldenberg schon ein halbes Jahr später wieder genauso hoch, weil die Wirtschaft seit Jahren schrumpft. Die finnische Regierung lehnt deshalb auch ein weiteres Hilfspaket ab, weil die bisherige Rettungsmethode nicht funktioniert habe. Auch aus Deutschland kommen kritische Töne. Grundsätzlich ist die Bundesregierung aber für das Rettungspaket. Interessanterweise hatte selbst der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras weiteres Geld zunächst abgelehnt, weil er die Gegenforderungen der Gläubiger als Erpressung bezeichnete.

Tsipras schaut nach oben Foto: Reuters
Ministerpräsident Tsipras steht sowohl von den Gläubigern als auch von seinen innerparteilichen Kritikern unter Druck.Bild: Reuters

Warum dann die Verhandlungen?

Zunächst geht es um Notmaßnahmen. Rückzahlungstermine müssen eingehalten werden. Wenn nicht, könnte der griechische Staat unkontrolliert pleitegehen. Außerdem stehen verschiedene griechische Banken auf der Kippe, die gestützt werden müssen. Würde man Griechenland einfach bankrott gehen lassen, wäre vermutlich wirtschaftliches und politisches Chaos die Folge. Andere Euro-Länder könnten in den Krisen-Strudel gerissen werden. Die ganze EU wäre in einer kritischen Situation. Das will niemand. Deshalb werden wohl die Gläubiger wieder in den sauren Apfel beißen und erneut zahlen.

Aber sie tun das doch nicht ohne Gegenleistungen, oder?

Sie haben immer von der griechischen Seite Gegenleistungen in Form von Sparmaßnahmen, Strukturreformen und Privatisierungen gefordert. Allerdings wurden viele davon nicht oder nur halbherzig von Athen umgesetzt. Das ist eigentlich auch kein Wunder, denn Tsipras wurde gewählt, mit dem ausdrücklichen Versprechen, die Sparpolitik zu beenden. Deswegen steckt er auch jetzt innerparteilich in der Klemme. Seine Kritiker vom linken Flügel seiner ohnehin linksgerichteten Partei werfen ihm Verrat vor. Jüngste Reformmaßnahmen konnte Tsipras nur mithilfe der Opposition durchs Parlament bringen. Möglich sind eine Spaltung seiner Syriza-Partei und Neuwahlen im Herbst. Inzwischen wird über Neuwahlen ganz offen diskutiert.

Haben nicht diejenigen Recht, die argumentieren, Griechenlands Verschuldung sei einfach zu hoch?

Viele halten die Schulden Griechenlands für so hoch, dass das Land sie selbst bei günstigster Wirtschaftsentwicklung nicht zurückzahlen könne und dass die Schulden die Konjunktur abwürgten. Auch der Internationale Währungsfond (IWF) hat hier immer wieder Zweifel angemeldet und einen weiteren Schuldenverzicht gefordert. Die europäischen Gläubiger weisen aber darauf hin, dass sie Griechenland bereits besonders niedrige Zinsen und lange Rückzahlungsfristen eingeräumt und damit indirekt verzichtet haben. Aus innenpolitischen Gründen vermeiden die meisten Politiker außerhalb Griechenlands das Wort Schuldenschnitt, d.h., den klassischen Forderungsverzicht der Gläubiger. Das kommt bei der Bevölkerung in den Geberländern schlecht an.

Arbeiter pflücken Oliven Foto: Daniel Esswein
Der Export von Oliven und Olivenöl reicht nicht - die griechische Wirtschaft müsste breiter aufgestellt seinBild: Daniel Esswein

Wie ist der Ablauf, wenn alles glattläuft?

Wenn alles so klappt, wie es sich die Gläubiger wünschen, wird der Entwurf bis diesen Dienstag fertig. Darin würden neue Kredite für den Fall zugesagt, dass Griechenland sich zu konkreten weiteren Reform- und Einsparmaßnahmen sowie zu Privatisierungen verpflichtet. Wie bereits bei den anderen Hilfspaketen würden die Kredite nur Stück für Stück - je nach Reformtempo - ausgezahlt. Das griechische Parlament könnte am Donnerstag einem Abkommen zustimmen. Am Freitag könnten die Euro-Finanzminister ihren Segen geben. Dann müssten noch die Parlamente einer Reihe von Staaten ihren Segen geben, darunter der deutsche Bundestag. Trotz manchem Widerstand im deutschen Parlament - er wächst mit jeder neuen Griechenland-Rettungsaktion - kann Bundeskanzlerin Angela Merkel wegen der Mandatsfülle der großen Koalition mit einer soliden Mehrheit rechnen.

Hätte sich mit einem neuen Hilfspaket die Frage einer Staatspleite endgültig erledigt?

Keineswegs. Es kommt darauf an, ob die griechische Regierung wirklich eine Reform des Staates an Haupt und Gliedern durchführt und die griechische Wettbewerbsfähigkeit erhöht. Auch dann würde das Land vermutlich sehr lange brauchen, um finanziell wieder auf die Beine zu kommen. Möglicherweise ist auch irgendwann ein neuer Schuldenschnitt notwendig. Verweigert sich Griechenland aber einer Runderneuerung, dürfte sich die Frage nach dem Staatsbankrott sehr bald wieder stellen. In dem Fall könnte Athen wohl mit keinerlei Verständnis bei den Gläubigern mehr rechnen. Der Euro-Ausstieg wäre dann wohl unvermeidlich.