Droht "Little Britain" ein kleiner Brexit?
3. August 2018Wer "Little Britain" betritt, mag sich fühlen wie im Wunderland: Ein Schwein im Blaumann, das neben einer roten Telefonzelle sitzt, weist den Besuchern den Weg durchs Tal. Statuen von Alice und dem verrückten Hutmacher, Peter Rabbit und Robin Hood, berühmte Figuren aus der britischen Literatur, stehen zwischen den Blumen herum, die den Pfad säumen. Königin Elizabeth hat es sich in einem Pavillon mit ihren Corgis gemütlich gemacht, und der Zauberer Merlin balanciert eine Kristallkugel.
Das ist das Reich von Gary Blackburn, einem englischen Baumchirurgen, den es vor mehr als 20 Jahren an den Westerwald verschlagen hat, nach Kretzhaus bei Linz am Rhein, 30 Autominuten südlich von Bonn. Auf der Fahrt im Grenzgebiet zwischen Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz kann man zwischen den Bäumen sogar einen Blick auf die roten Doppeldeckerbusse erhaschen, wenn man weiß, wo man schauen muss. Aber wahrscheinlicher ist, dass Spaziergänger ganz zufällig nach Little Britain kommen, wenn sie dem wunderschönen, sich schlängelnden Weg zur alten Brauerei im Kasbachtal folgen.
Einmal angekommen, denkt man über den Brexit nach, über Kitsch, oder was einen Mann dazu antreibt, Hunderttausende Euros und fast genausoviele Stunden aufzuwenden, um seinen eigenen Freizeitpark zu erschaffen.
"Die Idee kam mir durch den Brexit", sagt Gary Blackburn. "Es gab Funkstille zwischen Europa und Großbritannien. Ich habe es für die deutsch-englischen Beziehungen in der Zeit nach dem Brexit gemacht, damit die Menschen in Kontakt bleiben."
In den rund zwei Jahren seiner Existenz ist Little Britain zur lokalen Sehenswürdigkeit geworden. An einem sonnigen Sommerwochenende schlendern mehrere hundert Besucher durch die Ausstellung, die ohne Eintritt offen zugänglich ist.
Ein Räumungsbefehl und andere Probleme
Anfang Juli ging ein Räumungsbefehl bei den Blackburns ein. Die Behörden gaben ihnen bis Anfang August Zeit, fast alles vom Grundstück zu entfernen und ein Tor zu errichten, um Besucher fernzuhalten.
"Ich kann nicht erkennen, warum das weg soll", sagt ein sonnengegerbter 60-Jähriger aus der Gegend. Er sagt, er sei nach Little Britain gekommen, um zu sehen, was überhaupt das Problem sei. "Es ist ein schöner Ort, sauber und ordentlich. Ich könnte es ja verstehen, wenn Leute Lärm machen, trinken und Partys feiern würden."
Die Ausstellung befindet sich auf einem privaten Grundstück, das Garys Frau Monika gehört. Das Paar lebt direkt daneben mit ihren jüngsten Kindern, auch seine Firma liegt nebenan. Aber es gibt keinen Lageplan oder Baugenehmigungen für die zahlreichen Ausstellungsstücke. Noch komplizierter macht die Situation, dass die Blackburns einen weiteren Landstreifen neben Little Britain von der Stadt gemietet haben. Und dann ist da noch der Panzer.
Papierkrieg um einen Panzer
Im vergangenen Jahr kaufte Blackburn einen 52 Tonnen schweren britischen Panzer und brachte ihn auf das Gelände. Das zog nationale und sogar internationale Aufmerksamkeit auf sich. Er wurde sogar kurz zum Thema im rheinland-pfälzischen Landtag. Seine Nachbarn beschwerten sich; gegenüber Lokalmedien sagten sie, die Ausstellung sei geschmacklos und vergraule Kunden ihrer Beratungsfirma. Mit der DW wollten sie nicht darüber reden.
"Ich habe den Panzer als Monument der Freiheit und des Friedens aufgestellt", sagt Blackburn. "Das sollen die Menschen nicht vergessen." Der funktionsuntüchtige Panzer ist mit Tauben und Mohnblumen verziert, passend zum Remembrance Day, dem 11. November, an dem britische Kriegsdenkmäler mit Mohnblumen geschmückt werden, um der gefallenen Soldaten zu gedenken. Neben dem Panzer stehen Texttafeln mit dem berühmten Weltkriegsgedicht "Auf Flanders Feldern" auf Englisch und Deutsch.
Für den Panzer braucht Blackburn offenbar eine Genehmigung, weil er nicht fahren kann, aber keine offizielle Gedenkstätte ist. Er hatte sich sogar auf die Suche nach einer Firma begeben, die einen Elektromotor einbauen sollte. Denn wenn der Panzer fahren könnte, wäre er mobil und bräuchte keine Erlaubnis vom Amt mehr. Aber eine solche Firma konnte Blackburn nicht auftreiben.
Aber selbst wenn er den Panzer wieder flott gekriegt hätte, wären andere Probleme geblieben: Auch die Pavillons, Hütten, Fahrzeuge und Statuen, die er seit 2016 aufgestellt hat, wurden nie von der Stadt genehmigt.
Blackburn ist verbittert: "Ich war drauf und dran, eine doppelte Staatsbürgerschaft zu beantragen", sagt er. "Aber das lässt mich zweifeln. Ich habe alle Unterlagen zusammen, aber sie liegen immer noch bei mir herum."
Sich an die Regeln halten
Es gibt trotzdem noch Hoffnung für Little Britain: Bürger engagieren sich für den Verbleib des Parks. Ein Mann aus dem nahegelegenen Neuwied hat Mitte Juli eine Online-Petition gestartet, in der die Stadt Linz aufgerufen wird, den Räumungsbefehl zurückzunehmen. Innerhalb weniger Tage unterschrieben mehr als 1000 Menschen, seitdem liegt das Begehren auf den Tischen von Landrat Achim Hallerbach und Ortsbürgermeisterin Cilly Adenauer, deren Stadtrat weiterhin hinter dem Räumungsbefehl steht. Die Petition hat zwar keine bindende Wirkung, sie zeigt jedoch, dass viele von Blackburns Nachbarn wollen, dass Little Britain bleibt.
Inzwischen hat die Familie Blackburn etwas Zeit gewonnen: Das Ultimatum für Little Britain ist nun auf Mitte September verschoben. Ob und wie es danach weitergeht, soll in einem Dreiergespräch zwischen Blackburn, dem Landrat und der Bürgermeisterin verhandelt werden.
"Der Panzer, die Nutzung von kommunalem Land, die Fehde mit den Nachbarn, Falschinformation - da ist vieles zusammengekommen", sagt Hallerbach. Blackburn und die Bürgermeisterin müssten sich hinsetzen und reden, betont er. Aber er gibt sich zuversichtlich: "Ich habe eine Lösung im Kopf", sagt der Landrat, will aber nicht konkreter werden.
Blackburn und sein kurioser Freizeitpark müssen sich also bis September gedulden. Dann entscheidet sich, ob Little Britain bleiben darf - oder ob es seinen eigenen kleinen Brexit bekommt.