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Politik

Druck auf thailändische Aktivisten in Europa

30. Oktober 2020

Politisches Engagement gegen die Führung kann in Thailand lebensgefährlich sein. Für Aktivisten, die im Ausland leben, ist die Gefahr nicht ganz so groß, aber auch sie bekommen die Wut der Königstreuen zu spüren.

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Frankreich Paris | Aktivistin Suwanna Wongsanoa bei Veranstaltung „Run against Injustice“
Bild: Suwanna Wongsanoa

Die Proteste der Jugend in Thailand sind bislang weitgehend friedlich abgelaufen. Aber das muss nicht so bleiben: Bei den großen Demonstrationen von 2010 etwa kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Militär und Zivilisten. Mehr als 90 Menschen wurden getötet. Auch abseits von Straßenprotesten geht der Staat bisweilen mit tödlicher Gewalt gegen Regimegegner vor: Im Dezember 2018 verschwanden der thailändische Aktivist Surachai Danwattananusorn und seine beiden Helfer Chatchan Boonphawal and Kraidet Luelert, die aus Thailand ins benachbarte Laos geflüchtet waren. Zwei Wochen später trieben die Leichen der Helfer im Mekong. Berichte über eine dritte Leiche wurden von der thailändischen Regierung dementiert. Offiziell gilt Surachai als vermisst. Die meisten Oppositionellen mit der die Deutsche Welle gesprochen hat sind überzeugt, dass er tot ist.

Im Juli 2020 wurde der Aktivist und Satiriker Wanchalearm Satsaksit am helllichten Tage in Kambodscha entführt. Seither fehlt von ihm jede Spur. Sein Verschwinden ist auch ein Grund für die aktuellen Proteste in Thailand.

Inspiration in Europa

Aktivisten und politisch engagierte Thais wissen also um das Risiko, das sie eingehen. Allerdings fühlen sich Thais in Europa vergleichsweise besser geschützt, wie die in Deutschland lebende und für die Stiftung Asienhaus in Köln arbeitende Aktivistin Praphakorn Wongratanawin im Gespräch mit der Deutschen Welle sagt: "Ich glaube schon, dass so etwas in Europa grundsätzlich auch passieren kann. Ich weiß auch, dass Dissidenten in Paris und Japan körperlich attackiert wurden. Aber ein gezieltes Vorgehen der thailändischen Behörden gegen Thais im Ausland ist doch unwahrscheinlicher, wegen des Rechtsstaats und der diplomatischen Verwicklungen, die das nach sich zöge."

Aktivistin Praphakorn Wongratanawin vor dem Brandenburger Tor
Praphakorn Wongratanawin als Rednerin bei einer Kundgebung vor dem Brandenburger Tor im September 2019Bild: Praphakorn Wongratanawin

Suwanna Wongsanoa lebt in Paris und berichtet vor allem von Anfeindungen durch andere Thais. Im Gespräch mit der Deutschen Welle beschreibt sich die Veteranin im Kampf gegen die Regierung als Arbeiterin. Sie wurde aktiv nach der gewalttätigen Niederschlagung der Proteste von 2010 und weil sich ihr Blickwinkel in Europa veränderte: "Als ich nach Paris kam und feststellte, dass die Menschen in Frankreich für ihre Steuern vom Staat etwas zurückbekommen, dachte ich, dass das auch für Thais möglich sein muss." Suwannas ursprünglicher Ärger findet seinen Widerhall in den aktuellen Protesten. Ein Schlachtruf der Demonstranten heute lautet: "Meine Steuern!" Der König und sein verschwenderischer Lebensstil sind ein weiterer Kristallisationspunkt für die Proteste, bei denen es auch um die wachsende Ungleichheit im Land geht.

Attacken der Konservativen

Suwanna veranstaltete Versammlungen, auf denen sich Gleichgesinnte treffen konnten und reiste durch Europa, um aufzuklären. Damit zog sie die Aufmerksamkeit der Royalisten auf sich. "Militärs besuchten meine Schwester in ihrem Haus in Thailand. Ich bekam Anrufe von konservativen Thais aus der ganzen Welt: Frankreich, Australien Deutschland, Dänemark usw. Sie beschimpften und bedrohten mich." Das sei jahrelang so gegangen.

Irgendwann seien konservative Thais sogar in ihrem Massagestudio in Paris aufgetaucht und hätten sie verbal angegriffen. "Sie fragten mich immer wieder: Warum liebst du die Monarchie nicht? Warum liebst du den König nicht?" 2016 wurde Suwanna bei den französischen Behörden angezeigt, da sie angeblich Prostitution betreibe und Steuern hinterziehe. Jahrelang nutzte sie aus Angst keine Busse und Bahnen.

Thailand | Proteste in Bangkok
Eine Unterstützerin der Monarchie in Gelb, der Farbe des KönigsBild: Gemunu Amarasinghe/dpa/picture-alliance

Geheimdienst oder Erziehung?

Die in Köln lebende Aktivistin Praphakorn wurde einmal gemeinsam mit Suwanna auf einer Feier in Paris bedroht und anschließend auf Facebook diffamiert. "Ich kann das oft nur schwer verstehen, woher all der Hass kommt. Ich meine, diese Leute kennen mich doch gar nicht." Sie bedauert, dass ein Dialog oft nicht möglich sei.

Ob die Angriffe vom Geheimdienst gesteuert werden, wissen weder Suwanna noch Praphakorn. Vermutlich sammle die Botschaften Informationen über ihre politischen Aktivitäten, aber sie glauben, dass die Anfeindungen von Königstreuen vor allem auf die jahrzehntelange thailändische Erziehung zurückzuführen sind. Die habe den Menschen eingeschärft, dass sie die thailändische Monarchie mit ihrem Leben schützen müssen.

Trotzdem weitermachen

Doch weder Suwanna noch Praphakorn lassen sich einschüchtern. "Was ich nicht ertragen kann", sagt Suwanna, "ist die Attitüde vieler Gelbhemden und Konservativen. Sie schauen auf die einfachen Leute herab." Die beiden Thailänderinnen unterstützen die aktuellen Proteste finanziell, sie knüpfen Netzwerke, organisieren Veranstaltungen in Europa, um aufzuklären und Thais zu ermutigen, Stellung zu beziehen.

Suwanna ist überzeugt, dass sie aus Europa etwas bewegen kann. Praphakorn ist etwas weniger optimistisch: "Wir können nur unsere Solidarität bekunden. Echte Veränderungen können nur die Thais in Thailand bewirken."

Rodion Ebbinghausen DW Mitarbeiterfoto
Rodion Ebbighausen Redakteur der Programs for Asia