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NRW geht auf Distanz zu Ditib

Christian Wolf5. September 2016

Die Kooperation mit dem Islamverband Ditib steht auf der Kippe. Nach Niedersachsen erwägt nun auch Nordrhein-Westfalen, den geplanten Islamvertrag für Religionsunterricht nicht zu unterzeichnen.

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Duisburg Moschee DITIB
Bild: Imago/Reichwein

Bis vor Kurzem galt der Islamverband Ditib als gern gesehener Partner der Politik. Mit ihren rund 900 Moscheegemeinden in ganz Deutschland war die türkisch-islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib) ein wichtiger Ansprechpartner.

Doch seitdem in der Türkei hart gegen Kritiker von Präsident Recep Tayyip Erdogan vorgegangen wird, denken auch hierzulande die politischen Verantwortlichen darüber nach, ob die Ditib wegen ihrer Nähe zur türkischen Führung noch ein geeigneter Partner ist.

Im bevölkerungsreichsten Bundesland NRW gibt es nun eine Entscheidung gegen Ditib, die auch Folgen für den islamischen Religionsunterricht im Land haben könnte. Denn das Innenministerium hat seine Zusammenarbeit mit dem Verband bei einem Vorzeigeprojekt beendet.

Konkret geht es um eine Kooperation bei einem Präventionsprogramm, mit dem Jugendliche vor dem Abdriften in den Salafismus geschützt werden sollen. In mehreren Städten von NRW wird dieses Projekt "Wegweiser" angeboten. In Köln war bisher die Ditib für die Umsetzung zuständig. Diese Kooperation wurde nun aber aufgekündigt, wie Innenminister Ralf Jäger (SPD) in einer Antwort auf eine Anfrage der CDU-Landtagsfraktion mitgeteilt hat.

Deutschland Ralf Jäger Innenausschuss NRW-Landtag
NRW-Innenminister Ralf Jäger hat die Zusammenarbeit mit Ditib beim Projekt "Wegweiser" beendetBild: Reuters/I. Fassbender

"Wie schön ist es, ein Märtyrer zu werden"

Der Grund für das Ende der Kooperation liegt schon einige Monate zurück und hat nichts mit den aktuell angespannten deutsch-türkischen Beziehungen zu tun. Er geht auf eine Veröffentlichung der türkischen Religionsbehörde Diyanet im März 2016 zurück. In einem Comic des Verbands war der Märtyrertod verherrlicht worden. "Wie schön ist es, ein Märtyrer zu werden", sagt da ein Vater zu seinem Sohn. Auf die Nachfrage, wie man denn ein solcher Märtyrer werden könne, entgegnet der Vater: "Natürlich kann man das werden wollen, mein Sohn. Wer will denn nicht den Himmel für sich gewinnen."

Das Innenministerium forderte Ditib auf, eine Stellungnahme zu dieser Veröffentlichung abzugeben – schließlich sind der Islamverband und die Religionsbehörde eng miteinander verbunden und die Imame werden direkt von Diyanet geschickt und auch bezahlt.

Die erhoffte Distanzierung blieb offenbar aus. "In dieser Stellungnahme konnte keine für einen Träger des Präventionsprogramms Wegweiser notwendige klare Neutralität bzw. ausreichende Distanz davon festgestellt werden", heißt es jetzt in dem Schreiben von Innenminister Jäger. Bei Ditib war zunächst niemand telefonisch für eine Stellungnahme zu erreichen.

Einheitliche Linie der Landesregierung?

Zwar geht es in dem konkreten Fall um das Präventionsprojekt in Köln. Die fehlende Distanzierung und die Konsequenz des Innenministeriums könnten jedoch noch weitere Folgen haben. So wie in Niedersachsen, wo ein unterschriftsreifer Islamvertrag kurzfristig auf Eis gelegt wurde, wird nämlich auch in Nordrhein-Westfalen derzeit die generelle Zusammenarbeit mit Ditib überprüft.

Kritik war unter anderem daran aufgekommen, dass der Islamverband Mitglied eines Beirates ist, der am Lehrplan für den islamischen Religionsunterricht in NRW mitwirkt. Beim zuständigen Schulministerium heißt es, dass man die aktuellen Entwicklungen "wachsam" beobachte. Zwar hatte Schulministerium Sylvia Löhrmann (Grüne) vor Kurzem verkündet, weiterhin beim Religionsunterricht mit Ditib kooperieren zu wollen. Wie sich aber der neuste Vorfall auswirkt, ist noch unklar.

Die Ditib hat beantragt, als Religionsgemeinschaft anerkannt zu werden. Damit könnte der Verband dann eigenständig - so wie die katholische und evangelische Kirche auch - Religionsunterricht anbieten. Ein erfolgreicher Ausgang rückt aber in immer weitere Ferne.

NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hatte sich zuletzt mehrmals von dem Verband distanziert. "Es verstärken sich die Zweifel, dass die Ditib den Kriterien zur Einstufung als Religionsgemeinschaft entspricht", hatte die SPD-Politikerin gesagt.

Um über den Antrag entscheiden zu können, wird von der Staatskanzlei derzeit ein Gutachten erstellt. Darin wird auch untersucht, wie unabhängig Ditib von staatlichen Einflüssen agiert. Die fehlende Distanzierung von dem Märtyrer-Comic wird dabei wohl nicht hilfreich sein.