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Deutschland: Hilfspaket für Selbstständige

19. März 2020

Man muss kein Prophet sein, um zu sagen, dass auch die deutsche Wirtschaft stark schrumpfen wird. Die Bundesregierung bringt indes weitere Milliardenhilfen auf den Weg - für Selbstständige und Kleinstunternehmer.

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Bild: picture-alliance/dpa/U. Anspach

Die deutsche Wirtschaft kann nach Prognose des Ifo-Instituts in diesem Jahr wegen der Corona-Krise stark schrumpfen. Bei größeren Produktionseinschränkungen sei ein Einbruch der Wirtschaftsleistung um sechs Prozent denkbar, sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest in München. Wenn es nicht ganz so schlimm werde, könne das Minus bei nur 1,5 Prozent liegen.

"Sowohl die Unsicherheit als auch die Abwärtsrisiken sind sehr groß", sagte Fuest. "Niemand weiß genau, wie sich die Absagen und Schließungen wirtschaftlich auswirken." Der weitere Verlauf der Konjunktur hänge stark von den Maßnahmen zur Eindämmung der Epidemie und von Entscheidungen in anderen Ländern ab. "Derzeit ist die Angst vor der Angst ein großes Problem", so Fuest weiter.

Ifo-Index stürzt ab

Auch in den Führungsetagen der deutschen Wirtschaft schürt die Coronavirus-Krise die Sorgen vor einer kräftigen Rezession. Der viel beachtete Ifo-Geschäftsklimaindex sank im März auf 87,7 Punkte, nach 96,0 Zählern im Februar, wie das Münchner Ifo-Institut am Donnerstag nach vorläufigen Ergebnissen zu seiner Umfrage unter rund 9000 Managern mitteilte. Dies ist der stärkste Rückgang seit 1991 und der niedrigste Wert seit August 2009. "Die deutsche Wirtschaft stürzt in die Rezession", sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest.

Das Ifo will die endgültigen Ergebnisse seiner monatlichen Umfrage unter 9000 Unternehmen am 25. März bekanntzugeben. "Angesichts der ungewöhnlichen Lage" wegen der Virus-Pandemie legten die Münchner Forscher nun erstmals seit Beginn der Erhebung 1949 vorläufige Daten vor. Für das Geschäftsklima werden Manager aus Industrie, Dienstleistungssektor, Baubranche sowie Groß- und Einzelhandel gebeten, ihre gegenwärtige Geschäftslage zu beurteilen und ihre Erwartungen für die nächsten sechs Monate mitzuteilen.

V- oder L - das ist die große Frage

Auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hält wegen der Corona-Krise eine Rezession für unvermeidlich. "Die deutsche Wirtschaft wird in diesem Jahr sicher in eine Rezession stürzen", sagte DIW-Konjunkturchef Claus Michelsen in Berlin. Wie genau es weitergehe, sei derzeit unvorhersehbar. Denkbar seien zwei Szenarien. "Entweder ein V, also baldige Nachholeffekte von Produktion und Konsum nach einem rapiden Absturz, so wie es bei anderen Epidemien wie Sars, der Schweine- oder Vogelgrippe der Fall war", sagte der Experte. Dann könnte das Bruttoinlandsprodukt nur um 0,1 Prozent schrumpfen.

"Es kann aber - und das scheint derzeit realistisch - auch zu einem L-Verlauf der Wirtschaft kommen, in dem nach dem Absturz eben erstmal nichts groß nachgeholt wird und Konsum und Produktion auf einem deutlich niedrigeren Niveau bleiben", sagte Michelsen. "Die Rezession würde dann noch deutlich schwerer ausfallen." Eine konkrete Prognose dazu wollte das DIW nicht wagen.

Hilfspaket für Solo-Sebstständige

Dieses Szenario zu vermeiden, müsse vordringlichste Aufgabe der Politik sein. "Vor allem kleine Unternehmen und Solo-Selbständige wissen nicht einmal, ob sie die Krise wirtschaftlich überleben werden", sagte DIW-Präsident Marcel Fratzscher. "Es kommt nun darauf an, schnell und unbürokratisch Finanzhilfen bereitzustellen. Oberste wirtschaftspolitische Priorität sollte die Stabilisierung von Beschäftigung und die Verhinderung von Insolvenzen sein."

Dies will die Bundesregierung offensichtlich tun und plant ein Hilfspaket von über 40 Milliarden Euro für Solo-Selbstständige und andere Kleinstfirmen. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Regierungskreisen. Zuvor hatte der Spiegel darüber berichtet. Am Vormittag tagte der Corona-Ausschuss des Bundeskabinetts. Das Hilfspaket soll zügig auf den Weg gebracht werden. Geplant sind direkte Zuschüssen und Darlehen.

Eine Wachstumsprognose wagt das RWI - Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung. Das RWI senkt aufgrund der Auswirkungen der Corona-/COVID-19-Epidemie seine Prognose des deutschen Wirtschaftswachstums für 2020 gegenüber Dezember vergangenen Jahres um knapp zwei Prozentpunkte von 1,1 auf nunmehr -0,8 Prozent. Für 2021 erwartet es durch Nachholeffekte 2,3 statt 1,5 Prozent.

Verschiedene Szenarien

Die Prognose beruhe auf der Annahme, dass die Produktion durch die wirtschaftlichen Einschränkungen in Folge der COVID-19-Epidemie lediglich in der ersten Hälfte dieses Jahres kräftig zurückgehen wird, teilte das RWI mit. Dabei wird unterstellt, dass die inzwischen getroffenen Maßnahmen die Ausbreitung von COVID-19 tatsächlich verlangsamen und es bereits in der zweiten Jahreshälfte 2020 und im kommenden Jahr aufgrund von Nachholeffekten zu einer deutlichen Ausweitung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) kommen wird.

Düstere Zahlen hat dass Institut für Weltwirtschaft in Kiel vorgelegt: Der deutschen Wirtschaft droht demzufolge in diesem Jahr ein Konjunktureinbruch von bis zu neun Prozent. Das Bruttoinlandsprodukt falle um 4,5 Prozent, sofern die derzeitige Stresssituation nur bis Ende April andauere und sich dann ab Mai allmählich entspanne, teilte das IfW mit. "Dies wäre ein Rückgang der Wertschöpfung von 150 Milliarden Euro", hieß es dazu. Setzt die Erholung aber erst drei Monate später im August ein, würde das BIP um 8,7 Prozent fallen.

In beiden Szenarien rechnet das IfW im März mit einem Einbruch der Wirtschaftsleistung um fast 18 Prozent zum Vormonat. Dieses niedrige Niveau werde voraussichtlich auch im April noch weitgehend Bestand haben. Aufgrund der weltweiten Belastung der Konjunktur sei von keinen nennenswerten Nachholeffekten im weiteren Jahresverlauf auszugehen. Optimistischer sind die Kieler Forscher für 2021. Dann könne es aufgrund von Aufholeffekten ein Wachstum zwischen 7,2 und 10,9 Prozent geben. 

hb/bea (rtr,dpa)