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E-Health: Das große Geschäft mit der Gesundheit

Oliver Samson4. November 2005

AOL-Gründer Steve Case hat sich von seiner Firma endgültig verabschiedet. Er widmet sich nun einem Geschäft, dem der nächste große Boom voraus gesagt wird: E-Health.

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Die Zukunft: Medizin und ITBild: AP
Steve Case
Steve Case (2002)Bild: AP

Steve Case, der Gründer und ehemalige Geschäftsführer von America Online (AOL), ist ein Freund großer Worte. Schon mit dem Zusammenschluss von AOL mit Time Warner wollte er die Welt verändern, jetzt ist es wieder soweit. "Die Welt zu verändern ist kein Halbtagsjob", sagte Case und nahm Abschied von AOL (1.11.). Case will das marode amerikanische Gesundheitswesen revolutionieren, es "von der Krankheitsverwaltung zum E-Health-Business" verwandeln - hier und nirgendwo anders werde der nächste große Boom kommen.

Insgesamt sei der Gesundheitsmarkt mindestens 320 Milliarden Dollar wert, die auf die "richtigen Investoren" warten. Dafür gründete Case im Juni 2005 die Revolution Health Group und holte sich eine Führungsriege, die sogar die "FAZ" an einen "Friedhof der gefallenen Führungskräfte" denken ließ: Franklin Raines, den abgesägte Ex-Boss der Hypothekenbank Fannie Mae. Steve Wiggins, der einst den Gesundheitskonzern Oxford Health Plans gründete und dann gefeuert wurde. Und Carly Fiorina, den gefallene Stern von Hewlett-Packard.

Überwachung, Beratung, Vernetzung

Privatklinik
Diabetes-Check per InternetBild: AP

Man muss nun nicht amerikanischer Großmanager mit Lust auf den zweiten Anlauf sein, um zu sehen, dass mit E-Health noch viel Geld zu verdienen sein wird - auch weil der Begriff so weit gefasst ist. Die Geschäftsfelder des E-Health haben schließlich nur die Schnittstelle zwischen Medizin und Kommunikationtechnologie gemeinsam. Darunter fallen IT-gestützte Expertenberatungen, etwa wenn ein Spezialist in den USA ein Röntgenbild mit dem Kollegen in Deutschland besprechen kann. Oder die computergestützte Überwachung von Vital-Daten eines Patienten, der nicht im Krankenhaus, sondern zu Hause im Bett liegt. Dazu zählen alle medizinische Dienstleistungen via Internet und auch die angestrebte Vernetzung im Gesundheitssystem: "Disease-Management-Programme" wie etwa die elektronische Gesundheitskarte, die in Deutschland eingeführt werden soll.

"Case hat Recht"

Durch die Karte sollen Informationsfluss verbessert, Behandlungsqualität gesteigert und Kosten gesenkt werden - dafür müssen Modelle entwickelt, Daten transportiert, Soft- und Hardware angeschafft werden. "Case hat natürlich Recht, E-Health ist ein gigantischer Markt. Gerade in einem auf Effizienz bedachten Markt wie den USA", bestätigt Stefan Heng, Kommunikationsexperte der Deutschen Bank Research. "Das läuft eigentlich überall sehr gut - außer in Deutschland."

CeBit 2005: Gesundheitskarte
Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) präsentiert das Muster einer Gesundheitskarte auf der CeBIT 2005 in Hannover.Bild: AP

Die Gesundheitskarte soll eine Art verbesserter Version der bisherigen Krankenkassen-Chipkarte sein, nur dass außer Verwaltungsdaten eben auch noch die Krankenakte des Patienten mitgespeichert werden kann. Bundesregierung, Ärzte, Kassen, Apotheker, Krankenhäuser und IT-Industrie sehen die Vorteile der Gesundheitskarte zumindest in der Theorie - praktisch einigen konnte man sich bisher nicht.

Die deutsche Ärzteschaft hat die Einführung der Gesundheitskarte bisher nicht gerade gefördert. Befürchtungen bezüglich Datenschutz und ärztlicher Schweigepflicht wurden angebracht, gestritten wird mit den Krankenkassen aber vor allem ums Geld. Man hat sich noch nicht einmal über die Finanzierung der anstehenden Praxis-Tests einigen können. Die Kosten für Einrichtung des Netzwerkes, den Zentralcomputer, Lesegeräte und so weiter werden auf bis zu 1,5 Milliarden Euro geschätzt - wie diese zwischen Kassen und Ärzten aufgeteilt werden sollen, bleibt unklar. Dabei würden sich die Kosten "innerhalb weniger Jahre amortisieren", sagt Maurice Shahd, Pressesprecher der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom).

"Standortpolitisches Thema"

Wegen der Verzögerungen fürchtet die deutsche IT-Industrie den Anschluss im E-Health-Business zu verpassen. E-Health sei "ein echtes standortpolitisches Thema" von industriepolitischer Bedeutung, schreibt BDI-Präsident Jürgen Thumann in der groß angelegten Studie "E-Health Deutschland 2005/2006", die im Oktober 2005 vorgestellt wurde. Denn: "An der Schnittstelle zwischen von klassischer Medizintechnik und Informations- und Kommunikationswirtschaft entsteht ein eigener Markt mit großen Wachstumschancen."

Ganz im Sinne der Industrie entschloss sich das Gesundheitsministerium im Oktober schließlich zu einer einzigartigen Drohgebärde: Die Bundesregierung könne schließlich auch die Selbstverwaltung zwischen Leistungsbringern (Ärzten) und Kostenträgern (Krankenkassen) umgehen und den Weg für Gesundheitskarte auf dem Verordnungsweg frei machen, falls man sich nicht schnell genug einigt, ließ der zuständige Ministerialbeamte Norbert Paland wissen. Feldtests der Gesundheitskarte sollen nun doch noch in diesem Jahr beginnen. Des Beifalls der IT-Industrie durfte sich das Gesundheitsministerium sicher sein. Eine Einführung der Gesundheitskarte per Erlass wäre schließlich eine Revolution im deutschen Gesundheitswesen, die bestimmt sogar dem Amerikaner Steve Case gefallen würde.