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Politik

Kubas Ärzte könnten gegen Corona helfen

15. März 2020

Erst Ebola, jetzt Corona: Werden Kubas Mediziner auch diese Epidemie bekämpfen? Die Einsätze der "Armee der weißen Kittel" bringen Havanna nicht nur internationales Prestige, sondern auch begehrte Deviseneinnahmen.

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Sierra Leone Kuba senden 165 Mediziner nach Westafrika
Die ersten Mitglieder des kubanischen Ärzteteams zur Bekämpfung von Ebola landen in Freetown in Sierra LeoneBild: Getty Images/AFP/F. Plaucheur

Die Spur führt nach Havanna. In der weltweiten Corona-Krise spielt auch ein kubanisches Medikament eine wichtige Rolle: Interferon alfa-2b. Das antivirale Präparat gehört nach Angaben der kubanischen Regierungszeitung "Granma" zu den 30 Medikamenten, die Peking zur Behandlung von Corona-Patienten einsetzt.

Was die globale Anwendung angeht, gibt sich die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bisher zurückhaltend. "Es ist unmöglich, die Behandlungschancen von Interferon ohne klinische Studien zu kommentieren", erklärt Dina Pfeifer vom medizinischen Stab der WHO auf Anfrage der DW.

Die medizinische Kooperation zwischen Kuba und China könnte dennoch zu einem Symbol für den Beitrag des sozialistischen Inselstaates zur Bekämpfung der COVID-19-Epidemie werden. Zwar sind kubanische Medikamente und Impfstoffe üblicherweise nicht bekannt für ihre Einsätze in Krisengebieten - wohl aber kubanische Ärzte und Ärztinnen.

Kubanische Ärzte helfen Erdbebenopfern in Pakistan
Kubanische Ärztin behandelt einen Patienten nach dem verheerenden Erdbeben 2005 in PakistanBild: picture-alliance/dpa/P. Hattori

Besonderes Aufsehen erregte deren Einsatz während der Ebola-Epidemie 2014 in Westafrika. Kuba schickte mehr als 460 Ärzte und Pflegekräfte nach Sierra Leone, Liberia und Guinea, 165 davon arbeiteten direkt im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation.

Bewährungsprobe Ebola

"Die WHO hat sehr positive Erfahrungen mit kubanischen Ärzten beim Ebola-Einsatz gemacht", sagt Kuba-Experte Bert Hoffmann vom GIGA Institut für Lateinamerika-Studien. "Die kubanischen Brigaden sind schnell mobilisiert worden und waren effizient."

Hoffmann prognostiziert, dass Kubas Expertise auch beim Kampf gegen Corona nachgefragt werden könnte: "Wir werden Corona auch in vielen armen Ländern mit schwachen Gesundheitssystemen haben. Wenn die WHO darauf reagieren will, könnten kubanische Ärzte bei der Bekämpfung auch in Afrika eingesetzt werden."

Dengue Fieber in Honduras Spezialisten aus Kuba helfen
Ärzte aus Kuba helfen bei der Behandlung von Patienten mit Dengue-Fieber in Tegucigalpa in HondurasBild: AP

"Die Armee der weißen Kittel" - so nannte Fidel Castro die kubanischen Ärzte und Ärztinnen, die in sogenannten internationalen Missionen dienten. Seit 1963 gab es nach Angaben des kubanischen Gesundheitsministeriums (MINSAP) über 600.000 Einsätze in 164 Ländern. Zurzeit sind rund 30.000 Fachkräfte in 67 Ländern im Einsatz, insbesondere in Afrika und Lateinamerika.

Geschäftsmodell Gesundheit

Was einst als Zeichen internationaler Solidarität galt, hat sich zu einem einträchtigen Geschäftsmodell entwickelt. Laut der UN-Organisation für Handel und Entwicklung (UNCTAD) summieren sich die jährlichen Deviseneinnahmen aus den medizinischen Dienstleistungen Kubas auf knapp elf Milliarden US-Dollar. Zum Vergleich: Die kubanischen Exportgüter Rohzucker, Tabak, Nickel und Rum brachten 2018 knapp drei Milliarden US-Dollar ein.

"Nach 1989 musste Kuba sehen, wie es an Devisen kommt", erklärt Kuba-Experte Hoffmann. Havanna habe sich deshalb entschieden, "aus seiner medizinischer Stärke auch eine wirtschaftliche Stärke zu machen, die über die Versorgung der eigenen Bevölkerung und Solidarität bei humanitären Katastrophen hinausgeht".

Infografik - Vorbild Kuba - DE

Viel Ärzte, wenig Medikamente

Die Grätsche zwischen sozialistischer Planwirtschaft und begehrter Expertise führt zu paradoxen Zuständen. So verfügt das öffentliche Gesundheitssystem zwar über genügend Ärzte, jedoch fehlen aufgrund von Wirtschaftskrise und Devisenmangel Medikamente und medizinische Geräte. Taxifahrer, die in US-Dollar bezahlt werden, verdienen mehr als Ärzte. 

Kubas Gesundheitssystem wird deshalb von vielen internationalen Organisationen unterstützt, darunter das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen UNICEF, die panamerikanische Gesundheitsorganisation, die internationale Impfallianz Gavi oder Caritas International.

"Das kubanische System ist das Gegenteil des Systems in den USA", schreibt die "New York Times". "In Kuba ist der Zugang frei und die Grundversorgung funktioniert. In den USA ist die medizinische Versorgung teuer und Hightech."

Kuba impft mehr Kinder als USA

Die Statistik bescheinigt Kuba eine erfolgreiche Prävention und Grundversorgung. So ist die Kindersterblichkeit in den USA höher als in Kuba (siehe Grafik). In Kuba werden mehr Kinder geimpft als in den USA, und die Krebs-Vorsorgeuntersuchungen für Erwachsene nehmen fast alle Einwohner wahr.

Auch wenn Kuba kein medizinisches Vorbild für die USA ist - der sozialistische Inselstaat, der elf Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für öffentliche Gesundheit aufbringt, gilt in Lateinamerika und vielen afrikanischen Ländern als Vorreiter. Die Kubaner scheinen sich an dieses Paradox gewöhnt zu haben. "Wir leben wie arme Leute, aber wir sterben wie Reiche", lautet ein einheimisches Sprichwort.

Infografik - Kubas Kindersterblichkeit im Vergleich - DE


Mittlerweile ist das Coronavirus auch in Havanna angekommen. Am 12. März wurden nach Berichten der Zeitung der Kommunistischen Partei "Granma" drei italienische Touristen positiv auf das Virus getestet und ins Institut für Tropenmedizin Pedro Kourí (IPK) eingewiesen. Die drei Patienten wiesen einen "günstigen Krankheitsverlauf" auf.

Für Bert Hoffmann zeigt die Corona-Krise nicht nur die Widersprüche zwischen arm und reich, sondern auch zwischen Diktatur und Demokratie. "Staaten wie Kuba und China haben große Vorteile in der rigiden Bekämpfung von Epidemien, weil der staatliche Zugriff direkt ist. Es gibt eine militärische Routine, da wird im Notfall ein Flugzeug freigeräumt. Das sind willkürliche Akte, die in so einer Situation aber positiv wirken können."