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Echter Erfolg mit falschen Papieren

Guido Baumhauer15. Juni 2002

Sie wollen in Deutschland studieren – um jeden Preis. Nach vorsichtigen Schätzungen haben sich 7.000 Chinesen den Zugang zu deutschen Hochschulen erschlichen. Eine Akademische Prüfstelle soll dies verhindern.

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Hoffen heisst warten

Xu Yin ist sauer. Obwohl sie die Tests an der Akademischen Prüfstelle bestanden hat, darf sie noch nicht direkt an einer deutschen Hochschule studieren. Zunächst soll sie noch ein Studienkolleg besuchen. "Nachqualifikation" nennt sich das. Wer weniger als drei Semester studiert hat, kommt nicht daran vorbei. "Da verliere ich ein Jahr", mault die 22-jährige. "Ihr Deutschen macht uns das Leben echt schwer. Wollt Ihr uns denn nicht?"

"Schutz für weisse Schafe"

Wenn Arvid Enders solche Vorwürfe hört, schüttelt er schnell den Kopf. Ein Reflex, den der dynamische, deutsche Diplomat in Peking gelernt hat. "Nee, nee", wiegelt er ab, "ein Schuldgefühl habe ich nicht". Vielmehr prüfe er im Interesse der chinesischen Studenten, weil "wir durch die Identifizierung der wenigen schwarzen Schafe, die weißen Schafe vor einer Ablehnung durch deutsche Hochschulen schützen. Diese Leute bewahren wir damit vor einem schlimmen Gesichtsverlust."

Doch die Dankbarkeit vieler Chinesen hält sich in Grenzen. Besonders wenn die Eltern der Bewerber der Pekinger Prüfstelle einen Besuch abstatten, artet das mitunter in eine regelrechte Heimsuchung aus. Weil ihr Sohn abgelehnt wurde, riss eine enttäuschte Mutter einer Mitarbeiterin kurzerhand ein Büschel Haare aus. Solche "haarigen" Auftritte lassen die Mitarbeiter der Prüfstelle schmerzhaft spüren, wie groß der Druck vieler Eltern ist, ihre Kinder zum Studieren ins Ausland zu schicken. Dafür sparen Sie jeden Yuan, den Sie entbehren können. Und geben das Geld mitunter für gefälschte Papiere aus.

Deutsche Hochschulen getäuscht

Hochschulabschlüsse gibt es in China auf der Strasse zu kaufen. Schanghai Universität, Beijing Universität oder Tshinghua Universtät – für jede Hochschule und jedes Fach können Chinesen Bescheinigungen, Zertifikate oder Abschlusszeugnisse kaufen. Alles sieht täuschend echt aus. So echt, dass in den letzten zwei Jahren auch deutsche Hochschulen darauf hereingefallen sind. Nach informellen Schätzungen des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) sind zwischen 7.000 und 9.500 chinesische Studienbewerber akzeptiert worden, obwohl ihre Papiere gefälscht waren. Das sind mehr als die Hälfte aller Chinesen, die seit 2000 in Deutschland studieren.

Anträge in der Prüfstelle
Anträge

Prüfer als Detektive

Deswegen hat Arvid Enders die Akademische Prüfstelle in Peking aufgebaut. Seit Juli 2001 werden hinter den Glaswänden der Prüfstelle junge Chinesen und die Echtheit ihrer Unterlagen überprüft. Dabei flog prompt der nächste Betrug auf: Viele Papiere sind gefälscht und dennoch echt. Klingt paradox, ist aber ganz einfach. Die Studienbewerber besorgen sich über zwielichtige "Agenturen" echte Dokumente mit Originalpapier und Originalstempel der Universitäten. Studiert haben sie dort allerdings nicht. Um den Betrügern auf die Schliche zu kommen, entwickeln die Tester für jeden Bewerber individuelle Fragebögen. Für Enders ein einfaches und effizientes Erfolgsrezept: "Wenn einer behauptet, er habe Physik studiert und kennt den Dreisatz nicht, haben wir daran Zweifel."

Nur die Besten sollen kommen

Schlange in der Prüfstelle
Schlange in der Prüfstelle

Die chinesischen Bewerber schreckt das nicht ab. Jeden Wochentag von acht bis zwölf Uhr das gleiche Bild: lange Schlangen auf den Gängen. Trotz der Bewerberflut haben einige Hochschuldirektoren in Deutschland die Sorge, die Auswahlkriterien der Prüfstelle seien so streng, dass nicht genügend chinesische Studenten zu ihnen kommen könnten. Enders schüttelt wieder heftig den Kopf: "Wenn ein Direktor hunderttausend Studenten aus China haben mag, kann er sie sofort haben. Es macht bloß keinen Sinn solche zu nehmen, die sich selbst für ihre eigenen Universitäten nicht qualifiziert haben." Außerdem sei auch nach Einrichtung der Prüfstelle die Zahl der Anträge auf ein Studienbewerbervisum immer noch höher als die Gesamtzahl der freien Plätze für Chinesen an deutschen Hochschulen.

Leidtragende Nachbarn

Aus deutscher Sicht erfüllt die Akademische Prüfstelle ihren Zweck. Bewerber mit falschen Papieren werden abgeschreckt oder aussortiert. Mit überraschendem Nebeneffekt: Die österreichische Botschaft wird von jungen Chinesen förmlich überrannt. Die Zahl der Antragsteller, die in Österreich studieren wollen, hat sich seit Jahresbeginn verfünfzigfacht. An dieser Stelle kann sich Enders ein Grinsen nicht ganz verkneifen. "Ich denke schon, dass viele von denen sonst mit gefälschten Papieren versucht hätten, nach Deutschland zu gehen." Jetzt müssen die Österreicher sehen, wie sie damit klar kommen. Vergangenen Monat haben sie bei der deutschen Botschaft angefragt, ob sie nicht ebenfalls die Akademische Prüfstelle nutzen könnten.