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Eike Schmidt: Wird der Deutsche Bürgermeister von Florenz?

Veröffentlicht 20. Juni 2024Zuletzt aktualisiert 22. Juni 2024

Er holte die weltberühmten Uffizien aus dem Dornröschenschlaf. Nun steht Eike Schmidt in seiner Wahlheimat Florenz in der entscheidenden Stichwahl um den Chefsessel im Rathaus. Unterstützt wird er vom rechten Lager.

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Eike Schmidt, Kandidat um das Amt des Bürgermeisters in Florenz
Eike Schmidt will ins Rathaus von Florenz - acht Jahre lang war der deutsche Kunsthistoriker Direktor der UffizienBild: Christoph Sator/dpa/picture alliance

Die Chancen stehen nicht schlecht, dass der hochgewachsene 56-Jährige mit dem tiefen Bass künftig im Florentiner Rathaus den Ton angibt: Bei der ersten Runde der italienischen Bürgermeisterwahlen holte Herausforderer Schmidt, unterstützt von der rechten Regierungskoalition um Giorgia Meloni, knapp 33 Prozent der Stimmen. Er landete auf Platz zwei - rund zehn Prozent hinter der Kandidatin der Mitte-links-Parteien, Sara Funaro. Doch immerhin: Schmidt, Jahrgang 1968, steht in der Stichwahl am 23. und 24. Juni. Ein unerwarteter Erfolg. 

Die Uffizien am Ufer des Flusses Arno
Die Uffizien am Ufer des Flusses ArnoBild: Egmont Strigl/imageBROKER/picture alliance

Ein erfolgreicher und weltweit gefragter Museumsmanager, das ist der aus Freiburg im Breisgau stammende Kunsthistoriker. Einer, der - wie es heißt - schon als Kind gotische Skulpturen abzeichnete, um dann vollends den Schönheiten vergangener Epochen zu verfallen. Nach Museumsstationen in den USA und beim Auktionshaus Sotheby's in London kehrte er zurück nach Florenz. Hier hatte Schmidt nach dem Studium in Heidelberg am Deutschen Kunsthistorischen Institut bis 2001 zur Geschichte der Uffizien geforscht - wobei er auch seine spätere Frau kennenlernte.

Ein Museumsmann als Bürgermeister?

Ein halber Italiener - mit italienischem Pass - ist Schmidt bereits. Doch was qualifiziert einen Museumsmann wie ihn für das Amt des Bürgermeisters einer italienischen Großstadt? Das fragen sich viele, seit er wenige Wochen vor der Wahl seinen Hut in den Ring warf - als unabhängiger Kandidat, jedoch unterstützt von Melonis rechter Partei "Fratelli d'Italia". "Die Amtszeit im Museum endete automatisch nach zwei Mandaten", erklärte Schmidt unlängst im Magazin "Spiegel". "Als das bekannt wurde, hielten mich im Sommer Florentiner auf der Straße an und sagten: 'Bleiben Sie doch hier, stellen Sie sich als Bürgermeister zur Wahl.' Das landete dann irgendwann in der Zeitung."

Besucher stehen fotografierend vor Botticellis Gemälde "Die Geburt der Venus"
Besuchermagnet der Uffizien ist das Gemälde "Die Geburt der Venus" von Sandro Botticelli. Als Direktor steigerte Schmidt die BesucherzahlenBild: Fredrik von Erichsen/dpa/picture alliance

Das war, bevor Schmidt zum Jahreswechsel an das Nationalmuseum Capodimonte in Neapel wechselte. Was Schmidt ganz gewiss auszeichnet, ist sein Organisations-, sein Kommunikations- und nicht zuletzt sein Improvisationstalent: Als er 2015 die Leitung der weltberühmten Uffizien übernahm, als erster Ausländer und zweiter Nichtflorentiner, da wirkte der Deutsche noch wie ein Fremdkörper. "Mir gefällt die Kraft der Italiener, flexibel auf Unerwartetes zu reagieren", so Schmidt, "das können Sie im Straßenverkehr erleben. Oder wenn Sie eine Ausstellung vorbereiten. In Deutschland oder den USA können Sie zwei Monate vor der Eröffnung nichts mehr ändern. In Italien hängen wir noch am Vorabend Bilder um, wenn es dadurch besser wird."

Der die Uffizien entstaubte

Ein Deutscher neuer Direktor der Uffizien

Genau in diesem Geist machte sich Schmidt ans Entstauben der Institution Uffizien, anfangs noch gegen Proteste der Belegschaft: Er schickte Kammerjäger in den Kampf gegen Zecken. Er organisierte eine Internetpräsenz. Er ließ Fotos prominenter Gäste auf Twitter posten. Täglich erschien ein neues Kunstwerk auf Instagram. Mit neuen Jahreskarten und Ermäßigungen in Randzeiten, mit der bis dahin ungekannten Möglichkeit von Online-Buchungen machte er den berühmt-berüchtigten Besucherschlangen vor den Uffizien den Garaus. Mehr noch: Als Sponsor zog er das Modelabel Gucci an Land. Kurzum: Geschickt verpasste er den Galleria degli Uffizi ein modernes Image. Und ließ so die Besucherzahlen in die Höhe schnellen, was in der Museumswelt Bewunderung auslöste, und nicht nur dort.

Ob ihn der Wunsch nach Veränderung antrieb oder knallhartes Karrierekalkül, weiß nur er selbst: Schmidts Beinah-Wechsel an das Kunsthistorische Museum Wien Ende 2019 ließ aufhorchen. Seine kurzfristige Absage einen Monat vor Amtsantritt aber sorgte weithin für Kopfschütteln. Österreichs Kulturpolitik war düpiert, Kommentatoren überschlugen sich vor Empörung. Was blieb, war ein Makel, der Schmidt fortan anhaftete.

Skulpturen säumen die von Besuchern gefüllten Ausstellungshallen der Uffizien
Blick in die von Besuchern gefüllten Ausstellungshallen der UffizienBild: Luca Bruno/AP/dpa/picture alliance

Nicht weit vom alten Amtssitz

Auch über Schmidts Unterstützung durch das italienische Mitte-Rechts-Lager wundern sich derzeit viele. Ob er ein Rechter sei, wurde er gefragt. "In Deutschland klingt dieses Wort immer gleich nach rechts außen", so Schmidt in dem Spiegel-Gespräch, "in Italien spricht man bewusst vom Mitte-rechts-Lager". Regierungschefin Meloni von der Partei Fratelli d'Italia begann in einer neofaschistischen Jugendorganisation. Sie polarisierte das Land über Jahre und wetterte im Wahlkampf gegen Europa. "Aber seitdem sie Premierministerin ist, hat sie eine Realpolitik gemacht, von der sich viele Leute ein Stück abschneiden können. Die Politik ihrer Partei Fratelli d'Italia wäre in mittigen deutschen Parteien mehrheitsfähig", glaubt Museumsmann Schmidt. Er gehöre keiner Partei an und plane auch nicht, einer beizutreten.

Sollte Schmidt nach siegreicher Stichwahl am 23. und 24. Juni als Hausherr in den Palazzo Veccio einziehen, den einstigen Regierungssitz der Republik Florenz, dann bliebe vielleicht manches beim alten: Die Kellner der umliegenden Cafés würden einen alten Bekannten begrüßen - den großen Deutschen, dem das Handy am Ohr festgewachsen scheint und dessen sonores Timbre ganze Räume füllt. Der Neu-Politiker könnte an seiner alten Wirkungsstätte gelegentlich nach dem Rechten schauen. Denn der historische Palast mit dem hohen Turm steht am Fluss Arno - direkt neben dem wichtigsten Kunstmuseum Italiens - den Uffizien. Und da kennt sich Eike Schmidt gut aus.