Ein Biobauer hat es satt
17. Januar 2020Der Biobauernhof aus dem Lehrbuch, für den so viele Landwirte, Tier- und Naturschützer an diesem Wochenende erneut auf die Straße gehen, liegt in Siegen in Nordrhein-Westfalen, im 800-Einwohner-Stadtteil Buchen, direkt an einer Durchgangsstraße. Aus einem riesigen Stahl-Ungetüm zapfen die Kunden hier frische Bio-Milch in die selbst mitgebrachte Flasche, packen die hellbraunen Eier aus artgerechter Haltung in die Zehnerbox oder greifen für ein tiefgefrorenes Kalbskotelett in den Kühlschrank.
Dann legen sie den Euro für einen Liter Milch, die 38 Cent pro Ei und den fälligen Betrag für das Fleisch in eine kleine silberne Kasse, denn alles läuft hier auf dem Hof Zeppenfeld per Direktvermarktung und Selbstbedienung. Henric Debus setzt im Kleinen darauf, was auch im Großen gelten soll: vertrauen, dass die Konsumenten ihren Beitrag zur ökologischen Landwirtschaft leisten.
Biobauer aus Berufung
Der junge, gerade einmal 26 Jahre alte schlaksige Bauer hat im vergangenen Jahr den Bauernhof von seinen Eltern übernommen - ein Familienbetrieb. In den 1950er Jahren hatten seine Großeltern den Hof gekauft. "In der elften Klasse habe ich ein zweiwöchiges Praktikum in einer Elektrofirma gemacht und mich da völlig fehl am Platz gefühlt", erinnert sich Debus mit einem Lachen an seine Schulzeit zurück. "Mir fehlte die Natur und die frische Luft. Und da habe ich gemerkt: Landwirtschaft ist mein Steckenpferd und das mache ich weiter."
Heute heißt das: ein 13-Stunden-Tag von 6 Uhr morgens bis 19 Uhr abends, im Sommer auch schon einmal länger, wenn Erntezeit ist. Die Bewirtschaftung der 50 Hektar Fläche, der 38 Milchkühe und 600 Legehennen wuppt er fast im Alleingang, morgens beim Melken packt noch sein Vater mit an, abends unterstützt ihn eine Angestellte im Stall.
Ökologische Landwirtschaft in Deutschland ausbaufähig
Der Familienbetrieb hat 2007 auf ökologische Landwirtschaft umgestellt. Für Henric Debus eine Herzensangelegenheit: "Ich finde den Einsatz von Pestiziden und mineralischen Düngemitteln nicht sinnvoll, und die Tiere sollen genügend Platz haben und auf Stroh liegen und nicht auf Beton." Der Hof gehört damit zu den 32.000 Betrieben in Deutschland, die ökologisch wirtschaften und mit denen sich Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner so gerne brüstet. Jeder achte Betrieb hierzulande arbeitet immerhin ökologisch.
Doch zur Wahrheit gehört auch, dass viele Öko-Bauern ihre Betriebe aufgeben und zu konventionellen Produktionsstandards zurückkehren, weil sich die Biolandwirtschaft oft nicht rentiert. Der junge Landwirt aus Siegen kommt noch gut über die Runden, verkauft täglich bis zu 600 Liter Milch an eine Molkerei und 500 Eier per Direktverkauf, doch in den vergangenen Jahren musste auch er knabbern: "Man hat im Öko-Landbau grundsätzlich weniger Erträge.Und wenn dann noch Dürre und Trockenheit wie 2018 und 2019 dazu kommen, muss man einfach sehr viel Futter zukaufen."
Demonstration in Berlin für Debus ein Muss
In diesen Tagen hat Henric Debus wieder seinen großen grünen Traktor startklar gemacht und das Banner "Die Kuh gehört zum Bauern und nicht in die Agrarindustrie" am Kühler befestigt. Er fährt zum sechsten Mal in die Hauptstadt zur "Wir haben es satt"- Demo für eine Agrarwende.
2015 war die Teilnahme noch eine fixe Idee in der Studenten-WG gewesen, heute ist die Demo für Debus trotz der langen Anreise von 18 Stunden ein absoluter Pflichttermin. "Als Bauer ist man ja das ganze Jahr über ein Einzelkämpfer. Aber wenn dann Tausende Menschen in Berlin dafür demonstrieren, wofür man sich tagtäglich selber einsetzt, dann gibt einem das schon sehr viel Kraft!"
Gerade 2020 könnte für die deutschen Öko-Bauern ein entscheidendes Jahr werden, denn bei der EU-Agrarreform geht es in diesem Jahr um Subventionen in Milliardenhöhe. Für Debus ist klar, so wie bisher kann es nicht weiter gehen: "70 Prozent der EU-Fördergelder gehen an 30 Prozent der Betriebe. Wenn ich viel Fläche habe, bekomme ich also viel Förderung."
Auf der Strecke bleiben deshalb häufig die kleinen Höfe, die versuchen, ökologisch zu arbeiten. "Es hat für die Bevölkerung und die Gesellschaft einen Mehrwert, wenn die Natur erhalten bleibt und das Grundwasser nicht belastet wird. Nachhaltiges Wirtschaften muss auch honoriert werden," fordert der junge Biobauer.
Agrarpolitik für die Großen
Mit 36.000 Euro subventionierte der Agrarfonds der Europäischen Union 2018 den Hof in Siegen. Geld, das komplett für den Futterzukauf draufging. Zum Vergleich: Der Energieriese RWE, der auch über viele landwirtschaftliche Flächen verfügt, erhielt satte 330.000 Euro aus dem Fördertopf. Henric Debus kann das nicht verstehen: "Wieso wird ein so großer Konzern mit einem Milliardenumsatz auch noch zusätzlich unterstützt?"
Mit den anderen Bauern aus ganz Deutschland wird er in Berlin über solche Fragen debattieren. Die fünf Tage, die Debus wegen der Demonstration inklusive An- und Abreise nicht in Siegen sein kann, hält sein Vater den Bauernhof am Laufen.
Vielleicht ist es beim Thema ökologische Landwirtschaft wie beim Klimaschutz - dass die Gesellschaft schon weiter ist als die Politik. Henric Debus sagt, er bemerke ein Umdenken in der Bevölkerung: "Jede Woche haben wir hier ein, zwei neue Kunden, die die Kühe und Hühner draußen sehen und dann sagen, wir sind neu hier und würden gerne mal wissen, wie das bei Euch funktioniert."
Deswegen verfällt der junge Biobauer, trotz der schwierigen Rahmenbedingungen seitens der Politik, auch nicht in Weltuntergangsstimmung: "Ich bin zuversichtlich, was die Zukunft unseres Hofes und der Öko-Bauern anbelangt."