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Politik

Ein Denkmal für Milosevic in Serbien?

20. März 2018

Kriege, Sanktionen, Hyperinflation: Das verbinden viele Serben mit der Zeit des früheren Präsidenten Milosevic. Trotzdem ist eine Initiative gestartet, die sich für ein Denkmal zu Ehren des Autokraten einsetzt.

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Kriegsverbrecher-Prozess gegen Milosevic
Bild: picture-alliance/dpa/dpaweb

"Unter der Linde" ruht er, der frühere serbische Präsident Slobodan Milosevic. Er starb 2006 in seiner Zelle in Den Haag, wo er sich vor dem Kriegsverbrechertribunal wegen schwerer Verbrechen und Völkermord während der Jugoslawien-Kriege in den 1990er Jahren verantworten musste. Eine Beerdigung in der "Allee der Ehrenbürger" auf dem Prachtfriedhof der serbischen Hauptstadt Belgrad kam damals nicht in Frage. So landete der Sarg mit der Leiche von Milosevic im Hof seines Familienhauses in der Heimatstadt Pozarevac, etwa 80 Kilometer südöstlich von Belgrad. Unter einer Linde eben, in einem Hinterhof: Seine Kritiker spotten, er hätte keine bessere Grabstätte verdient.   

Als Chef der Sozialistischen Partei Serbiens (SPS), einer Nachfolgepartei der Kommunisten, lenkte Milosevic die Geschicke des restlichen Jugoslawien - das nur noch aus Serbien und Montenegro bestand - über eine ganze Dekade. Bis heute gelten in Serbien "die Neunziger" als Sammelbegriff für eine Ära der Kriege, Flüchtlingsströme, Liquidationen der politischen Gegner und Journalisten, Sanktionen, Hyperinflation und Armut. Sie endete erst im Oktober 2000, als Milosevic durch Massenproteste gezwungen war, seine Wahlniederlage gegen die demokratische Opposition zu akzeptieren. Was muss dann in Serbien passiert sein, damit heute die berüchtigten 90er Jahre romantisiert werden und die Idee, in Belgrad ein Denkmal für Milosevic zu errichten und eine Straße nach ihm zu benennen, viele prominente Unterstützer hat? 

Timeline Zerfall Jugoslawien Alija Izetegovic Franjo Tudjman und Slobodan Milosevic Treffen in Dayton USA
Das Ende des Bosnien-Krieges in Dayton (1995): Slobodan Milosevic (r.), der bosnische Präsident Alija Izetbegovic (l.) und der kroatische Präsident Franjo Tudjman Bild: picture-alliance/dpa

"Kämpfer für das Serbentum"

"Milosevic war ein Held seiner Zeit, er verteidigte das Land, als die Bomben der NATO fielen", sagt Jovana Dimitrijevic. Sie bezieht sich damit auf die Luftangriffe von 1999 mit Hunderten von Opfern in Serbien, die die Abspaltung des Kosovo einleiteten. Die junge Dame steht dem Kreisverband der mitregierenden SPS in Pozarevac vor und hat die schriftliche Initiative zur Errichtung eines Milosevic-Denkmals unterschrieben: "Das ist eine moralische Pflicht der Bürger gegenüber diesem unschuldigen Menschen, dem Kämpfer für das Serbentum."  

Nun ist dieses Dokument der Belgrader Stadtregierung und dem mächtigsten Mann des Landes überreicht worden, dem Präsidenten Aleksandar Vucic. Seit sechs Jahren regiert der Chef der Fortschrittspartei das Balkanland mit eiserner Hand, er kontrolliert weitgehend Medien und Justiz, gibt aber nach außen den überzeugten Europäer. In den Neunzigern war er ein nationalistischer Falke und Informationsminister unter Milosevic. Seine heutigen Juniorpartner sind eben jene Sozialisten, die sich für ein Milosevic-Denkmal einsetzen. "Jedes Denkmal ist eine Intervention in den öffentlichen Raum und erzählt davon, wer gerade regiert", sagt der Balkan-Kenner Eric Gordy vom University College in London im Gespräch mit der DW. Der gewählte Zeitpunkt zeige, dass viele Menschen in Serbien frustriert seien von den Problemen der politischen Übergangszeit.

Ein Land in der Dauerkrise 

Gründe dafür gibt es genug. Die Arbeitslosigkeit liegt bei fast 30 Prozent und vier Fünftel der Beschäftigten verdienen weniger als 400 Euro netto im Monat. Nach dem Sturz von Milosevic seien die Erwartungen viel höher gewesen: "Eine demokratische Gesellschaft, wirtschaftlichen Fortschritt, EU-Integration: Das haben die Menschen nicht bekommen. Deswegen macht sich in den letzten Jahren die Milosevic-Nostalgie bemerkbar", erklärt Gordy.

Vor diesem Hintergrund wirkt es nicht verwunderlich, dass vor kurzem sogar eine "Slobodan Show" Premiere feierte: ein Musical mit Milosevic als Protagonist. Und die Witwe des verstorbenen Autokraten, Mirjana Markovic, hat vor drei Jahren eine Biographie mit dem Titel "So war es" veröffentlicht. Dieses Buch voller "alternativer Fakten" war in Serbien ein großer Erfolg. Markovic fand noch 2003 Unterschlupf in Russland, weil ihr in Belgrad ein Prozess wegen der Beteiligung an der Ermordung eines politischen Gegners drohte.

Diese Entwicklung wird auch von den Regierenden und ihren treuen Boulevardmedien befördert. Präsident Vucic redet gerne über das "räuberische Regime", das Serbien durch dubiose Privatisierungen von Staatsbetrieben nach dem Sturz Milosevics "zerstört" habe. Erst Vucic selbst bringe das Land wieder auf die Beine.  

Deutschland Serbien Vucic bei Merkel
Vucic bei Angela Merkel in Berlin: Der serbische Präsident darf die Milosevic-Ära nicht romantisieren Bild: Reuters/H. Hanschke

Keine ernsthafte Aufarbeitung 

Bojan Djuric ist davon überzeugt, dass es trotzdem nicht zum Bau eines Denkmals für Milosevic kommen wird. Da spiele es keine Rolle, dass heute die einstigen Vertrauten des Autokraten an der Macht seien, sagt der Chefredakteur des liberalen Meinungsportals "Novi pogledi": "Für einen Großteil der Bevölkerung und für die Politik-Elite ist Milosevic eine Warnung: So enden die, die nicht wissen, wann es reicht. Seine Politik kann nicht rehabilitiert werden, denn Serbien ist anders, die Welt ist anders."  

Andererseits gab es bisher weder in Serbien noch in der restlichen Region eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Verbrechen und Traumata der 1990er Jahre. Das Haager Tribunal für das ehemalige Jugoslawien, das seine Arbeit 2017 beendete, wird noch heute als ein erzwungenes Übel wahrgenommen. Die früheren Insassen des Gefängnisses in Den Haag nehmen inzwischen wieder am öffentlichen Leben teil.    

"Das Regime von Milosevic war eine Frankenstein-ähnliche Kombination von Bolschewismus und Chauvinismus. Er konnte die Wahlen nur verlieren, weil einige seiner Unterstützer auf die 'helle' Seite wechselten", meint Djuric. "Die Politiker revidieren ihre Positionen stillschweigend. Es ist nicht zu erwarten, dass sie öffentlich zugeben, wie falsch sie damals lagen."  

Warten auf das Machtwort des Präsidenten

Präsident Vucic hat seine Entscheidung noch nicht bekanntgegeben, doch es ist zu erwarten, dass er die Denkmal-Initiative ins Leere laufen lässt. Schließlich bemüht er sich gerade, den Weg Serbiens in die EU zu ebnen - durch eine Normalisierung der Beziehungen zur ehemaligen serbischen Südprovinz Kosovo. 

Sollte eines Tages trotzdem ein Denkmal für Milosevic gebaut werden, hat die serbische Twitter-Community viele Ideen: Es könne ein Berg von Totenschädeln sein, oder ein 500-Milliarden-Dinar-Schein, der an die Hyperinflation erinnert, die in den Neunzigern Gehälter im Stundentakt vernichtete. Und ein User heißt das Denkmal mit einer ganz besonderen Erklärung willkommen: "Das öffentliche Klo kann man immer gebrauchen."