Denkmal-Abriss umstritten
28. April 2011Nach monatelangem Streit hat die türkische Regierung den Abriss eines Versöhnungsmahnmals begonnen, das im Grenzgebiet zu Armenien steht. Das 24 Meter hohe Denkmal, das einen in der Mitte geteilten Menschen darstellt, war von türkischen Nationalisten scharf kritisiert, von Künstlern hingegen als "Denkmal der Menschlichkeit" verteidigt worden. Der Abriss hat eine politische Debatte ausgelöst, die erneut ein Schlaglicht auf die schwierigen türkisch-armenischen Beziehungen wirft.
Yasin Aktay, Vorsitzender des regierungsunabhängigen Think Tanks "Instituts für Strategisches Denken", sieht den Normalisierungsprozess zwischen der Türkei und Armenien als "noch nicht tot". Aber er sei auch nicht "besonders lebendig". "Am Ende wird es einen Ausweg geben. Wegen des geplanten Pakts mit dem Iran und der daraus resultierenden regionalen Kooperation wird Armenien gebraucht. Doch Armenien sollte auch im Karabach-Konflikt einen Schritt nach vorne machen.“
Die Türkei ist in dem Konflikt um Nagorny Karabach auf der Seite Aserbaidschans und fordert von Armenien die Beendigung der Besatzung aserbaidschanischen Territoriums. Diese besteht seit dem armenisch-aserbaidschanischem Krieg von 1992 -1994. Seitdem hält Armenien eine mehrheitlich armenisch besiedelte Enklave in Aserbaidschan sowie einen Korridor dorthin besetzt. Aktay sieht den Grund für den Stillstand im Karabach-Konflikt in der "inneren Dynamik" der betroffenen Länder. Wegen anstehender Wahlen wolle keine der Regierungen "Rechenschaft ablegen", was sie auch vor "mutigen Schritten" abhalte. Allerdings müsse das Denkmalthema von den türkisch-armenischen Beziehungen losgelöst betrachtet werden.
Annäherung zerstört
Der Abriss des Denkmals spielt nach Meinung des außenpolitischen Experten und Journalisten der Tageszeitung "Habertürk", Soli Özel, Aserbaidschan in die Hände. Denn somit sei eine weitere Entspannung zwischen der Türkei und dem Konfliktgegner Armenien nicht zu erwarten. Allerdings sei deshalb keine positive oder negative Wirkung auf die türkisch-aserbaidschanischen Beziehungen zu erwarten. Dennoch kritisiert Özel die Entscheidung gegen den Verbleib des Denkmals heftig. Die Öffnung der Türkei nach Armenien sei von Ministerpräsident Erdogan im Keim zerstört worden. "Der Abriss des Denkmals ist ein Nagel für den Sarg, in dem die zaghaft begonnene Entspannungspolitik zwischen der Türkei und Armenien nunmehr liegt", meint Özel.
Nationalisten unversöhnlich
Der Vorsitzende der nationalistischen NGO "Türkisches Zentrum für Strategische Studien" (TÜRKSAM), Sinan Ogan, ist bei den Parlamentswahlen am 12. Juni Listenführer der Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP) in der Grenzprovinz Igdir. Ogan sieht in dem Denkmal und in der Diskussion um seine Beseitigung "nichts Künstliches". Für ihn sei es sehr schwer, von einer Freundschaft zu Armenien zu sprechen: "Armenier behaupten jedes Jahr am 24. April, die Türkei habe Völkermord an den Armeniern begangen, sehen den Berg Ararat als ihr Territorium und halten seit ihrer Invasion in Berg Karabach aserbaidschanisches Territorium besetzt." Armenien müsse "unbedingt einen Schritt im Karabach-Konflikt machen", sagt Ogan.
"Nur ein Denkmal"
Der armenischstämmige türkische Journalist und Schriftsteller Etyen Mahcupyan sieht in dem Denkmal "nicht das Ergebnis eines Konsens". Vielmehr sei es von seinem Erbauer Mehmet Aksoy als "Denkmal der Menschlichkeit" benannt und ein "Symbol der Freundschaft" bezeichnet worden. Der Abriss dieses Denkmals werde die türkisch-armenischen Beziehungen nicht weiter beeinflussen: "Am Ende ist es nur ein Denkmal, nicht mehr und nicht weniger."
Der frühere Bürgermeister von Kars von der oppositionellen Republikanischen Volkspartei, Naif Alibeyoglu, verfolgt mit großer Trauer die Entwicklung um das Denkmal, das in seinem Auftrag entstanden war: "Nicht nur an Armenien, sondern an Europa und an die ganze Welt sollte die Botschaft entsendet werden, dass Kaukasien eine Insel des Friedens sein kann. Schade, dass die Menschlichkeit jetzt mit Füßen getreten wird."
Autoren: Sibel Yesilmen / Baha Güngör
Redaktion: Mirjana Dikic / Verica Spasovska