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Ein Feingeist

Jörg Vins15. April 2007

Kurz vor dem zweiten Jahrestag seiner Wahl feiern Tausende mit Papst Benedikt XVI. seinen 80. Geburtstag. Ein Porträt über einen Mann, dem in seiner Amtszeit besonders der Dialog der Religionen am Herzen liegt.

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Papst Benedikt XVI. (Foto: AP)
In seiner Ostermesse prangerte der Papst das Leid der Menschen in in Kriegsgebieten anBild: AP
"Ich bin nicht der Mensch, dem dauernd viele Witze einfallen. Aber das Lustige im Leben zu sehen und die fröhliche Seite daran, das ist mir sehr wichtig. Und das ist für mein Amt auch notwendig." Der Mann, der das sagt, hat 1989 in München den Karl-Valentins-Orden für seinen Humor bekommen. Heute, 18 Jahre später, ist er Papst und damit der achte deutsche in der 2000-jährigen Kirchengeschichte. Besonders dieses Deutsche sprach eigentlich gegen ihn. Ein deutscher Papst war nach dem Schrecken der Diktatur der Nationalsozialisten und sechs Millionen ermordeter Juden in den Köpfen vieler Beobachter der Kirche einfach unvorstellbar.

Doch schon einen Tag nachdem die 115 Kardinäle am 18. April 2005 ins Konklave eingezogen waren, quollen Rauchschwaden aus dem Kamin über der Sixtinischen Kapelle. Kardinal Jospeh Ratzinger nennt sich von nun an Benedikt XVI. nach dem Friedenspapst Benedikt XV., der 1914 bis 1922 regierte. Und nach dem Heiligen Benedikt, dem Mönchsvater der Benediktiner, einem Orden, der seine Heimat Bayern prägt. Die Welt, zumal die katholische, jubelt. In Deutschland ist das Echo eher durchwachsen. Ratzinger war hierzulande als konservativer Hardliner verschrien.

Konklave (Foto: AP)
Nach nur vier Wahlgängen hatten die Kardinäle den neuen Papst gewähltBild: AP

68er-Studentenproteste verstörten ihn zutiefst

Joseph Alois Ratzinger wurde am 16. April 1927 in ein bayerisches und damit ein typisch katholisches Elternhaus in Marktl am Inn hineingeboren. In seiner Kindheit war der Nationalsozialismus bereits spürbare Wirklichkeit. Schon in diesen Jahren erwachte in Joseph Ratzinger der Wunsch, Priester zu werden. Er wurde erst Flakhelfer, kam zum Reicharbeitsdienst nach Ungarn und geriet als Infanteriesoldat in amerikanische Kriegsgefangenschaft in Ulm.

Nach Priesterweihe und Promotion habilitierte er 1957 und lehrte Dogmatik und Fundamental-Theologie an unterschiedlichen deutschen Universitäten, bevor er vom damaligen Kölner Kardinal Frings zum Zweiten Vatikanischen Konzil mit nach Rom genommen wurde. Als Professor in Tübingen erlebte er die Studentenrevolte von 1968. Der Versuch der Studenten, den Muff von 1000 Jahren unter den Talaren wegzublasen, muss ihn zutiefst verstört haben. Er berichtete von Studenten, die mit Tomaten nach den Professoren warfen und in die Luft schossen und von Psychoterror, den befreundete Kollegen erleiden mussten.

Beim Weltjugendtag taute der zurückhaltende Papst auf

Papst Johannes Paul II. schüttelt Joseph Ratzinger die Hand (Foto: dpa)
Ein Vorbild für den Papst: sein Vorgänger Johannes Paul II.Bild: PA/dpa

An der Universität Regensburg schrieb Ratzinger wenig später seine "Einführung in das Christentum", die für jeden, der nach 1971 mit dem Theologie-Studium begann, ein Standardwerk wurde. Wenige Jahre später wurde er Erzbischof von München und Freising, Kardinal und 1982 Präfekt der Glaubenskongregation für die Reinhaltung der katholischen Lehre in Rom. Seit dem 19. April 2005 ist Joseph Ratzinger der erste deutsche Papst seit 482 Jahren. Verpflichtet fühlt er sich vor allem seinem Vorgänger, den er immer wieder voller Verehrung erwähnt und in dessen Sinne er sich verhalten will. Schon zwei Tage nach seiner Wahl galt eine erste Grußbotschaft dem Oberrabbiner der jüdischen Gemeinde von Rom. Ökumene-Chef im Vatikan, Kardinal Walter Kasper, sagte über Benedikt: "Die Ökumene, die Begegnung mit den Juden, der interreligiöse Dialog, das führt er sehr bewusst weiter."

Auch bei den Menschen kommt Papst Benedikt XVI. gut an. Beim Weltjugendtag in Köln war der scheue Joseph Ratzinger "glücklich, mitten unter jungen Menschen zu sein". Je länger der Weltjugendtag im August 2005 dauerte, desto mehr taute Benedikt XVI. auf. Ob auf dem Rhein-Dampfer, im Kölner Dom oder beim großen Gottesdienst auf dem Kölner Marienfeld, wo eine Million Jugendliche teilweise die ganze Nacht ausharrten.

Lesen Sie weiter, wie die Welt auf die Regensburger Rede des Papstes reagierte...

Papst Benedikt XVI. in Auschwitz (Foto: AP)
Als "Sohn des deutschen Volkes" habe er nach Auschwitz gehen müssenBild: AP

Die wohl bislang schwerste Aufgabe für Benedikt XVI. wartete auf ihn bei seiner Polenreise im Mai 2006. Bei einem Besuch im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau schritt er allein durch das Stammlager und begrüßte 32 Überlebende des Holocaust, die sichtlich bewegt waren. Keine Reden prägten diesen Aufenthalt, sondern stummes Gedenken. Erst im drei Kilometer entfernten Birkenau bat Benedikt um Vergebung und Versöhnung und mahnte, dass Gewalt keinen Frieden stifte, sondern nur wieder Gewalt hervorrufe.

In Regensburg passiert Benedikt eine Panne

Da ist also ein Feingeist auf dem Papstthron, ein Intellektueller, ein brillanter Theologe, ein liebenswerter, bescheidener Mensch. Einer, der seine bayerischen Wurzeln keineswegs verleugnet. So brach er im Herbst 2006 nach Bayern auf. Manche sagten: eine Abschiedsreise. Ein Höhepunkt sollte eine Vorlesung in seiner alten Universität in Regensburg werden. Er sprach noch einmal über sein Lieblingsthema: Glaube und Vernunft. Der Glaube müsse immer den Weg der Vernunft suchen und dürfe nicht mit Gewalt durchgesetzt werden. Und da passierte ihm eine Panne. Der Papst zitierte den byzantinischen Kaiser Manuel II., aber distanzierte sich nicht ausreichend vom Zitat: "Zeigt mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat, und da wirst du nur Schlechtes und Inhumanes finden, wie dies, das er vorgeschrieben hat, den Glauben den er predigte durch das Schwert zu verbreiten."

Demonstranten mit Bannern und Schildern (Foto: AP)
In Istanbul demonstrierten Tausende gegen den PapstbesuchBild: AP

Muslime in aller Welt protestierten gegen die Verunglimpfung des Propheten. Von Beleidigung und Gotteslästerung ist die Rede. Der Papst lies zunächst bedauern, bedauerte dann aber persönlich, sich nicht genug vom Zitat distanziert zu haben. Er wollte die Gefühle der Muslime nicht verletzen, sagte er. Der Papst hatte eine Lektion zu lernen, nämlich dass er wirklich nicht mehr nur Professor war, sondern Oberhaupt einer Weltkirche. Bei seinem Besuch in Istanbul flickte er das Porzellan wieder zusammen, das er mit seiner Regensburger Rede versehentlich zerschlagen hatte. Kurzfristig wurde ein Besuch der bedeutenden Blauen Moschee ins Programm mit aufgenommen. Und das Gespräch mit dem Leiter der türkischen Religionsbehörde Ali Bardakoglu, der zwei Monate zuvor noch höchst skeptisch war, ob er den Papst überhaupt willkommen heißen wollte, fand in guter Atmosphäre statt mit dem beiderseitigen Wunsch nach mehr Zusammenarbeit.

Wird Benedikt ein Papst der Reformen sein?

Nach der Regensburger Rede ereignete sich eine zweite Panne unter dem zweijährigen Pontifikat Benedikts XVI. Ausgerechnet in der Heimat seines Amtsvorgängers, in Polen, kam es am 7. Januar 2007 zum Eklat. Der vom Vatikan bereits ernannte Nachfolger von Kardinal Jozef Glemp, Erzbischof Stanislaw Wielgus, trat zu Beginn seines Einführungsgottesdienstes zurück. Es kam zu tumultartigen Szenen der entsetzten Gläubigen in der Kathedrale. Zwei Tage zuvor hatte Wielgus zugegeben, für den polnischen Geheimdienst gearbeitet zu haben.

Heute sieht es nicht danach aus, als ob von dem freundlich lächelnden Mann, der früher als Großinquisitor und Panzerkardinal verschrien war, Reformen zu erwarten sind. In Sachen Ökumene gilt sein Augenmerk mehr der Orthodoxie als dem Protestantismus. Der Stil ist zwar freundlicher geworden, in der Sache gilt das Papier "Dominus Iesus" aus dem Jahr 2000 weiter: Die reformatorischen Gemeinschaften sind keine Kirchen im katholischen Sinne. Obwohl es bis jetzt ein Pontifikat mit einigen Tiefpunkten war und Benedikt sagt, dass es ihm doch manchmal ein bisschen zu viel wäre, versuche er doch, die Freude daran zu finden.