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Politik

Ein Friedenspreis für baltische Staaten

14. Juli 2018

Im Rathaus von Münster wurde der Internationale Preis des Westfälischen Friedens vergeben. Ausgezeichnet wurden Estland, Lettland und Litauen - wegen ihres Bemühens um europäische Integration - sowie die Pfadfinder.

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Deutschland Das historische Rathaus von Münster
Die Preisverleihung findet im alten Rathaus von Münster stattBild: picture-alliance/dpa/G. Kirchner

Mit der Auszeichnung der baltischen Staaten ehrt die Jury in diesem Jahr deren besondere Bemühungen um Integration in Europa. "Aufgrund ihrer exponierten Lage als nördliche Außenposten der EU sind Estland, Lettland und Litauen heute nicht frei von einer möglichen Verwundbarkeit. Daher liegt es nahe, sie wegen ihrer besonderen Bemühungen um Integration in Europa zu würdigen und zu stärken", begründet Reinhard Zinkann die diesjährige Wahl. Er ist der Vorsitzende der Wirtschaftlichen Gesellschaft für Westfalen und Lippe e.V., die den Preis vergibt.

Jost Springensguth, Mitinitiator des Preises, ergänzt: Nach Reisen in die drei Länder habe man gesehen, "dass sie ein stabiler Faktor in Europa geworden sind, dass sie innerhalb von 20 Jahren ein derartig festes Bekenntnis zur Unabhängigkeit, zur Freiheit abgegeben haben und ihren Weg in die Demokratie gelebt haben, dass wir gesagt haben, das sind würdige Preisträger, das passt genau in die Zeit, und gerade aktuell in der Situation in Europa kann man kein besseres Zeichen setzen."

Die Staatsoberhäupter von Estland. Kersti Kaljulaid, Litauen, Dalia Grybauskaite und Lettland nahmen die Auszeichnung stellvertretend für ihre Länder entgegen. Prominenter Laudator bei der Preisvergabe in Münster war Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Angesichts der Fliehkräfte innerhalb der Europäischen Union seien die baltischen Staaten heute "ermutigende Beispiele europäischer Gesinnung", so Steinmeier.

Frank-Walter Steinmeier mit den Präsidenten von Litauen, Estland und Lettland
Frank-Walter Steinmeier mit den Präsidenten von Litauen, Estland und LettlandBild: picture-alliance/dpa/G. Kirchner

Der Zeitpunkt ist nicht zufällig. Vor hundert Jahren wurden Estland und Lettland als Staaten gegründet, und Litauen feiert in diesem Jahr die Wiederherstellung seiner Staatlichkeit vor 100 Jahren. Springensguth erinnert aber auch an die sogenannte "Baltische Kette", mit der Millionen Esten, Letten und Litauer 1989 gemeinsam die größte Menschenkette der Geschichte bildeten. Sie demonstrierten für Unabhängigkeit, Freiheit und ihren Weg in die Demokratie im europäischen Verbund.

"Musterländer" in mehrfacher Hinsicht

Estland, Lettland und Litauen waren nicht die einzigen Länder des ehemaligen Ostblocks, die 2004 der EU beigetreten sind. Doch ihre europäische Integration scheint radikaler und geradliniger. Alle drei haben zum Beispiel nach einem eisernen Sparkurs so gute Wirtschaftsdaten und auch den politischen Willen, dass sie - im Gegensatz zu anderen der jüngeren EU-Mitgliedern - den Euro eingeführt haben.

Ihre Digitalisierungsbemühungen sind Vorbilder auch für viele der alten EU-Staaten - auch für Deutschland. Und - im Unterschied zu Polen und Ungarn beispielsweise - gilt in den baltischen Staaten auch die Rechtsstaatlichkeit als vorbildlich. Jost Springensguth nennt sie "Musterländer" in puncto Demokratie, wirtschaftliche Entwicklung und Digitalisierung. Die jeweiligen EU-Ratspräsidentschaften seien ebenfalls "ein Beleg dafür, wie aktiv sie für Europa sind, wie sie Europa stabilisieren, und das noch in dieser exponierten Lage" an der Grenze zu Russland. 

Hier sehen die Preisverleiher das Problem: "Konfliktszenarien scheinen wieder im Bereich des Denkbaren zu liegen", wie es auf ihrer Webseite heißt. "Da die drei Länder mit einer Gesamtbevölkerung von 'nur' rund sechs Millionen Menschen in jedem Fall militärisch verwundbar wären, steht die dauerhafte Integration in EU und NATO im Fokus der gemeinsamen außenpolitischen Interessen." Jost Springensguth sieht "eine große Nachdenklichkeit" in den drei Ländern; man lege "großen Wert darauf, sich sehr intensiv in Europa zu integrieren, um nicht plötzlich wieder zum Spielball von Weltmächten zu werden".

Mit dem Jugendpreis wurden die Pfadfinder ausgezeichnet. Sie erhielten den Preis als eine der weltweit größten Jugendbewegungen. Die Laudatio für die Pfadfinder hielt Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet. Die Pfadfinder setzten sich unermüdlich für den Frieden ein. Sie hätten sich das Ziel gesetzt, Frieden auf der Welt zu schaffen, und sich auch durch Schwierigkeiten davon nicht abbringen zu lassen, so Laschet.

Preis erinnert an den Friedensschluss nach dem Dreißigjährigen Krieg

Der Internationale Preis des Westfälischen Friedens wird alle zwei Jahre verliehen und erinnert an den Friedensschluss in Münster und Osnabrück nach dem verheerenden Dreißigjährigen Krieg, der vor genau 400 Jahren ausbrach. 1998, als sich das Ende des Dreißigjährigen Krieges zum 350. Mal jährte, wurde der Preis erstmals verliehen. Der mit 100.000 Euro höchstdotierte deutsche Friedenspreis gilt Menschen, Gruppen und Staaten, die sich besonders für die europäische Integration engagiert haben.

Zu den bislang Ausgezeichneten gehören Václav Havel, Helmut Kohl, Valéry Giscard d'Estaing, Kofi Annan, Daniel Barenboim, Helmut Schmidt, die Besatzungen der Raumstation ISS und der jordanischen König Abdullah II. Zur Jury gehören unter anderem Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, Bundesbankpräsident Jens Weidmann und Georg Friedrich Prinz von Preußen, ein Ururenkel des letzten deutschen Kaisers.

Christoph Hasselbach
Christoph Hasselbach Autor, Auslandskorrespondent und Kommentator für internationale Politik