Ein Geisterspiel mit Folgen
12. März 2020Schlusspfiff. Endlich. Das erste Geisterspiel der Bundesliga-Historie endet mit einem knappen Sieg für Borussia Mönchengladbach. Ein kurzer Jubelschrei hallt durch den leeren Borussia-Park, leise Musik untermalt die wahrlich geisterhafte Stimmung und die Fußballprofis klatschen sich ab. Und dann? Nach kurzer Orientierungslosigkeit klettern die siegreichen Gladbacher auf die leere Nordtribüne. Sie wollen zu ihren Fans, die vor dem Stadion lautstark den 2:1-Derbysieg gegen den 1. FC Köln feierten. "Da bekommt man schon Gänsehau", sagte Gladbachs Mittelfeldspieler Christoph Kramer und witzelte: "Das hat sich angefühlt wie eine Meisterfeier."
Von Gänsehaut war die rund 90 Minuten vorher nichts zu spüren. Statt eines hochemotionalen Spiels, in dem sich beide Fanlager verbal auf den Tribünen und die Spieler auf dem Platz intensiv behakeln, waren lediglich Anweisungen der Trainer zu hören. "Es war ungewohnt irgendwie. Alle waren von außen etwas gereizter als sonst, weil du mehr hörst, was die gegnerische Bank und was die Schiedsrichter auch untereinander kommunizieren", sagte Kölns Trainer Markus Gisdol.
Aytekin: "Es ist wirklich etwas anderes"
Borussia Mönchengladbach verzichtete anlässlich der neuen, ungewohnten Situation fast auf das komplette Rahmenprogramm. Der Stadionsprecher verkündete schlicht die Mannschaftsaufstellungen und beim Einlauf der Teams wurde die übliche Einlaufmusik der Borussia gespielt. Leise, sehr leise. Bei den beiden Toren, erzielt und eingeleitet von Breel Embolo, ertönte das übliche Gladbacher "Döp, Döp, Döp" aus den Stadionlautsprechern. Einige der anwesenden Ordner sowie Vereins- und Präsidiumsmitglieder ließen sich zu einem kurzen Jubelschrei hinreißen.
Nach wenigen Sekunden herrschte dann aber wieder Ruhe. Gespenstische Ruhe eben. "Es ist wirklich etwas ganz anderes. Das hat nichts mit Fußball zu tun", sagte Schiedsrichter Deniz Aytekin. Für das "emotionale" Highlight des Derbys sorgte nach knapp einer Stunde der Stadionsprecher. Dieser verkündete mit einem leicht ironischen Unterton die Zuschauerzahl: "Heute gibt es keine", hallte es durch das Stadion. Leises Gelächter auf der Pressetribüne folgte.
Rose: "Ein sehr emotionaler Moment"
Zurück zur gefühlten "Meisterfeier" nach dem Schlusspfiff und der Frage nach dem Sinn von Geisterspielen, wenn sich vor dem Stadion hunderte Fans versammeln, um gemeinsam eng gedrängt ein Spiel zu verfolgen? Sind das nicht genau die Szenen, die vermieden werden sollen, um die Ausbreitung des Coronovirus einzudämmen. Statt Kritik am Auftritt von Borussias Anhängern gab es von den Verantwortlichen lediglich positives Feedback. "Die Nordkurve hochzugehen und zu wissen da sind die Fans, die draußen mitgelitten haben, die du auch teilweise gehört hast, während des Spiels", sagte Gladbachs Trainer Marco Rose und ergänzte: "Bei allem, was heute nicht schön war, war das heute ein sehr emotionaler Moment."
Damit scheint die Ouvertüre für die Diskussion der nächsten Tage gemacht. Alle Bundesliga-Spiele am Wochenende finden ohne Zuschauer statt, darunter auch das Revierderby Borussia Dortmund gegen Schalke 04. Das größte Duell im Ruhrgebiet ohne Fans? Im Stadion werden ungefähr 200 Medienschaffende anwesend sein, insgesamt sollen es nicht mehr als 400 Personen sein in der Dortmunder Arena sein. Das verkündete Borussia Dortmund am Donnerstag.
Was allerdings vor dem Stadion passieren wird, ist offen. Szenen wie in Mönchengladbach oder auch beim Champions-League-Spiel in Paris, wo rund 5000 Menschen ihre Mannschaft feierten, darf es am Wochenende nicht geben. Die Fans müssen jetzt zeigen, dass sie den Ernst der Lage verstanden haben und deswegen auf das verzichten, was ihnen am liebsten ist.
Absage der Liga vorerst kein Thema
Am Montag wollen die Klubs dann zusammen beraten, wie sie weiter mit den Folgen des Coronavirus umgehen wollen. Dann könnte etwa der danach folgende 27. Spieltag vorerst abgesagt und verlegt werden. Über ein vorzeitiges Saison-Ende mag zumindest Rose nicht nachdenken: "Ich finde, dass wir versuchen sollten, den Wettbewerb, den wir spielen, die Normalität, die wir haben, so lange durchzuziehen, auch wenn es nicht normal ist, dass man ohne Fans spielt."