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Ein großes Loch im Staatshaushalt

10. September 2020

Die Corona-Pandemie hat die deutsche Wirtschaft schwer getroffen. Das macht sich auch bei den Steuereinnahmen bemerkbar. Mit welchen Summen kann der Staat überhaupt noch rechnen? Aus Berlin Sabine Kinkartz.

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Symbolbild Geldscheine und Mundschutz Coronavirus
Bild: Imago Images/F. Sorge

Die gute Nachricht zuerst: Das Schlimmste hat die deutsche Wirtschaft in der Corona-Pandemie nach derzeitigem Stand offenbar hinter sich. "Deutschland hat sich wirtschaftlich stabilisiert und im Augenblick spricht vieles dafür, dass es wieder aufwärts geht", sagte Bundesfinanzminister Olaf Scholz, als er die Ergebnisse einer außerordentlichen Steuerschätzung in Berlin vorstellte. Der Kassensturz war nötig geworden, um die finanziellen Folgen der Pandemie für den Bundeshaushalt 2021 besser einkalkulieren zu können. Die waren bei der letzten Schätzung im Mai nicht absehbar.

Inzwischen sind alle etwas schlauer. "Der Wumms wirkt", so der SPD-Politiker und meint damit die milliardenschweren Hilfsprogramme, die der Staat in den vergangenen Monaten auf den Weg gebracht hat. Darunter Unterstützungszahlungen und Kreditlinien für die Wirtschaft, aber auch eine 20 Milliarden Euro teure temporäre Senkung der Mehrwertsteuer von 19 auf 16 Prozent.

Die Pandemie ist noch lange nicht zu Ende

Die schlechte Nachricht: Es geht weitaus langsamer wieder aufwärts, als gehofft. Auch weil die Weltwirtschaft wegen der hohen Infektionszahlen beispielsweise in den USA weiter am Boden liegt. Die stark exportorientierten deutschen Unternehmen kommen deshalb nur zögerlich auf die Beine. Aber auch hierzulande ist die neue Normalität nicht die alte. "Die Pandemie dauert an, das müssen wir im Auge behalten und wir sind weiter gezwungen, auch in das Wirtschaftsleben einzugreifen", erklärt Scholz. "Die Auswirkungen werden unser Land bis weit in das nächste Jahr beschäftigen."

Dazu gehört auch, dass der Staat mit weitaus weniger Steuereinnahmen auskommen muss, als vor der Pandemie absehbar war. 2019 nahmen Bund, Länder und Gemeinden zusammen noch mehr als 799 Milliarden Euro ein, in diesem Jahr sollen es nur noch knapp 718 Milliarden Euro sein. Dabei muss der Bund ein größeres Minus verkraften als Länder und Gemeinden. Durfte sich der Bundesfinanzminister im vergangenen Jahr noch über 329 Milliarden Euro Einnahmen freuen, so sollen es 2020 laut Steuerschätzung nur 275 Milliarden Euro sein. Das ist ein Minus von mehr als zehn Prozent. Für 2021 gehen die Steuerschätzer von 295 Milliarden Euro Einnahmen aus, im Jahr darauf sollen es knapp 314 Milliarden Euro sein.

Der Schuldenberg wird weiter wachsen

Scholz, der auch Vizekanzler ist, geht fest davon aus, dass der Bund auch 2021 wieder neue Kredite "in erheblicher Höhe" aufnehmen muss. Eine Entscheidung, die der Bund der Steuerzahler (BdSt) falsch findet. "Ein Schulden-Aktionismus ist schädlich und das falsche Rezept in der Krise!", warnt BdSt-Präsident Reiner Holznagel.

Deutschland Berlin | Pressekonferenz | Olaf Scholz zur Steuerschätzung
Finanzminister Olaf Scholz muss auch 2021 neue Kredite aufnehmenBild: Getty Images/AFP/O. Andersen

Sowohl die Prognose zur wirtschaftlichen Erholung als auch zur Entwicklung der Steuereinnahmen seien wegen der Corona-Krise von großer Unsicherheit geprägt und weniger verlässlich als in stabilen Zeiten, so Holznagel. "Deshalb fordern wir die Bundesregierung auf, im Zuge der bevorstehenden Haushaltsaufstellung für 2021 auf Sicht zu fahren und die grundgesetzliche Schuldenbremse voreilig nicht ein weiteres Mal auszusetzen."

In zwei Wochen muss der Haushaltsentwurf fertig sein

Laut Scholz hat sich die Koalition aus CDU, CSU und SPD aber bereits darauf verständigt, "noch einmal eine Ausnahme von der Schuldenregel" zu machen und den Bundestag um die entsprechende Genehmigung zu bitten. In diesem Jahr sind über Nachtragshaushalte bereits 218,5 Milliarden Euro neue Schulden eingeplant.

Wie hoch die Kreditsumme im kommenden Jahr ausfallen soll, liegt noch im Dunkeln. Allerdings soll der Haushaltsentwurf für 2021 bereits in zwei Wochen im Bundeskabinett verabschiedet und anschließend zur Beratung in den Bundestag gegeben werden. Auch dort wird es ganz sicher eine lebhafte Debatte darüber geben, wie es in den kommenden Jahren mit den Staatsfinanzen weitergehen soll.

Die Wachstumsdelle bleibt - für immer?

Der Bundesfinanzminister lässt jedenfalls keinen Zweifel daran, dass es angesichts der Steuerschätzung schwierig sein wird, schnell wieder in geordnete Haushalte zurückzukehren. "Auch wenn die Krise absehbar 2022 überwunden ist, werden es keine normalen Zeiten sein", so Scholz. "Die Wachstumsdelle wird sich im Steueraufkommen für immer niederschlagen und das hat dauerhafte Auswirkungen auf die Steuerentwicklung."

Übersetzt heißt das: Alle zukünftigen Ausgaben, die schon vor der Corona-Pandemie geplant wurden, müssen neu geprüft und möglicherweise gekürzt werden. Es sei denn - und dafür setzt sich der Bundesfinanzminister ein - der Staat würde die Steuern erhöhen. Olaf Scholz, der für die SPD als Kanzlerkandidat in die nächste Bundestagswahl ziehen will, macht keinen Hehl daraus, dass er höhere Einkommen gerne stärker belasten würde. "Es gibt einen Handlungsbedarf und ich bin überzeugt, dass ein faires Steuersystem einen Beitrag dazu leisten kann", formuliert er.

Eine Absicht, für die es Beifall allein von der Linken gibt. "Das Haushaltsloch muss mit einer Vermögensabgabe gestopft werden", fordert Gesine Lötzsch, haushaltspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag.

Die CDU will sparen

Gegenwind kommt hingegen aus den Unionsparteien, die statt höherer Einnahmen niedrigere Ausgaben anmahnen. "Wenn die Krise vorbei ist, müssen wir Ausgaben und Einnahmen schleunigst wieder in Einklang bringen", fordert der haushaltspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Eckhardt Rehberg. Er pocht zudem darauf, Länder und Kommunen über die in der Pandemie bereits zugesagten Hilfen hinaus nicht weiter unter die Arme zu greifen. "Der Anteil des Bundes am Steueraufkommen darf nicht weiter sinken, wenn der Bund seine eigenen Aufgaben solide finanzieren will."

Länder und Gemeinden dürfte das gar nicht gefallen. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Helmut Dedy, fordert bereits Finanzhilfen bis 2022. "Zwei Drittel der öffentlichen Bauinvestitionen in Deutschland kommen von uns." Wenn die Kommunen sparen müssten, komme der Aufschwung ins Schlingern, so Dedy. Deshalb müssten Bund und Länder konkrete Hilfszusagen für Investitionen auch für die Jahre 2021 und 2022 machen.