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Ein Medikament gegen das Vergessen

Hang-Shuen Lee / hf23. Juli 2015

Medikamente gegen Alzheimer zeigten bisher kaum Wirkung. Nun aber soll ein neuer Wirkstoff den Gedächtnisverlust bremsen, vielleicht sogar stoppen. Experten sprechen erstmals vorsichtig von Hoffnung und Durchbruch.

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Ein Klebezettel mit dem Schriftzug «Herd aus?» klebt an einem Herd neben den Drehknöpfen (Foto: picture alliance).
Bild: picture-alliance/dpa

Wir alle altern. Und mit dem Alter kommen die Krankheiten. Eine Alterserscheinung ist Alzheimer, die häufigste Form der Demenz, bei der spezielle Ablagerungen die Funktion des Gehirns beeinträchtigen. Eine schreckliche Erkrankung - unaufhaltsam schreitet der geistige Verfall voran, bis die Patienten irgendwann alles vergessen haben - sogar, wer ihre engsten Verwandten und Freunde sind.

Weltweit sind mehr als 35 Millionen Menschen an Alzheimer erkrankt und da wir immer älter werden, schätzen die Vereinten Nationen, dass die Zahl bis zum Jahr 2050 auf mehr als 150 Millionen Patienten ansteigen wird.

Bislang gibt es kein Mittel, das Alzheimer heilen könnte. Medikamente, die verschrieben werden, lindern nur die Symptome, sie halten jedoch nicht das Fortschreiten der Krankheit auf.

Jetzt aber haben gleich mehrere Pharmaunternehmen - Eli Lilly, Roche und Biogen - der Reihe nach bekannt gegeben, dass sie an einem neuen Medikament arbeiten, das die Krankheit aufhalten soll. Die jüngste Ankündigung dazu gab es am Mittwoch, den 22. Juli, auf der Internationalen Alzheimer-Konferenz in Washington. Alle Ansätze gehen in dieselbe Richtung.

Die neuen Mittel zielen auf die gefährlichen Eiweißablagerungen im Gehirn ab, die eine Hauptursache der Krankheit sind. Sie zerstören die Nervenzellen und je mehr von ihnen absterben, umso stärker schrumpft das Gehirn.

Gehirn (Foto: AP).
Antikörper sollen im Gehirn die amyloiden Plaques zerstörenBild: AP

Die neuen Wirkstoffe sollen diese Eiweiße (Amyloid-beta) zerstören. Es sind Antikörper, die das Immunsystem anregen sollen, die Anhäufung der gefährlichen Eiweiße zu stoppen und Ablagerungen sogar aufzulösen.

"Wenn die Patienten die Mittel früh genug und lange genug einnehmen, werden sie dabei helfen, den Gedächtnisverlust aufzuhalten", sagt Christian Haass vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) in München, im Gespräch mit der DW.

Amyloid wird im Gehirn jedes Menschen produziert. "Das ist der Grund, warum das Risiko so hoch ist, die Krankheit zu bekommen", sagt Haass und erklärt: "Normalerweise gibt es einen Clearing-Mechanismus in unserem Gehirn, der allen Müll - einschließlich Amyloid - entfernt." Doch mit dem Alter funktioniert er nicht mehr richtig.

Die neuen Wirkstoffe wertet Haass als Durchbruch: "Es ist das erste Mal, dass es wirklich Hoffnung gibt".

Unbekannte Nebenwirkungen

Der Molekularbiologe betont aber, dass es noch länger dauern wird, bis Medikamente auf den Markt kommen. "Wir wissen zum Beispiel noch nicht", so Haass, "ob die Mittel den Gedächtnisverlust langfristig aufhalten, oder ob sie andere Nebenwirkungen hervorrufen".

Außerdem würden die Mittel wahrscheinlich nicht bei Patienten wirken, bei denen die Krankheit schon weit fortgeschritten ist, schränkt Haass ein: "Für Patienten, die bereits an mittelschwerem bis schwerem Gedächtnisverlust leiden, ist es zu spät."

Je früher, desto besser

Dies ist auch einer der Gründe, weshalb alle Versuche in den letzten Jahren scheiterten. Es gab schon ähnliche Mittel zur Verhinderung der Amyloid-Produktion, aber sie funktionierten letztendlich nicht.

Was wir aus diesen gescheiterten Versuchen gelernt haben, sagt Demenzfachmann Haass, sei, dass die Krankheit bereits beginnt, bevor sich etwa 15 bis 20 Jahre später die ersten Symptome zeigen. "Je früher wir sie behandeln, umso besser ist das Ergebnis."