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Ein politisches Erdbeben

Gero Schließ, Washington5. November 2014

Nach den Kongresswahlen hat für Präsident Obama eine schwierige Zeit begonnen - vor allem mit Blick auf die Präsidentschaftswahlen 2016. Denn nun dominieren die Republikaner die US-Politik. Aus Washington: Gero Schließ

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Kongresswahlen in den USA: Enttäuschte Demokraten in Florida (Foto: Reuters)
Bild: Reuters/S. Audette

"Es ist ziemlich genau so gekommen, wie ich es erwartet habe", sagt einer der Taxifahrer, die im Morgengrauen die Gäste der Wahlparty der Demokraten in Virginia nach Hause fahren. Das ganze schrecke ihn nicht, fügt er hinzu. Der junge Afro-Amerikaner zählt zu jenen im Lande, die laut Umfragen ohnehin wenig Vertrauen in die Politiker haben, gleich welcher Partei. Sie nehmen den Erdrutschsieg der Republikaner mit Gleichgültigkeit auf.

Ganz anders reagieren die US-amerikanischen Medien und die Politikexperten in Washington auf das Ergebnis der Midterm-Wahlen, der Halbzeitwahlen in der Mitte der Amtszeit des Präsidenten. Am Tag nach dem Erfolg der Republikaner zeige sich deutlich, dass sich die politische Landschaft in den USA über Nacht dramatisch verändert hat. "Es ist ein politisches Erdbeben", fasst Michael Werz vom Center for American Progress die Einschätzung vieler politischer Beobachter in der US-amerikanischen Hauptstadt zusammen.

Überraschend schwere Niederlage

Auch William Drozdiak vom American Council on Germany spricht von einem "kraftvollen Sieg" für die Republikaner und verweist darauf, dass sie nicht nur den Senat erobert und ihre bestehende Mehrheit im Repräsentantenhaus ausbauen konnten, sondern auch wichtige Governeursposten wie in Florida, Michigan oder Wisconsin besetzen. Die neue republikanische Dominanz verschlechtere nicht zuletzt auch die Ausgangslage der Demokraten bei den nächsten Präsidentschaftswahlen im Jahre 2016. Für Hillary Clinton könnte es "noch enger" werden als gedacht, analysiert Drozdiak.

Kongresswahlen in den USA (Enttäuschte Demokraten) (Foto: Reuters)
Entsetzen bei Demokraten, wie hier in Florida...Bild: Reuters/S. Audette

Dass Präsident Obamas Demokraten bei den Midterm-Wahlen einen schweren Stand haben würden, hatte sich schon seit Wochen abgezeichnet. Dass es aber so schlimm kommen würde, hat Drozdiak und Werz gleichermaßen überrascht: "Die Niederlage ist mit Sicherheit deutlicher ausgefallen, als das viele erwartet und auf demokratischer Seite gehofft hatten", sagt Michael Werz.

Anti-Obama-Wahl

Allerdings müsse man berücksichtigen, dass dies bei Zwischenwahlen, zumal in der zweiten Amtszeit eines Präsidenten, nichts Ungewöhnliches sei, schwächt Werz ab. Drozdiak spricht dagegen klar von einer Anti-Obama-Wahl. "Obama ist an allem Schuld!", sei die schlichte Botschaft der Republikaner gewesen. Es sei ihnen gelungen, diese Message bei den Wählern wach zu halten und damit von der Untätigkeit des Kongresses abzulenken. Die "New York Times" deutet Präsident Obamas historisch niedrige Zustimmungsraten bei landesweiten Umfragen und die deutliche Niederlage seiner Partei sogar als generelle "Ablehnung" des Präsidenten und seiner Politik.

Die "Washington Post" analysiert, dass eine Woge des Ärgers und des Frustes die Republikaner zu ihrem Sieg getragen habe. "Der Ärger über den Stillstand in Washington hat sich gegen einen Präsidenten gewendet, der ins Amt gekommen ist, um genau das zu überwinden." Michael Werz betont, dass die Republikaner mit ihrer Strategie erfolgreich gewesen seien, "die Bevölkerung über die Situation in Syrien, über den Ebolavirus und die Grenzsituation zu Mexiko in Angst und Schrecken zu versetzen".

Kongresswahlen in den USA (Jubelnde Republikaner) (Foto: Reuters)
... und Jubel bei Republikanern, wie hier in Kansas.Bild: Reuters/M. Kauzlarich

Konfrontation oder Kooperation?

Die Republikaner selber sprechen von einem historischen Wahlsieg und nehmen ihn als Aufforderung, noch mehr als bisher die Richtung der US-amerikanischen Politik zu bestimmen. "Die Wähler sind hungrig nach Führung", sagte Senator Mitch McConnell, der kommende republikanische Mehrheitsführer im Senat. Damit scheint für Drozdiak die Konfrontation mit Präsident Obama vorprogrammiert: "Es spricht viel dafür, dass es in den nächsten zwei Jahren noch mehr Stagnation und Paralyse in Washington geben wird." Werz verweist auf die exekutiven Befugnisse des Präsidenten, mit denen er im Klimaschutz, aber auch in der Außenpolitik ohne den Kongress regieren könne. Außerdem erinnert er daran, dass die Republikaner schon in der Vergangenheit auch als Minderheitenfraktion von ihrer Sperrminorität im Senat Gebrauch gemacht hätten: "Das hat zu einer Polarisierung und einer Blockadepolitik geführt, die Washington noch nicht gesehen hat."

Dies sei aller Voraussicht nach auch die zukünftige Agenda der Republikaner, sagt William Drozdiak und verweist auf Senator Ted Cruz aus Texas, der bereits zum erneuten Kampf gegen Präsident Obamas Gesundheitsreform Obamacare aufgerufen habe. Zudem könnten die Republikaner die Regierung "finanziell aushungern", um eine Verkleinerung der Administration zu erzwingen. Selbst eine Schließung der Regierungsinstitutionen wie im vergangenen Jahr hält Drozdiak für nicht ausgeschlossen. Die Verhandlungen über die Anhebung des Schuldenlimits, die für die Republikaner ein geeigneter Hebel hierfür wären, stehen bevor.

Stabile Außenpolitik

Wer genau hinschaut, der kann aber auch versöhnliche Signale auf beiden Seiten ausmachen. Präsident Obama lud die Wahlsieger bereits für Freitag zu einem Gespräch ins Weiße Haus. Zuvor hatte Senats-Mehrheitsführer in spe McConnell erklärt, er sei zur Zusammenarbeit bereit. In der Einwanderungspolitik oder in der Wirtschaftspolitik könnte das funktionieren. Inwieweit die republikanischen Hardliner wie Senator Ted Cruz und die bei den Halbzeitwahlen wiedererstarkte Tea Party McConnell dafür Spielraum lassen, vermögen Beobachter kaum vorherzusagen. Es bleibe auch künftig schwer, mit "zweieinhalb Parteien" im Kongress Politik zu machen, bemerkt Michael Werz süffisant mit Blick auf die eigenständige Rolle der erzkonservativen Tea Party Bewegung innerhalb der Republikanischen Partei.

Deutschland: Umweltaktivisten gegen TTIP mit "Chlorhühnchen" (Foto: Reuters)
Auch künftig Thema: "Chlorhühnchen"-Protest gegen das TTIP-AbkommenBild: Reuters/M. Rehle

Drozdiak und Werz sehen hingegen gute Chancen für TTIP. Das gegenwärtig verhandelte Abkommen über einen gemeinsamen transatlantischen Wirtschaftsraum habe auch bei Republikanern mächtige Fürsprecher. Zudem werde die amerikanische Außen- und Sicherheitspolitik weiter verlässlich bleiben, meint Drozdiak: "In der Außenpolitik hat der Präsident viel Macht." Obama werde sich diesem Feld zuwenden und sich künftig mehr darauf konzentrieren. Möglicherweise lassen ihm die internationalen Krisen auch keine andere Wahl.