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Ein Riese wird zum Riesenflop

Andreas Spaeth27. April 2015

Zehn Jahre nach dem Erstflug des Airbus A380 ist das größte Verkehrsflugzeug der Welt zumindest wirtschaftlich ein Flop. Es gibt aber Fluglinien-Chefs, die immer noch begeistert sind von diesem Flugzeug.

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Airbus A380 bei Erstflug über Toulouse
Bild: picture-alliance/dpa/dpaweb

Rund 50.000 begeisterte Menschen säumen am Morgen des 27. April 2005 die Zäune des Flughafens von Toulouse-Blagnac im Südwesten Frankreichs. Sie alle wollen dabei sein, als vermeintlich die Zukunft der zivilen Passagierluftfahrt beginnt. Um 10.29 Uhr Ortszeit erhebt sich der Prototyp des größten Passagierflugzeugs, das jemals geflogen ist, trotz seiner 421 Tonnen Startgewicht scheinbar mühelos in den sonnigen Frühlingshimmel.

Die Zaungäste sind begeistert von den kaum hörbaren Triebwerken des Riesen, der für bis zu 853 Passagiere zugelassen ist. Nach drei Stunden und 54 Minuten landet der Koloss wieder und der Jubel unter den Airbus-Mitarbeitern kennt keine Grenzen. Die A380, so damals die allgemeine Erwartung, würde die Passagierfliegerei revolutionieren, vor allem könne die A380 für Entlastung und bessere Nutzung der kostbaren Landezeiten ("Slots") sorgen.

Auf bis zu 1.500 Flugzeuge wird damals der Bedarf an Riesenfliegern bis zum Jahr 2025 geschätzt. Einziger Mitbewerber ist bis heute Boeing mit dem aufgefrischten 747-8-Jumbo. Feierliche Weltpremiere im Linienverkehr feierte die A380 im Einsatz für den Erstkunden Singapore Airlines am 25. Oktober 2007. "Die Zukunft ist heute in Sydney gelandet", jubelte die Lokalzeitung Sydney Morning Herald nach der Landung des Erstflugs in Australien.

20 Milliarden Entwicklungskosten

Doch heute, zehn Jahre nach dem feierlichen Start in eine vermeintlich neue Ära, ist klar, dass die A380 in ihrer herkömmlichen Form jedenfalls wirtschaftlich ein Flop ist. Noch ist nicht absehbar, ob Airbus jemals die rund 20 Milliarden Euro Entwicklungskosten wieder einspielen kann. Das erscheint unwahrscheinlich, nach aktuell gerade mal 318 verkauften und rund 160 ausgelieferten Exemplaren des doppelstöckigen Giganten.

Mehr als 20 der derzeitig in den Orderbüchern stehenden Aufträge stammen von unsicheren Kantonisten, Airlines wie der russischen Transaero, der chinesischen Hong Kong Airlines oder der britischen Virgin Atlantic, die offen über Stornierungen ihrer A380-Aufträge nachdenken oder staatlicherseits bereits dazu gezwungen wurden wie in Hongkong.

Solche kommerziellen Rückschläge kamen häufiger vor in der A380-Geschichte, gerade bei A380-Kunden in strategisch extrem wichtigen Märkten: Die indische Kingfisher Airlines ging pleite, die japanische Skymark, ein Billigflieger, stornierte kurz vor Auslieferung und wird derzeit von Airbus verklagt. Auch renommierte A380-Betreiber wie Lufthansa und Air France reduzierten ihre Bestellungen zuletzt.

Starker Gegenwind

Produktionsprobleme, eine nach der A380-Einführung extrem ungünstig verlaufende Weltwirtschaft mit globaler Finanzkrise und sich verändernde Trends im Passagierverkehr sorgten dafür, dass die A380 starken Gegenwind bekam und nie in die Profitzone abhob. Heute wollen Fluggäste lieber mit kleineren und zudem wirtschaftlicheren, zweistrahligen Jets wie der Boeing 787 und dem Airbus A350 auch von mittelgroßen Städten Langstreckenziele nonstop erreichen, als mit Riesenflugzeugen zwischen Mega-Flughäfen unterwegs zu sein und bis zum Ziel erneut umzusteigen.

Dabei lieben die Passagiere den innen und außen superleisen Riesen, 85 Millionen Menschen hat die A380 bisher befördert, sie bietet zumindest in den Luxusklassen tatsächlich Revolutionäres: Zwei Duschen in der First Class bei Emirates, wo es genau wie bei Qatar Airways und Etihad auch eine eigene Bar-Lounge gibt. Oder einen eigenen Duty Free Shop wie bei Korean Air.

Etihad aus Abu Dhabi hat kürzlich mit der Einführung von "The Residence" erneut alle bisherigen Maßstäbe gesprengt, an Bord ihrer A380 finden zwei Passagiere in einer Art Privatwohnung Platz, mit Butler, Schlafzimmer und Dusche. Aber auch Passagiere im hinteren Teil der Kabine sind bis heute oft ganz vernarrt in die A380: "Etwa die Hälfte der Economy-Passagiere macht immer noch Fotos, bevor sie ein- oder aussteigen", sagt Sir Tim Clark, Emirates-Chef und größter A380-Kunde. "Die Boeing 747 hatte auch so eine Phase mit Wow-Faktor in den 1970er Jahren, aber bei der A380 scheint das viel länger anzuhalten", so Clark.

Emirates Airline Tim Clark
Großer Fan des A 380: Emirates-Chef Tim ClarkBild: dapd

Umbauen oder einstellen?

Der Emirates-Chef ist der größte Fürsprecher der A380 und mit 140 Bestellungen und 60 ausgelieferten Flugzeugen bisher auch der mit Abstand größte Betreiber. Entsprechend schockiert war er, als der Airbus-Finanzvorstand im Dezember 2014 offen über ein Ende des A380-Programms nachdachte. Stattdessen stellt Emirates, für deren Geschäftsmodell die A380 wie maßgeschneidert erscheint, Forderungen. Denen will sich aber Airbus bisher nicht beugen, obwohl die Araber weitere Mega-Orders von 100 verbesserten A380 in Aussicht stellen. Schon lange drängt Clark auf eine in der A380-Planung stets vorgesehene, gestreckte Version A380-900, die dann auch in luxuriöser Ausstattung über 650 Passagiere transportieren könnte. Heute befördert die A380 je nach Ausstattung zwischen 407 (Korean Air) und 519 Passagiere (Emirates).

Vor allem aber drängt Tim Clark den Hersteller, der A380 neuere, modernere Triebwerke zu verpassen, nachdem heute vier Motoren ohnehin als wenig effizient gelten. "Damit könnten wir bis zu 13 Prozent günstigere Betriebskosten erreichen", hofft Clark. Airbus-Chef Fabrice Brégier dagegen bremst, sieht zunächst nicht ausreichend Nachfrage, die es rechtfertigen würde, geschätzte weitere drei Milliarden Euro in eine verbesserte Version des Riesen zu investieren, dessen heutige Technologie überwiegend aus den späten 1990er Jahren stammt.

Rund 250 Bestellungen bräuchte Airbus, damit sich eine Überarbeitung des Programms rechnete. Überhaupt führt Fabrice Brégier den Misserfolg der A380 auch auf Fehleinschätzungen bei Airbus zurück. "Das Flugzeug wurde wahrscheinlich zehn Jahre zu früh eingeführt", versuchte er jüngst eine eher matte Erklärung. Sir Tim Clark hingegen gibt sich optimistisch, deutet an, dass es bereits im Herbst Neuigkeiten geben könnte. Und rührt unermüdlich die Werbetrommel: "Ich versuche jeden davon zu überzeugen, auch meine Wettbewerber, dass die A380 ein großartiges Flugzeug ist", gibt sich der Emirates-Chef überzeugt.