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Ein Schlaglicht auf private Militärfirmen

Alexander Drechsel7. Juni 2015

Mit dem Blackwater-Skandal 2007 waren die privaten Militärdienstleister in aller Munde. Doch die Debatte ist seitdem verstummt. Das wollen deutsche Friedensforscher ändern, denn die Unternehmen sind aktiver als je zuvor.

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Faisabad, Afghanistan, Bundeswehr-Lager (Foto: dpa/picture alliance)
Bild: picture-alliance/dpa

Der Krieg mit Drohnen, die europäische Außen- und Sicherheitspolitik oder der Umbruch in der arabischen Welt - jedes Jahr greifen fünf deutsche Friedens- und Konfliktforschungsinstitute die zentralen Diskussionen der Sicherheitspolitik auf und bewerten sie im sogenannten Friedensgutachten. Die Forscher beleuchten in dem Jahrbuch aber auch Themen, die trotz ihrer Brisanz kaum öffentlichen Widerhall haben. 2015 wird unter anderem den privaten Militärdienstleistern ein solches Kapitel gewidmet.

Es ist still geworden um diese Unternehmen. Vielleicht, weil es seit einiger Zeit keine großen Skandale mehr gegeben hat. Skandale wie um die US-amerikanische Firma Blackwater, deren Mitarbeiter 2007 im Irak mehrfach wild um sich geschossen und dabei auch Zivilisten getötet hatten. Manche Kritiker warfen den Unternehmen damals vor, moderne Söldner zu sein. Einzig wegen des Geldes zögen sie in den Kampf und hielten sich dabei nicht an Recht und Gesetz.

Geschäftsfeld ständig erweitert

Mittlerweile sind die Unternehmen vorsichtiger geworden und treten nicht mehr in Rambo-Manier auf. Aber sie sind aktiver als zuvor. "Zu den wesentlichen Dienstleistungen dieser Firmen gehören Objekt- und Personenschutz, natürlich in erster Linie in Krisengebieten, dann Informationsgewinnung durch Befragungen, Spionage der klassischen Art, aber auch Luftaufklärung, sofern sie die entsprechenden Geräte haben. Vor allem aber, das ist ganz wichtig, bieten sie Ausbildung und Training von privatem und staatlichem Personal", erklärt der Berliner Politologe Florian Flörsheimer.

Eine kontinuierliche Ausweitung der Geschäftsfelder der privaten Militärdienstleister macht auch Elke Krahmann aus, eine Autorin des Friedensgutachtens. Die Professorin der Brunel University London arbeitet zur Zeit als Gast bei der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung. In den neunziger Jahren, sagt sie, hätten die Unternehmen beispielsweise der Bundeswehr hauptsächlich Logistik im Inland verkauft. Mit den deutschen Auslandseinsätzen sei dann auch die Wartung von militärischem Gerät im Ausland dazugekommen. Das Geschäftsmodell habe sich mit der Afghanistan-Mission erneut erweitert. Dort habe es bewaffnete Wachen privater Firmen gegeben, die beispielsweise deutsches Militärgelände geschützt hätten.

Elke Krahmann, Politik-Professorin (Foto: privat)
Elke Krahmann: Privatfirmen nicht preiswerterBild: privat

Unwägbare Kosten

Verglichen mit Militärapparaten in anderen Ländern waren die deutschen Streitkräfte relativ zurückhaltend mit der Auftragsvergabe an Militärdienstleister. Aber egal, ob Bundeswehr oder US-Armee - alle hofften, mit dem Outsourcing Kosten sparen zu können. "Aber das lässt sich nicht unbedingt belegen. Gerade in internationalen Interventionen haben Firmen mangelnde Kontrolle ausgenutzt, um Kosten hochzutreiben. Es wurden oftmals mehr Dienstleistungen abgerechnet, als erbracht wurden", resümiert Krahmann. "Wenn man das gegeneinander aufrechnet, würde ich nicht sagen, dass das im internationalen Einsatz kosteneffizient ist."

Vor allem die US-Streitkräfte haben die Erfahrung gemacht, dass private Militärdienstleister bei Abrechnungen betrogen haben. In Deutschland hat sich aber auch ohne spektakuläre Betrugsfälle die Hoffnung auf Kostenersparnis nicht immer erfüllt. So werden Firmen, die die Bundeswehr einst selber gegründet hatte, um effizienter zu arbeiten, jetzt aufgelöst und deren Dienstleistungen zurück in die Streitkräfte verlegt.

Und dennoch wächst weltweit die Bedeutung jener Firmen, die ihr Geld in Bereichen verdienen, die ehemals dem Militär vorbehalten waren. Davon ist nicht nur Krahmann überzeugt. Auch die Friedensforscherin Andrea Schneiker von der Universität Siegen sagt: "Fest steht schon, dass diese Firmen heute ein integraler Bestandteil von internationalen militärischen Einsätzen sind und dass das staatliche Militär in vielen Fällen auf diese Firmen zurückgreift."

Irak: Mitarbeiter der Firma Blackwater (Foto: AP)
Mitarbeiter der Firma Blackwater waren berüchtigtBild: AP

Privatisiertes Gewaltmonopol

Sowohl Krahmann als auch Schneiker sehen die Entwicklung mit Sorge, denn im Kern geht es für beide darum, wie das staatliche Gewaltmonopol zu definieren sei. Schneiker fragt deshalb: "Welche Aufgaben soll unser Staat übernehmen und welche nicht? Welche können wir privatisieren? Das würde meines Erachtens eine breite gesellschaftliche Debatte erfordern, die ich aber so nicht erkennen kann."

Bis in die neunziger Jahre hinein sei es Konsens gewesen, dass der Staat bestimmte hoheitliche Funktionen habe und diese auch ausüben müsse, sagt Krahmann. Das habe vor allem für militärische Gewalt gegolten - insbesondere bei Auslandseinsätzen. "Heutzutage wird argumentiert, dass der Staat zwar die Verantwortung für diese Einsätze hat, sie aber nicht selbst ausführen muss." Demzufolge kann der Staat Aufgaben an Dienstleister übertragen, muss aber sicherstellen, dass er trotzdem die Kontrolle darüber behält, wie sie umgesetzt werden.

Auch Union und SPD hatten den privaten Militärdienstleistern und der Diskussion um das staatliche Gewaltmonopol so viel Gewicht beigemessen, dass sie es in ihrem Koalitionsvertrag 2013 festhielten. "Militärische Aufgaben dürfen nicht auf private Unternehmen übertragen werden", heißt es dort. Doch seitdem die große Koalition regiert, hat sich der Bundestag nicht mehr mit dem Thema befasst. Vielleicht kann das Friedensgutachten diese Debatte nun anschieben.