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Ein Sieg für das "Wir-Gefühl"

Thomas Klein aus Dortmund
20. November 2016

Große Spiele erzeugen große Emotionen - das war bei Borussia Dortmund immer so. Bei der Partie gegen den FC Bayern München lassen Fans und Spieler eine besondere Atmosphäre entstehen.

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Fußball Bundesliga Borussia Dortmund gegen Bayern München
Bild: picture alliance/dpa/B. Thissen

Stehende Ovationen, lautstarke Unterstützung und eine emotionale Choreographie - das Publikum in Dortmund präsentiert sich beim Spiel gegen Bayern München in Bestform. Jeder Zweikampf wird bejubelt, jeder Ballgewinn mit Applaus honoriert. Mindestens genauso motiviert und engagiert präsentieren sich auch die Spieler auf dem Rasen. Mario Götze zeigt sein wohl bestes Spiel in diesem Jahr und Adrian Ramos überzeugt mit Pierre-Emerick Aubameyang in der Spitze - die Stimmung von den Rängen überträgt sich auf das Spielfeld und umgekehrt. "Das war außergewöhnlich, so etwas haben wir lange nicht erlebt", freut sich Jan-Henrik Gruszecki nach dem 1:0-Erfolg gegen Bayern München. "Spieler und Fans - heute hat alles super zusammen gepasst." Gruszecki ist Fußball-Fan seit er denken kann - sein Herz gehört Borussia Dortmund. Er kennt sich aus, besitzt eine Dauerkarte und ist Stammgast auf der Südtribüne.

"Gegen die Bayern noch motivierter"

An diesem Tag ist das Stadion ausverkauft, wie eigentlich immer. Die Stimmung auf den Rängen ist - dem Gegner angepasst - erstklassig. "Die Duelle gegen Bayern sind besondere Spiele", sagt Gruszecki. "Gegen die Bayern sind alle noch ein bisschen motivierter, auch wir auf der Tribüne. Man geht gegen Bayern München einfach anders ins Stadion." Mit den ehemaligen Schalkern Rafinha und Torwart Manuel Neuer stehen zwei typische Feindbilder des Dortmunder Publikums im Kader des Rekordmeisters. Dazu gesellt sich Franck Ribery, der die Stimmung bei den vergangenen Partien mit unfairen Aktionen immer wieder gegen sich aufgebracht hatte. "Bayern hat genügend Spieler, die wir nicht so gut finden, die hier in Dortmund nicht beliebt sind. Rafinha, Neuer oder auch Ribery haben das Potential die Südtribüne richtig wach zu rütteln", sagt Gruszecki und behält Recht.

"Heavy-Metal" unter Jürgen Klopp

Dass das Stimmungsbarometer wie beim Spiel gegen den Rekordmeister oft in den roten Bereich ausschlug, war in dieser Saison aber nicht immer so. Beim Derby gegen Schalke 04, beim Champions-League-Heimspiel gegen Sporting Lissabon oder auch beim DFB-Pokal-Duell gegen Union Berlin war es deutlich ruhiger im rund 80.000-Fans fassenden Fußballstadion. Und das hat seine Gründe: "Das Besondere ist eben nicht das Alltägliche", sagt Gruszecki. "In der ganzen Historie von Borussia Dortmund hatten wir nicht so eine enge Beziehung zur Mannschaft, wie in den Jahren unter Jürgen Klopp. Es ist nicht mehr so besonders wie damals, aber es ist auch heute noch völlig in Ordnung" und "in Ordnung" sei in Westfalen schon ein großes Wort, lacht der BVB-Fan.

Unter Jürgen Klopp war jeder Tag "ein besonderer Tag." Gruszecki und seine Kollegen denken daher oft mit Wehmut an den "Heavy-Metal-Fußball" zurück, den der Ex-Trainer während seiner siebenjährigen Amtszeit geprägt hatte. Mit dieser überfallartigen, teilweise wilden, aber immer begeisternden und emotionalen Art das Spielgerät im gegnerischen Tor unterzubringen, hatte Klopp eine Ära in Dortmund geprägt. "Es ist schon so, dass das eine lautere Umgebung erzeugt hat als der Fußball, den Thomas Tuchel spielen lässt. Deswegen ist man vielleicht etwas zurückhaltender und konsumiert mehr das Spiel", vermutet Gruszecki. Überfallartige Angriffe lassen sich eben leichter bejubeln als geduldiges Ballbesitzspiel.

Die Emotionen kommen zurück

Großbritannien Jürgen Klopp
Früher motivierte und trainierte Jürgen Klopp Borussia Dortmund, heute ist er beim FC Liverpool aktivBild: Imago/BPI

"Es hat sich gegenseitig befruchtet. Das war der Wahnsinn, was da im Umfeld von Borussia Dortmund ablief. Und das ist eben jetzt die Benchmark, da wollen wir auch irgendwann wieder hin", sagt er und fordert Zeit für das neue Team. Der 31-Jährige ist sich sicher, dass auch wieder emotionalere Momente kommen werden, denn der aktuelle Kader habe großes Potential. "Was Michael Zorc nach Dortmund geholt hat ist unfassbar und beweist, dass er zu den besten Managern im europäischen Spitzenfussball gehört."

Besondere Siege im Westfalenstadion

Tuchel zählt zu den besten seines Fachs und hat mit diesem Kader sicher das Potential einen Titel zu holen. Trotzdem ist er anders als sein Vorgänger, er ist kein oder ein deutlich weniger emotionaler Mensch, zumindest von außen betrachtet. Er analysiert, stellt Matchpläne auf und versucht den Gegner möglichst präzise und mit allen Hilfsmitteln auseinander zu nehmen. Er ist - wenn man so will - der Gegenentwurf zu Klopp, der mit seiner Emotionalität auch oft über Grenzen gegangen ist. Im von Gefühlen und Emotionen geprägten Umfeld von Borussia Dortmund, hat der neue Trainer (noch) einen schweren Stand.

"Dortmund war immer ein emotionaler Verein. Es ist gerade schwer den Funken überspringen zu lassen", gibt auch Gruszecki zu. Doch dass es auch anders geht, hat der Sieg gegen die Bayern eindrucksvoll gezeigt. Denn das war so ein lange vermisster besonderer Moment, der sicher nicht nur Gruszecki beeindruckt hat. "Heute haben die Spieler gemerkt, dass solche Siege im Westfalenstadion noch etwas besonderer sind. Wir hoffen, dass es auch in Zukunft so weitergeht."