Wie aus Smog Tinte wird
5. Oktober 2018Manchmal ist die Luft in Delhi so dreckig, dass man kaum die Hand vor Augen sieht. Nicht von ungefähr, denn die Luftqualität in der indischen Megacity gehört zu den schlechtesten der Welt.
Alltag für Arpit Dhupar. Der 25-jährige ist in Delhi aufgewachsen. Für ihn gehörten Atemwegserkrankungen deshalb seit Kindertagen dazu. Jetzt kämpft der Maschinenbauingenieur gegen den Dreck in der Luft. Seine Idee setzt bei der Ursache für den Dreck an: die immer präsenten Dieselgeneratoren in der Stadt.
Immer wenn in der 17-Millionen-Metropole der Strom ausfällt, werden sie angeworfen. Und das kommt oft vor.
"Das Problem ist, dass Dieselgeneratoren viel Rauch von unverbranntem Diesel oder Ruß ausstoßen. Und das ist sehr schädlich für die Gesundheit der Menschen", sagt Dhupar der DW. "Der Rauch besteht aus sehr sehr feinen Partikeln, die nicht von der Nase oder der Lunge gefiltert werden können. Sie gelangen direkt in den Blutkreislauf."
Wie aus Ruß Tinte wird
Filteranlagen sind an sich nichts Neues. Allerdings fangen sie nur den Ruß ein. Dhupar und seine Mitgründer bei Chakr Innovation verarbeiten ihn weiter.
"Die Idee kam mir durch die vielen Händler, die in Indien Zuckerrohrsaft verkaufen. Die verwenden kleine Dieselmotoren, um ihre Pressen zu betreiben", erklärt Dhupar.
Eines Tages sei ihm aufgefallen, dass sich die Wand hinter einem der Auspuffrohre schwarz färbte. "Ich fragte mich, ob man daraus nicht etwas machen könnte, also den Dreck einfangen und damit Wände anstreichen."
Mit seiner Idee begann er Unterstützer zu suchen. Er ging zuerst zu seinen Uni-Professoren. Die sahen darin allerdings keine Zukunft. Wenn das ginge, sagen sie, dann hätte es schon jemand gemacht.
"Aber es gibt da so ein Sprichwort", sagt Dhupar. "Der Narr wusste nicht, dass es unmöglich war, also hat er es trotzdem gemacht." Und er und seine damaligen Kommilitonen hätten nichts zu verlieren gehabt. Also hätten sie es einfach versucht.
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Sie gründeten das Start-up Chakr Innovations. Nach einigen Fehlschlägen gelang es ihnen schließlich ein Gerät zu entwickeln, das den Ruß aus Dieselabgasen in einer Flüssigkeit auffängt. "Diese Motoren reagieren sehr sensibel auf Widerstand im Strom der Abgase. Das nennt man Gegendruck. Uns ist es gelungen, mit geringem Gegendruck sehr viel Ruß aufzufangen. Das hatte vor uns noch niemand geschafft."
Dass der Ruß in einer Flüssigkeit gebunden wird, hat große Vorteile. Einerseits können die mikroskopisch kleinen Partikel so nicht mehr aufgewirbelt und verteilt werden, andererseits ist es von hier nur noch ein kleiner Schritt zu Tinte oder Wandfarbe. Sobald die Schadstoffe aus der rußigen Lösung entfernt worden sind, müssen Kunden nur noch sagen, was für eine Art Farbe sie brauchen.
"Alles, was dann noch fehlt, ist die richtige Menge und die richtige Art Bindemittel", so Dhupar. Dann könne man alles bedrucken, von T-Shirts und Kaffeetassen bis hin zu Grußkarten oder Produktverpackungen.
"Unser größter Kunde für Tinte ist Dell", sagt der Start-up-Gründer. "Die benutzen sie, um die Kartons für ihre Laptops zu bedrucken."
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Aber genauso wenig, wie das bedrucken von Kartons das Kerngeschäft von Dell ist, war es das Ziel von Chakr Innovation, der Marktführer für Tinte zu werden.
"Das Problem auf der Welt ist nicht, dass wir zu wenig Tinte haben, das Problem ist, dass wir zu viel Luftverschmutzung haben", so Dhupar. Deshalb arbeite sein Unternehmen an der Entwicklung von Filtersystemen, die verhindern, dass Schadstoffe in die Atmosphäre kommen.
Auch wenn Chakr Innovation erst 50 seiner Geräte verkauft hat, das Start-up kooperiert bereits mit einigen großen Unternehmen, darunter IndianOil und Bosch. Auch Preise hat Chakr schon gewonnen, darunter kürzlich den UNEP Young Champions of the Earth Award.
Nächste Stufe: Schornsteine auf Schiffen
Während sich der Kundenstamm also vergrößert, haben die Start-up-Gründer schon ein neues Ziel vor Augen: die Emissionen von großen Schiffen.
Denn Kreuzfahrtschiffe und große Containerschiffe gehören zu den größten Luftverpestern der Welt. Sie verbrennen oft viel schmutzigere Kraftstoffe als Autos und Generatoren und stoßen dabei Schwefeloxide (SOx) aus.
"Wir haben unsere Technologie weiterentwickelt, sodass sie auch bei Schiffsmotoren arbeiten kann. Damit könnten wir die SOx-Emissionen um 90 Prozent reduzieren", sagt Dhupar. Jetzt suche man nach Partnern in der Schifffahrt, um die Technologie unter realen Bedingungen zu testen.
"Existierende Filteranlagen funktionieren, indem Wasser in eine Kammer im Abgassystem gesprüht wird, um die Schwefeloxide aus der Luft zu entfernen. Das nennt man Nasswäsche", erklärt er. "Was wir bauen, würde viel weniger Energie benötigen und wäre dadurch viel billiger."