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Ein wunderbares Überleben

Ingrid Arnold28. Oktober 2002

"Der Pianist" startete in den deutschen Kinos. Basierend auf der Autobiografie des polnischen Komponisten Wladyslaw Szpilman, ist er der bislang persönlichste Film von Regisseur Roman Polanski.

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Adrien Brody ist "Der Pianist"Bild: tobisstudiocanal

Am 23. September 1939 spielt der gefeierte jüdische Chopin-Interpret Wladyslaw Szpilman im polnischen Rundfunk in Warschau - zum letzten Mal: Kurz danach wird das Funkhaus zerstört. Mit dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Polen ist die jüdische Bevölkerung den drakonischen Maßnahmen der Nazis ausgeliefert. Dem Warschauer Ghetto kann Szpilman nur durch Zufall und dank der Hilfe des polnischen Untergrunds entkommen; seine gesamte Familie wird deportiert und ermordet. Szpilman geistert allein durch die entvölkerte Ruinenstadt. Dann entdeckt ihn ein deutscher Offizier - und rettet dem Pianisten wider Erwarten das Leben.

Szpilmans Erinnerungen an das Warschau der Jahre 1939 bis 1945, "Mein wunderbares Überleben", wurden nach der Veröffentlichung 1998 zum internationalen Bestseller. Nun hat Roman Polanski die unglaubliche, aber wahre Überlebensgeschichte Szpilmans, der 2000 im Alter von 88 Jahren starb, verfilmt.

Objektivität und Differenziertheit

Überzeugt hat Polanski vor allem die Authentizität der Memoiren, die Szpilman gleich nach Kriegende geschrieben hat. "Die Beschreibung besticht durch eine erstaunliche, manchmal fast kaltblütige, wissenschaftliche Objektivität und Differenziertheit. In seinem Buch kommen gute Polen vor und böse, genauso wie es gute und böse Juden gibt, und gute und böse Deutsche", so der Regisseur.

Wüsste man es nicht besser, könnte man denken, dass "Der Pianist" eine fiktive Vorlage hat, so allgemeingültig scheint seine Auseinandersetzung mit der Shoa. Der Film erzählt eine auf den ersten Blick nicht unbekannte Entwicklung - Repressionen, Ghetto, Deportationen, Versteck, Rettung. Polanski verzichtet auf Schockeffekte, lässt die Geschichte fast stoisch ihren bedrückenden Verlauf nehmen - und spart doch nicht mit Momenten der Hoffnung. Das Grauen, dem Szpilman ausgesetzt war, spiegelt sich oft nur im verzweifelten Blick des beeindruckenden Hauptdarstellers Adrian Brody. Bei den diesjährigen Filmfestspielen in Cannes wurde das umjubelte Werk mit der Goldenen Palme ausgezeichnet.

Beispiel für Zivilcourage

An Originalschauplätzen in Warschau und in Potsdam-Babelsberg gedreht, ist "Der Pianist" eine internationale Koproduktion, auch mit deutscher Beteiligung. So wird die Rolle des Offiziers Wilm Hosenfeld von Thomas Kretschmann gespielt: Der unerwartete Retter hat Szpilman in seinem Versteck mit Nahrung versorgt und so die eigene Sicherheit riskiert - ein Beispiel von Zivilcourage, die vielen im Krieg abhanden gekommen war. Die Neuauflage der Autobiografie Szpilmans enthält als Anhang Auszüge aus den Tagebuchaufzeichnungen Hosenfelds, die er 1944 mit der Wehrmachtspost an seine Familie geschickt hatte - und die unkontrolliert und unzensiert ankamen.

Polanskis Rückkehr nach Polen

"Der Pianist" bedeutete für Regisseur Roman Polanski auch eine Rückkehr nach Polen - und damit zu den Anfängen seiner internationalen Karriere: Nach Abschluss der Filmhochschule in Lodz arbeitete Polanski zunächst in Polen, dann in England, Frankreich und den USA - wo er seine wohl bekanntesten Filme, "Rosemaries Baby" und "Chinatown", realisierte. Der heute 69-Jährige hat als Kind selbst das Ghetto von Krakau überlebt. "Ich war mir immer sicher, dass ich eines Tages einen Film drehen würde, der sich mit der dunkelsten Phase der polnischen Geschichte auseinandersetzt, aber ich wollte nicht, dass es ein autobiografischer Film wird." Mit Hilfe von "Der Pianist" ist Polanski nun doch eine spürbar persönliche Auseinandersetzung mit seinen Kindheitserinnerungen gelungen.