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Ein Zug voller Nazi-Gold? Polen im Schatzfieber

Stefan Dege16. August 2016

Ein Goldzug der Nazis soll sich in einem vergessenen Stollen zwischen Waldenburg und Breslau verbergen. Erste Grabungen haben schon begonnen. Brechen dort goldene Zeiten für den Tourismus an?

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Blick in einen Tunnel bei Waldenburg. Foto: picture-alliance/dpa/ A.Burgi
Bild: picture-alliance/dpa/A.Burgi

Sensationsfund oder die totale Pleite? Die Welt schaut nach Wałbrzych (Waldenburg) - und ganz Polen fiebert mit. Spekulationen über einen angeblichen Schatz an Bord eines Militärzugs der Nazis - die Rede ist von bis zu 300 Tonnen Gold - schießen seit Jahren ins Kraut. Nun wollen die Hobbyhistoriker Piotr Koper und Andreas Richter den Zug mit einem Bodenradar geortet haben.

Innerhalb einer Woche hoffen sie, "Ergebnisse zu erzielen", wie ihr Sprecher Andrzej Gaik laut Nachrichtenagentur dpa mitteilte. Es werde an drei Stellen und in bis zu sechs Metern Tiefe gegraben. Zwei Bagger sind am Werk. Das Suchgebiet in einem Waldstück wurde für die Allgemeinheit abgesperrt – aus Sicherheitsgründen. Ein Kamerateam filmt die Arbeiten.

In der niederschlesischen Region Waldenburg planten die Nazis eine gigantische unterirdische Anlage. Angeblich wollte Hitlers Rüstungsminister Albert Speer das dortige Schloss Fürstenstein zum neuen Führerhauptquartier ausbauen. Doch die mit Hilfe von Zwangsarbeitern errichtete Anlage wurde nicht mehr fertig, als "Projekt Riese" ging sie in die Geschichte ein.

Die Suche nach angeblichem Goldzug hat begonnen - Andreas Richter. Foto: epa/Wojtek Kaminski
Die Suche nach dem angeblichen Goldzug hat begonnenBild: picture-alliance/dpa/EPA/W. Kaminski

Bis heute durchzieht ein kilometerweites Netzwerk von Tunneln das Gebiet. Viele sind noch unerforscht. In einem der Tunnel vermuten Koper und Richter den sagenhaften Goldzug. Die Nazis sollen ihn Ende des Zweiten Weltkriegs von Wroclaw, dem damaligen Breslau, Richtung Südwesten auf die Strecke geschickt haben. Irgendwo bei Waldenburg, dem heutigen Walbrych, sei er verschwunden, erzählen Gerüchte.

Schatzsuche bringe viele Touristen

Foto und Landkarte von Waldenburg. Foto: picture alliance/dpa/A. Burgi
Landkarte und Fotos vom Tunnelzugang im ehemals deutschen WaldenburgBild: picture alliance/dpa/A. Burgi

Die Hoffnung, ihn irgendwann zu finden, lockt Schatztouristen aus aller Welt an. Tausende strömen in das ehemals niederschlesische Städchen, seit der Termin für die Grabungen immer näher rückte. "Marketingmäßig ist dieser Goldzug super", sagt Magdalena Korziewonky, Sprecherin des Polnischen Fremdenverbandes in Berlin, "auch wenn es ihn am Ende gar nicht gibt." Von einem Schatz sei zwar nichts zu sehen, dennoch schossen die Besucherzahlen in die Höhe. "Dabei ist das eigentlich keine touristische Gegend – da gibt es nur viel Wald und viel Grün." Wer hinfahren wolle, nehme am besten das Auto. Unterkünfte zu finden, sei "überhaupt kein Problem."

Um für die "Schätze von Wałbrzych" zu werben, haben sich Touristiker jetzt auch eine "Goldtour" ausgedacht. "An drei Tagen im Herbst können Interessierte die Geheimnisse der Region unter und über Tage erkunden", heißt es im Prospekt. Zum Programm gehört der Besuch unterirdischer Stollen ebenso wie eine Visite im Schloss Fürstenstein, einem der prunkvollsten Paläste Polens. Aber auch Relikte des Steinkohlebergbaus, der die Wirtschaft der Gegend jahrhundertelange prägte, will man den Gästen vorführen.

Schatzsuche mit Augenzwinkern

Walbrzych, das seit der Westverschiebung der Grenze nach dem Krieg eine polnische Bevölkerung hat, verfügt noch über andere vorzeigenswerte Attraktionen. Da wäre das Geburtshaus der Schriftsteller-Brüder Gerhart und Carl Hauptmann. Da gibt es das Szaniawski-Theater und das Puppentheater "Lalki i Aktora". Hier spielt die Sudeten-Philharmonie auf. Ein Kreismuseum rückt regionale Handwerkstraditionen ins rechte Licht. Gleich drei Kunstgalerien stillen den lokalen Kunsthunger. Kein Zweifel: Wałbrzych ist das kulturelle Zentrum der mittleren Sudeten.

Porträt des polnischen Hobby-Historikers Piotr Koper. Foto: picture-alliance/dpa/E.Krafczyk
Der polnische Hobby-Historikers Piotr KopeBild: picture-alliance/dpa/E.Krafczyk

Schon einmal hat sich ein internationales Publikum dem westpolnischen Walbrzych zugewandt - dank des Filmemachers Andrzej Jakimowski: Humorvoll inszenierte er die Suche eines kleinen Jungen nach seinem Vater auf dem Bahnhof einer niederschlesischen Kleinstadt. Drehort war Walbrzych. Der Film, der 2009 bei den Filmfestspielen von Venedig lief, steckt voll heiterer Sympathie. Sein Titel "Kleine Tricks". Ob es den Goldzug nun gibt oder nicht – die Walbrzycher/Waldenburger nehmen die Schatzsuche mit einem Augenzwinkern.