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"Eine Art Bürgerkrieg"

Daniel Heinrich24. Juli 2015

Der Schlagabtausch zwischen dem "Islamischen Staat" und der Türkei hat viel mit der Schwäche der türkischen Regierung zu tun, meint Türkei-Expertin Gülay Kizilocak im Gespräch mit DW.

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Kampfflugzeug Foto: picture-alliance/AA/Veli Gurgah
Bild: picture-alliance/AA/Veli Gurgah

DW: Frau Kizilocak, die türkische Luftwaffe fliegt Angriffe auf IS-Stellungen in Syrien, eskaliert da gerade die Situation?

Kizilocak: Das ist eine hochbrisante Situation gerade nach den Parlamentswahlen vom Juni. Die Regierung ist immer noch mit der Bildung einer möglichen Koalition beschäftigt, und die Gesellschaft ist in zwei Lager geteilt, in ein prokurdisches und ein antikurdisches Lager. Hinzu kommt die konstante Bedrohung durch die IS-Terroristen. Man kann also fast davon sprechen, dass im Südosten der Türkei eine Art Bürgerkrieg herrscht.

Sie haben die Wahlen gerade schon angesprochen, wie hoch schätzen Sie deren Bedeutung auf die jetzigen Ereignisse ein?

Für mich ist klar, dass es in dieser unsicheren Situation viele Provokateure gibt, die versuchen, die Lage auszunutzen, weil die Regierung gerade nur geschäftsführend im Amt ist. Die AKP hat deutliche Verluste hinnehmen müssen, und es gibt bis heute, nach über zwei Monaten, keinerlei vernünftige Schritte in Richtung einer Regierungsbildung. Jede Partei, die jetzt in Frage kommen könnte, blockiert eine mögliche Koalitionsregierung, und diese Unsicherheit versuchen eben viele auszunutzen.

Sie führen die Ereignisse, die jetzt stattfinden, darauf zurück, dass die Regierung im Moment schwach ist?

Auf jeden Fall. Hinzu kommt, dass die türkische Regierung die Handlungen des IS bisher toleriert hat. Das hat man auch im vergangenen Jahr gesehen, als es in Kobane direkt an der türkischen Grenze Angriffe gab. Und jetzt, da die Regierung schwach ist, eskaliert die Situation nur noch mehr.

Wahlgewinner war ja die kurdische HDP, wie sehen Sie denn deren Rolle in der momentanen Situation?

Die HDP hat jetzt die schwierigste Rolle denke ich, weil die HDP durch diese ganzen politischen Entwicklungen der letzten Jahre entstanden ist. Die HDP ist nicht mehr nur Sprachrohr der Kurden im Südosten, sondern auch ein Sammelbecken für intellektuelle Linke gegen die regierende konservativ-islamische AKP. Viele der HDP-Wähler waren Leihstimmen. Und diese Wähler wollen jetzt sehen, ob sich die HDP tatsächlich wandelt, gerade vor dem Hintergrund der jetzigen Angriffe im Südosten.

Gülay Kizilocak (Foto: privat)
Gülay Kizilocak: "Es gibt viele Provokateure"Bild: privat

Lassen Sie uns auf die außenpolitische Ebene gehen. Sehen Sie bei dem Verhalten der türkischen Regierung und jetzt auch im Zusammenspiel mit den Amerikanern ein neues Level der türkisch-amerikanischen Beziehungen?

Ich meine, dass die türkisch-amerikanischen Beziehungen immer auf einem guten Level gewesen sind. In letzter Zeit hat es zwar den einen oder anderen Dissens gegeben, aber es hat nie eine ernsthafte Distanz zwischen der Türkei und den USA gegeben. Deswegen ist es auch keine "neue" Allianz. Aber es ist schon wichtig, mit den USA einen starken Verbündeten an seiner Seite zu haben, der im Kampf gegen den IS hinter einem steht.

Gülay Kizilocak arbeitet beim Zentrum für Türkei-Studien in Essen.

Das Gespräch führte Daniel Heinrich.