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Jochen Kürten
11. November 2004

In "Der neunte Tag" erzählt Volker Schlöndorff aus dem Leben eines in Dachau internierten Pfarrers. Unerwartet erhält er neun Tage Urlaub vom KZ. In dieser Zeit muss er sich für oder gegen das NS-Regime entscheiden.

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Schlagabtausch auf Leben und TodBild: Presse

Neun Tage Abwesenheit vom Konzentrationslager (KZ) hat die SS dem luxemburgischen Abbé Henri Kremer gewährt. Neun Tage, um den Schikanen gegen katholische Geistliche in Dachau zu entfliehen.

Volker Schlöndorff beginnt seinen Film mit Szenen aus dem Lager. Er filmt den dortigen Alltag ganz aus der Perspektive Kremers in entsättigten Farben und mit einer mobilen Handkamera. Man hat als Filmemacher nicht viele Möglichkeiten, um für die unfassbaren Schrecken des KZ passende Bilder zu finden - und Schlöndorff geht auf
Nummer sicher.

Der Pfarrer und der SS-Mann

Volker Schlöndorffs Film: Der neunte Tag
Zwei unterschiedliche MännerBild: Presse

"Der Neunte Tag" ist ein solide inszenierter Film um ein packendes Duell zweier grundsätzlich unterschiedlicher Männer. Denn richtig interessant wird der Film erst, als der staunende Abbé kurz nach seiner Ankunft in Luxemburg erfährt, wem er seine kurze Freilassung zu verdanken hat: dem jungen Karrieristen Gebhardt. Der Gestapo-Mann ist kultiviert, höflich, gastfreundlich. Er lässt durchblicken, dass er nicht alle Brutalitäten in den Lagern gut heißt, und präsentiert sich zunächst als ein durchaus zweifelnder Mann des Nazi-Regimes. Vertraulich verrät er Kremer, dass er selber fast Priester geworden wäre.

Der neunte Tag: Bibiana Beglau Verhaftung
Kremers Schwester (Bibiana Beglau) wird bedrohtBild: Presse

Gebhardt gibt dem Mann Gottes jedoch eindeutig zu verstehen, was er wirklich von ihm will. Kremer soll den luxemburgischen Bischof dazu bewegen, wie andere führende Geistliche mit den Nazis zu kollaborieren. Wenn ihm das nicht gelingt, muss er zurück nach Dachau, und sollte er fliehen, würden die Insassen des Priesterblocks erschossen und Kremers Familie verfolgt.

Schauspielerische Höchstleistung

August Diehl als Gebhardt und Ulrich Matthes als Kremer sind ideal besetzt. Dabei hat Matthes die schwierigere Rolle des moralisch integren Priesters, der zwar zaudern darf, aber nie wirklich in Gefahr gerät, sich verführen zu lassen. Diehl spielt den ambivalenteren Charakter, darf charmant, verführerisch, gönnerhaft und eiskalt sein. Spannung entsteht in diesem Zusammenspiel durchaus - vor allem, wenn Gebhardt in den teilweise sehr pointierten Dialogen
versucht, mit Kremer über religiöse Fragen zu philosophieren und sich als Verteidiger von Judas stilisiert.

Für ihn war Judas kein Verräter, sondern ein Gläubiger mit einer ganz besonderen Vision. Immer wieder versucht Gebhardt, den Abbé dazu zu bewegen, sich zum Judas zu machen, um seine Kirche, seine Glaubensbrüder und seine Familie zu retten. So stellt der Film eine Kernfrage: Bis zu welchem Maße darf man sich in Notsituationen die
Hände schmutzig machen, um zu überleben?

Das Ende ist leider ein wenig zu vorhersehbar und konventionell. Dennoch ist "Der neunte Tag" als ein psychologisches Kammerspiel und als ein Werk, das die Frage nach dem Glauben stellt, sehenswert. (fro)

Der neunte Tag (Deutschland 2004). Regie: Volker Schlöndorff. Buch: Eberhard Görner, Andreas Pflüger. Mit: Ulrich Matthes, August Diehl, Bibiana Beglau, Germain Wagner, Jean-Paul Raths. 97 Minuten. FSK: 12