Eine Frage des Zugangs - Schulbildung in Namibia
15. März 2006Samba wohnt an dem "Ort, an dem wir nicht bleiben wollen" - Katatura heißt dieser Ort in der Herero-Sprache und er ist das größte Elendsviertel von Namibias Hauptstadt Windhuk. Samba ist 10 und hat noch nie eine Schule besucht. Sie hat kein Geld für Schulgebühren und lebt auf der Strasse. Sie ist schon froh, wenn sie ein Wellblechdach findet, das sie vor Hitze oder Regen schützt.
Starthilfe
Unter dem Dach von Jutta Rohwers Kindertagesstätte ist immer Platz für das Straßenkind. Die Deutsche lebt seit fast vierzig Jahren in Namibia und will Frauen und Kindern in Katatura helfen. "Die meisten Frauen haben keinen Job", erzählt Rohwer. "Sie bringen die Kinder hierher in die Tagesstätten, um Arbeit zu suchen." Viele Mütter sterben an AIDS und lassen ihre Kinder als Waisen zurück. Jutta Rohwer singt mit ihnen: "Bruder Jacob" auf Englisch, Afrikaans, Damara und auf Otchi-Herero. Oder sie baut ihnen eine Schaukel und kleine Spielecken. Für Samba hat Rohwer sogar einen Sponsor gefunden, der die Schulgebühren übernimmt.
Bildung in der Ferne
Heißer Wüstenwind streift die Gesichter der Grundschulkinder in Mangeti, einem kleinen Ort im Nordosten von Namibia. Sandkörner fliegen in ihren Mund, während sie der jungen Lehrerin Valcherry nachsprechen: "This is my dog. He eats a bone". Die Jungen und Mädchen verstehen nicht, was sie da sagen, "sie wiederholen einfach nur", sagt Valcherry. "Morgens wenn ich reinkomme, sagen sie "Good morning, Miss" und setzen sich wieder hin. Das ist ihr ganzes Englisch." Die Schüler von Valcherry gehören zum Nomadenvolk der San - Buschmänner wurden sie abschätzig von den deutschen und holländischen Kolonialherren genannt. Sie ziehen durch das Land jenseits der Zivilisation. Schulen gibt es dort nicht. Die Regierung in Windhuk ist auf Finanzhilfe von Außen angewiesen, um die Bildung bis in die Weiten Namibias zu tragen. Es müssten noch mehr Schulen gebaut werden und noch immer fehlen Grundschulbücher in den Sprachen der Minderheiten wie der San.
Jagen und Sammeln zu Hause
Vielen Dünen entfernt, hocken die Bewohner des Dorfes Dhokoe unter einem alten Baum und reden. Auch sie gehören zum Volk der San. Die Frauen machen nebenbei Ketten aus Straußeneierschalen, die Männer schnitzen kleine Holzstückchen für Armbänder und Halsketten. Ihre Kinder spielen zwischen den Lehmhütten. Die Eltern schicken sie nicht zur Schule in die mehrere Stunden Fußmarsch entfernte Stadt Tsumkwe, sagt ein Vater. "Weil die Leute dort trinken, ist es nicht sicher für unsere Kinder." Ein anderer Vater denkt laut darüber nach, dass es besser sei, dem Nachwuchs wieder das Jagen und Sammeln beizubringen: "das wird wohl das Einzige sein, was ihnen übrig bleibt", sagt er.
Brücke zwischen beiden Leben
Das Stillsitzen und Pünktlich sein, das die Lehrer in der Schule fordern, ist für die San-Kinder ein Kulturschock. Sie müssen mehr lernen als Lesen und Schreiben, sagt der Leiter der Grundschule von Mangeti, Rudolph Ugelwi. Sie müssten nämlich auch lernen, "wie sie sich benehmen müssen, im Speisesaal, im Wohnheim, im Klassenzimmer und in der Gesellschaft." Manche Schüler kommen aus ganz abgelegenen Gebieten. "Da müssen wir bei Null anfangen", sagt Ugelwi. Die Vorurteile gegen die San sind noch immer groß in Namibia. Die wenigsten können sich vorstellen, was es bedeutet, das Familienleben in der Steppe gegen eine harte Schulbank und eine fremde Sprache einzutauschen.
Yvonne Pickering kann sich das vorstellen. Sie arbeitet für eine Hilfsorganisation für die Ureinwohner im südlichen Afrika und schickt San-Kinder gezielt auf Schulen und Universitäten von Namibia. Dort sollen sie Anführer der Gesellschaft und Vorbilder für andere San werden. Geld ist nur eine Form der Unterstützung. Wichtiger sei vor allem der moralische Rückhalt, sagt Yvonne Pickering. Damit die Schule für die San nicht zu einem Ort wird, "an dem wir nicht bleiben wollen."