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El Corte Inglés ist längst ein globales Kaufhaus

Stefanie Claudia Müller Madrid
8. Juli 2019

Europas gröβtes Warenhaus, El Corte Inglés aus Spanien, wurde von der Krise 2008 hart getroffen. Jetzt will es zusammen mit Alibaba Amazon angreifen. Ein Vorbild für Deutschlands Warenhauskonzern?

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Marta Álvarez, Präsidentin El Corte Inglés
Marta Álvarez, Präsidentin des El Corte InglésBild: El Corte Inglés

Für die Lateinamerikaner ist der grüne Schriftzug El Corte Inglés (der englische Schnitt) was für die Engländer Harrods ist: eine Institution. Dabei gibt es das Kaufhaus eigentlich nur in Portugal und Spanien, der Rest des Verkaufs erfolgt online. Die Markenware, darunter auch viele eigene Labels wird inzwischen in die ganze Welt geschickt, nach Hause oder in andere Partner-Kaufhäuser. Zu dem gehören inzwischen nicht nur eine Delikattessen-Abteilung, Modeketten, Beautysalons, Restaurants und eigene Modemarken, deren Produkte inzwischen unter anderem auch bei Galeria Karstadt Kaufhof im Regal stehen, sondern auch Reisebüros, Buchhandlungen, Finanzdienstleister. Wenn Mexikaner nach Madrid, Barcelona, Sevilla oder Malaga reisen, steht der Besuch des gröβten europäischen Kaufhauses meist genauso auf der Agenda wie die Sagrada Familia, der Prado oder die Stierkampf-Arena in Sevilla. "Wer bei uns Eindruck machen will, der bringt bei einem Abendessen sein Geschenk in einer Plastiktüte von El Corte Inglés mit", erzählt der Mexikaner Luis Castro.

El Corte Inglés schafft durch Musik, Gerüche und viele freundlich lächelnde Mitarbeiter so etwas wie ein Gefühl von Zuhause. Auch wenn der Einkauf etwas teurer ist als anderswo, gibt es hier doch eine Qualitäts- und umfassende Umtauschgarantie.  

Infografik Gewinnentwicklung El Corte Inglés DE

Was machen deutsche Kaufhäuser falsch?

Warum hat El Corte Inglés die Krise 2008 überlebt und krebst Galeria Karstadt Kaufhof dagegen rum? Für den deutschen Investor Matthias Meindel, der zwischen beiden Ländern pendelt, ist es klar: "El Corte Inglés steht für  'de luxe' und das ist genau das, woran es deutschen Kaufhäusern fehlt." Die 97 Warenhäuser in Portugal und Spanien werden jährlich von 700 Millionen Kunden besucht, davon immer mehr Touristen wie Meindel. Nicht nur Deutsche, die Asiaten, auch die reichen Araber lieben El Corte Inglés, wo mit Marken, Platz und Reichtum relgelrecht geprotzt wird. Während in vielen anderen europäischen Ländern das Warenhaus ausgedient hat, haben die Spanier rechtzeitig erkannt, dass ihr Hauptkonkurrent Amazon ist und die physische Expansion keinen Sinn mehr macht. Statt zuzukaufen, wird derzeit eher abgestossen.

Die 55jährige Marta Álvarez (s. Artikelbild) wurde gerade als erste Frau an der Spitze des Einzelhandelskonzern gewählt. Die Adoptiv-Tochter des Gründer-Neffens Isidoro Álvarez muss sich in den kommenden Monaten nicht nur gegen den Familienclan durchsetzen, der immer noch die Mehrheit an der Gruppe hält, sondern vor allem die Kosten reduzieren. El Corte Inglés ist zwar das umsatzstarkste Kaufhaus Europas, aber es hat sich in der Vergangenheit mit seinen zahlreichen Zukäufen und Neugründungen verzettelt. Ab 2008 ging es bei rückgehendem Umsatz und rund 100.000 Angestellten nur noch abwärts. Jetzt steht die auf einem Marktwert von vier Milliarden Euro geschätzte Gruppe jedoch trotz aller internen Zwiste wieder in Hinblick auf die Gesamtbranche gut da. Eine gerade abgeschlossene weitreichende kommerzielle und technische Partnerschaft mit der chinesischen Online-Plattform Alibaba soll den Spaniern Asien erschliessen, wo sie bereits einen guten Ruf geniessen.

Es kommen schwere Zeiten auf die erste Chairwoman zu

Zwar konnte der Nettogewinn im gerade abgelaufenen Geschäftsjahr 2018/2019 um 28 Prozent auf 258,2 Millionen Euro gesteigert werden, allerdings sind die Margen bei einem Umsatz von 15,8 Milliarden wesentlich geringer als das Kaufhaus von Vorkrisenzeiten gewohnt war. Über die schweren Zeiten hat dem Warenhaus geholfen, dass es inzwischen zu einem der gröβten Konsumfinanzierer wurde, an der Hand der auch in Deutschland starken Banco Santander.  An der Finanz-Tochter von El Corte Inglés halten sie inzwischen 51 Prozent. Die grüne Kundenkarte des Warenhauses hat den Wert einer Kreditkarte und gilt inzwischen auch als Bonitätsbeweis. El Corte Inglés hat auch einen Kooperationsvertrag mit AliPay abgeschlossen, damit Chinesen auch in Spanien bequem bei El Corte Inglés per Handy in ihrer Währung shoppen können.

Warenhaus Madrid Callao
Restaurant im Warenhaus Madrid Callao mit Gourmet-Produkten des El Corte InglesBild: El Corte Inglés

Dass eine Frau das Sagen hat bei dem immer noch durch und durch konservativen Warenhaus, dürfte jedoch noch für Aufruhr sorgen in der Familie. Der kinderlose Isidoro Álvarez leitete das Imperium seit nach dem Tod seines ebenfalls kinderlos gebliebenen Onkels und Gründers 1989, Ramón Areces. Er hat El Corte Inglés ein Jahr nach Ende des spanische Bürgerkrieges 1940 gegründet. Vorbild war dabei das 1834 gegründete Harrods, dessen Schriftzug auch grün ist: "Mich hat immer die englische Eleganz fasziniert", gestand Areces, der vor genau 30 Jahren verstarb. Nicht nur für Unternehmer wie Amancio Ortega, den Gründer von Inditex, ist El Corte Inglés ein groβes Vorbild gewesen. Inzwischen orientiert sich Marta Álvarez jedoch umgekehrt an der Rentabilität der wesentlich später gegründeten spanischen Modekette, die 2018 weltweit 26 Milliarden umsetzen und dabei einen Gewinn von 3,44 Milliarden Euro einfahren konnte.

Geld wird vor allem online gemacht

Davon kann El Corte Inglés nur träumen. Als Álvarez 2014 verstarb, stand das Kaufhaus vor der schwersten Krise seiner Geschichte. Es gab nur einen Ausweg: das Handy, das die Spanier inzwischen hauptsächlich zum Einkaufen und bezahlen benutzen. El Corte Inglés brachte deswegen Click & Express auf den Weg - ein Sofort-Bestelldienst, der in zwei Stunden nach Hause liefert. Das schafft noch nicht einmal Amazon. Diese Schnelligkeit erreicht das Kaufhaus, weil die Einkaufszentren - dazu gehörten auch Supermarkt- und Modeketten - immer mehr als Lager funktionieren. Aber Álvarez muss jetzt Gas geben, damit der Kunde am Ball bleibt und sich der Weg ins Kaufhaus trotz Amazon & Co. weiter lohnt, online und offline miteinander verbinden und den ganzen Auftritt noch moderner gestalten. Die Begeisterung der kaufkräftigen Chinesen für spanische Produkte dürfte dabei helfen. Für den wahrscheinlich neuen Eigentümer von Galeria Karstadt Kaufhof, René Benko, dürften die Spanier eindeutig eine Benchmark sein.