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Eine Freundschaft erträgt auch Differenzen

Ingo Mannteufel16. November 2001

Auf ihrem Gipfel haben US-Präsident Bush und Russlands Staatschef Putin ein Kunststück vollbracht: Differenzen über den ABM-Vertrag bestehen fort. Und dennoch haben sie eine neue Ära der Beziehungen eingeläutet.

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Russisch-amerikanisches Schutzschild?Bild: AP

Die beiden Präsidenten haben auf ihrem Gipfel die Meinungsverschiedenheit über den ABM-Vertrag nicht beilegen können. Beide erklärten sich zwar zu erheblichen Abrüstungsschritten bereit. Doch auch in dieser Frage gab es nicht uneingeschränkte Harmonie: Russland wünscht eine vertragliche Vereinbarung analog zu den START-I und START-II-Verträgen. US-Präsident Bush ist eher an einseitigen gleichlautenden Erklärungen durch beide Staatschefs interessiert.

Unterstützung ohne Bedingungen

Und dennoch hat die äußerst freundschaftliche Atmosphäre auf dem Gipfel gezeigt, dass sich das russisch-amerikanische Verhältnis seit dem 11. September qualitativ verbessert hat. Russland hat seit dem Terroranschlag die im Mark getroffene Supermacht USA in der Anti-Terror-Koalition unterstützt. Auch auf dem Gipfel bekräftigten beide Präsidenten, eine Lösung des Afghanistan-Konflikts gemeinsam anzustreben. Das Besondere liegt aber nicht in der solidarischen Bekämpfung des Taliban-Regimes und des mutmaßlichen Terroristenführers Bin Laden. Das ist für Russland durchaus mit Realpolitik zu begründen. Denn die USA bekämpfen einen Gegner, der nach russischer Lesart Russlands Sicherheit im Kaukasus und in anderen für sich reklamierten Einflusszonen bedroht. Bedeutender ist gegenwärtig, dass Putin für seinen US-freundlichen Kurs keine direkten Zugeständnisse einfordert. Das war in den letzten Jahren nicht so und ist auch jetzt in Russland nicht unumstritten.

Eine lange Liste mit Forderungen

Vor allem in Geheimdienst- und Armeekreisen herrscht immer noch eine starke anti-amerikanische Grundstimmung vor. Außenpolitische Kommentatoren in Russland verlangen seit einigen Wochen, dass die USA Russland in anderen Fragen entgegenkommen soll. Genannt werden dabei die Abschreibung alter Sowjetschulden, der Aufschub der NATO-Erweiterung oder ein beschleunigter russischer WTO-Beitritt. Die russischen Medien wiesen in letzter Zeit öfters auf die Außenpolitik von Michail Gorbatschow und Andrej Kosyrew hin, dem russischen Außenminister von 1990 bis 1996: Verbunden damit ist der Vorwurf, die damalige Politik von einseitigen Zugeständnissen an den Westen hätte die russischen Interessen beeinträchtigt. Einige russische Experten gingen inzwischen sogar noch weiter: Wie in der späten Gorbatschow-Zeit gebe es auch jetzt in der Außenpolitik einen Bruch zwischen dem Präsidenten und der politischen Elite.

Stabile Beziehungen trotz Unstimmigkeiten

Putin ist aber nicht Gorbatschow. Im Unterschied zum letzten sowjetischen Präsidenten hat er die Macht im Kreml fest im Griff. Er muss die Verbalattacken gegen seine Politik nicht fürchten. Seine Politik zielt darauf, Russland als anerkannte Großmacht in eine stabile Weltordnung und Weltwirtschaft zu integrieren. Die russisch-amerikanischen Beziehungen lediglich auf den ABM-Vertrag zu konzentrieren, ist dafür schädlich. Dies sieht wohl auch US-Präsident Bush so, als er sagte: "Unsere unterschiedlichen Ansichten trennen uns nicht als Länder."