Eine kleine Kundgebung namens "Dügida"
9. Dezember 2014Der Satz klingt wie einstudiert: "Wir sprechen nicht mit der Presse." Die etwa Mitte 40-Jährige sagt ihn so selbstverständlich, als würde sie ständig um Interviews gebeten. Sie und der Rest ihrer Truppe füllen einen halben Waggon der Straßenbahn. Ein junger Mann, der dazu gehört, trägt eine schwarze Bomber-Jacke. Da, wo sonst "Lonsdale" prangt, steht "Düsseldorf". Die Typografie ist dieselbe. Die Interview-scheue Frau und ihre Freundinnen haben fast alle Piercings im Gesicht. Ihres klemmt an der Augenbraue. Dazu trägt sie dunklen, fast schwarzen Lippenstift und hat sich die violett-anmutenden kurzen Haare zu einer Igel-Frisur hochgegelt. Als die Gruppe aus der Bahn aussteigt, hört man plötzlich eine Gruppe Männer wie Hunde jaulen: "Ahu, Ahu, Ahu." Ein Schlachtruf in der Hooligan-Szene. Die Igelfrisur bleibt stehen und sagt: "Wartet mal. Da kommen unsere Jungs. "
Um 18 Uhr ist die Anzahl der Menschen, die sich vor dem nordrhein-westfälischen Landtag versammelt haben, noch mehr als überschaubar. Es sind bestimmt keine 100. Am Schluss werden es gerade mal 400 Teilnehmer gewesen sein. Die Socken sind schon fast komplett vom Regen durchnässt, als aus dem weißen Lieferwagen der "Dügida"-Veranstalter ("Düsseldorfer Bürger gegen die Islamisierung des Abendlandes") eine Ansage kommt. Der Hauptredner verspäte sich. Gemeint ist Alexander Heumann, Politiker der Partei AfD (Alternative für Deutschland) und Familienanwalt. Heumann soll hinter der "Dügida" stehen, die wiederum die Dresdner "Pegida"-Demonstrationen ("Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes") zum Vorbild hat.
"Wir sind das Volk"-Rufe
Die vorwiegend jungen Männer vertreiben sich die Wartezeit mit "Wir sind das Volk"-Rufen und dem Beschimpfen der Medien. Wenn man Fotos macht, wird man auch abgelichtet. Ob das als Drohung zu verstehen ist, wird nicht klar. Alle "Dügida"-Teilnehmer sind dazu angehalten, auf keinen Fall mit Journalisten zu sprechen, denn "da wird doch nur alles verdreht und falsch dargestellt". Das Bier aber baut zumindest bei einem Demonstranten derlei Bedenken ab. Er gibt einem Journalisten des Senders "Russia Today" ein Fernsehinterview. Vielleicht, weil der Reporter zuvor in die Sprechchöre der "Dügida" mit eingestimmt hat.
Der junge Mann mit Glatze und einem Kapuzenpullover, auf dem "Terror Camp" steht, redet sich so in Rage, dass seine Kumpels ihn wegziehen müssen. Ohnehin hat sich schon der nächste Gesprächspartner herangepirscht. Karim Izadi. Angeblich Iraner mit deutscher Staatsangehörigkeit. Angeblich Schriftsteller. Was von dem stimmt, was er sagt, und was nicht, ist schwer nachprüfbar. Er möchte aber unbedingt reden. Im Gespräch mit ihm wird klar, dass er offenbar nicht wirklich verstanden hat, mit wem er es hier zu tun hat. "Das sind ganz liebe Menschen", sagt er. Und: "Ich fühle mich hier wohl." Er hat auch noch eine eigene Botschaft mitgebracht. "Ich bin Moslem, aber ich bin gegen Schiiten, denn das sind keine Muslime."
Fast dreimal so viele Gegendemonstranten
Nur ein paar Meter weiter haben sich unter einer Schnellstraße die Gegendemonstranten eingefunden. Sie kommen von der Partei "Die Linke", von der Antifa, von Flüchtlingsinitiativen. Damit es keine Zusammenstöße zwischen den beiden Gruppen gibt, hat die Polizei alles abgesperrt und kontrolliert sehr genau. Die Teilnehmer der "Dügida"-Veranstaltungen könne man getrost in einen Topf mit denen der "HoGeSa" ("Hooligans gegen Salafisten") werfen, sagt Thomas Bose, Pressesprecher eines Düsseldorfer Bündnisses, das etwas gegen die selbst-ernannten Retter des Abendlandes tun will. Seiner Meinung nach müsse man solche Demonstrationen komplett blockieren, "denn diese Gruppen sind gefährlich". Gruppierungen wie die "Dügida" seien ein Sammlungsangebot für die extrem zerstrittenen rechten Parteien, die sich unter dem Deckmantel bürgerlicher Stammtisch-Parolen nun vereint hätten. Es wird schöne Musik gespielt, der Bürgermeister spricht. Ein Erfolg: Mehr als 1100 Menschen sind trotz des Regens und der Eiseskälte gekommen. Fast dreimal so viele wie zur Veranstaltung auf der anderen Seite der Absperrgitter, bei der man mit 2000 gerechnet hatte.
Nerzmantel und Springerstiefel
Dort hat sich inzwischen der Schweigemarsch in Bewegung gesetzt. Mit dabei sind auch einige Frauen. Die eine trägt einen Nerzmantel und ist sorgfältig geschminkt. Ihre Freundin hat wasserstoff-blondes Haar. Aus einer falschen Designer-Handtasche guckt ein weißer Mini-Hund. Eine andere Frau trägt die schwarzen Haare seitlich abrasiert. Wieder eine andere hat eine Sonnenbrille auf der Nase und eine Nikolaus-Mütze auf dem Kopf. Die Schweigemarsch-Runde dauert nicht lange. Auf dem Rückweg kommt der Pulk an einem Häuschen einiger linker Aktivisten vorbei. Davor steht ein Schild mit der Aufschrift "Waffen runter in der Ukraine. Für den Frieden". Eine "Dügida"-Teilnehmerin schreit den Spruch ins Megaphon: "Für den Frieden." Männer mit Springerstiefeln ziehen vorbei. Mit Bomberjacken mit rot-schwarz kariertem Innenfutter. Aber auch Multifunktionsjacken vom Aldi und eben der Nerzmantel.
Projekt "Dügida" erst mal gescheitert
An einer Ecke steht plötzlich Volker Beck, Grünen-Politiker und Mitglied des Bundestages. Beck ist eigentlich extra für die Gegendemonstration angereist. "Ich wollte zeigen, dass es auch von Bundestagsabgeordneten für wichtig gehalten wird, dass Leute auf die Straße gehen." Danach wollte er sich aber auch anschauen, ob der "Pegida" die "bürgerliche Camouflage" gelingt. Für den Moment ist er zwar zufrieden, dass nur so wenige gekommen sind. Beobachten müsse man Bewegungen dieser Art aber auch weiterhin sehr genau. "Für heute ist das Projekt 'Dügida' aber erst mal gescheitert."