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Eine magische Nacht in Rom

Calle Kops (dpa/sid)7. Juli 2015

Ob Spaziergang im Mondschein oder Oranje-Spuckattacke: Die Erinnerungen an einen glanzvollen WM-Sommer 1990 in Italien leben zum Titel-Jubiläum wieder auf. Kapitän Matthäus muss sich immer noch rechtfertigen.

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Die deutsche Mannschaft stellt sich nach dem 1:0-Finalsieg gegen Argentinien bei der Fußball-Weltmeisterschaft am 08.07.1990 im Olympiastadion von Rom zum Mannschaftsfoto auf: Stehend (v.l.): Klaus Augenthaler, Stefan Reuter, Jürgen Klinsmann, Frank Mill, Guido Buchwald, Paul Steiner, Thomas Berthold, Andreas Köpke, Jürgen Kohler; Hockend (v.l.): Torwart-Trainer Sepp Maier, Andreas Brehme, Lothar Matthäus (mit dem WM-Pokal), Karlheinz Riedle, Bodo Illgner, Uwe Bein, Günter Hermann, Rudi Völler, Thomas Häßler (Foto: Frank Leonhardt/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/F. Leonhardt

Auf dem Höhepunkt der magischen Nacht in Rom schritt Franz Beckenbauer über den Rasen des Olympiastadions. Alleine. Die Hände in den Hosentaschen. Die Gedanken scheinbar in weiter Ferne. Dieses Bild des im Mondschein einsam sinnierenden Kaisers hat sich in das deutsche Fußball-Gedächtnis eingebrannt. Beckenbauer hatte Deutschland an jenem 8. Juli 1990 wieder zum Weltmeister gemacht. Den Jubel seiner Spieler von Kapitän Lothar Matthäus bis zu Siegtorschütze Andreas Brehme und der Fans im schon abgedunkelten Stadion schien der Teamchef zu ignorieren, als Deutschland - kurz vor der Wiedervereinigung - den dritten Gewinn der WM-Trophäe nach dem Wunder von Bern 1954 und dem Heimerfolg 1974 feierte.

Franz Beckenbauer schaut am 8.7.1990 mit ernstem Gesicht auf das Spielfeld des Olympiastadions von Rom (Foto: picture-alliance/dpa/M. Hellmann)
Noch vor dem Triumph: Beckenbauer beim FinaleBild: picture-alliance/dpa/M. Hellmann

Diese einmaligen Momente und noch viele mehr werden die Heroen von einst Revue passieren lassen, wenn sie sich am Mittwoch am Kalterer See zum 25. Jahrestag wiedersehen. An gleicher Stätte wie damals, dem Vorbereitungs-Quartier Hotel Seeleiten, wird angestoßen auf einen italienischen Sommer voll schwarz-rot-goldenem Glanz. Einen Glanz, der sogar Beckenbauer zur Fehleinschätzung verleiten sollte. "Wir sind jetzt schon die Nummer eins in der Welt. Wir werden über Jahre hinaus nicht zu besiegen sein. Das tut mir leid für den Rest der Welt", prahlte der scheidende Teamchef nach dem Titelgewinn - und irrte ausnahmsweise mächtig. 24 Jahre sollte Fußball-Deutschland bis zum glorreichen Abend von Rio de Janeiro im Sommer 2014 auf den nächsten WM-Triumph warten müssen.

Würdiger Weltmeister

Überzeugend hatte Deutschland den WM-Pokal gewonnen - auch wenn der 1:0-Finalsieg gegen Argentinien durch das späte Elfmetertor von Brehme eines der schlechteren Spiele gewesen war. Eigentlich sollte Kapitän Matthäus den Strafstoß kurz vor Spielende treten. Wegen angeblicher Probleme mit den Schuhen schob der Rekordnationalspieler aber Brehme die Verantwortung zu. Dafür muss er sich noch heute rechtfertigen. Brehme berichtete später von der wichtigsten Szene seiner Karriere: "Rudi Völler ist noch zu mir gekommen und hat gesagt: 'So, den machst du jetzt rein, dann sind wir Weltmeister.' 'Na, schönen Dank', antwortete ich. 'Ich werd's mir zu Herzen nehmen.'" Brehme nahm Anlauf und traf - flach ins linke Eck.

Der Niederländer Frank Rijkaard (r.) bespuckt Rudi Völler im WM-Achtelfinale 1990 in Mailand (Foto: Martina Hellmann dpa Bildfunk)
"Oranje-Lama": Der Niederländer Frank Rijkaard (r.) bespuckt Rudi Völler im WM-Achtelfinale 1990 in MailandBild: picture-alliance/dpa/M. Hellmann

Furios war der Turnierauftakt mit dem 4:1 gegen Geheimfavorit Jugoslawien inklusive eines Sololauf-Traumtores von Matthäus gewesen. Es folgten ein 5:1 gegen die Vereinigten Arabischen Emirate und als das Weiterkommen praktisch feststand ein 1:1 gegen Kolumbien. Man durfte als Gruppensieger in Mailand bleiben, wo es gegen die Niederlande zum legendären Achtelfinale samt Spuckattacke von Frank Rijkaard und Platzverweis für das "Oranje-Lama" und den unschuldigen Völler kam. Die holländischen Provokationen gingen nicht auf - angetrieben von einem energiegeladenen Jürgen Klinsmann gewann die DFB-Auswahl mit 2:1.

Der Kapitän der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, Lothar Matthäus (r), schüttelt dem argentinischen Spielführer Diego Maradona (l.) die Hand nach dem Finale Deutschland gegen Argentinien bei der Fußball-WM in Rom (Foto: Frank Kleefeldt/dpa)
Trost: Diego Maradona (l.) kämpft mit den TränenBild: picture-alliance/dpa

Mühsam war das 1:0 im Viertelfinale gegen die Tschechoslowakei durch einen Matthäus-Elfmeter. Der wütende Tritt des Kaisers gegen eine Wasserkiste gehört zu den beliebten WM-Anekdoten. Im Halbfinale wurde der Mythos der englischen Untauglichkeit für's Elfmeterschießen begründet - vier sichere deutsche Schützen reichten zum Erfolg. Legendär sind die Tränen von Paul Gascoigne. Nach dem Finale weinte dann der große Diego Maradona - ausgeschaltet vom danach nie wieder unterschätzten Guido Buchwald.

"Haben Franz alles geglaubt"

Beckenbauer hatte einen riesigen Anteil am Triumph - das versichern alle Zeitzeugen zum Jubiläum. "Wir Spieler haben Franz alles geglaubt. Ausnahmsweise muss ich ihn da mal loben", sagte Matthäus dem "Kicker". Eine "Pfadfindertruppe", sei man gewesen. Im Gegensatz zur stimmungsmäßig verkorksten WM 1986 in Mexiko schaffte Beckenbauer eine perfekte Atmosphäre im Teamquartier Castello di Castiglio in Erba wie auch zuvor in Kaltern im Trainingslager. "Geht's raus und spielt's Fußball", hatte er seinen Kickern vor dem Endspiel mit auf den Weg gegeben.

Nach dem WM-Finale Argentinien gegen Deutschland (0:1) in Rom am 8.7.1990 jubeln von l-r Holger Osieck, Franz Beckenbauer, Klaus Augenthaler, Stefan Reuter, Jürgen Klinsmann, Frank Mill und Karl-Heinz Riedle (Foto: Frank Kleefeldt/dpa)
Ein Team: Nach dem Finalsieg jubeln Osieck, Beckenbauer, Augenthaler, Reuter, Klinsmann, Mill und Riedle (l.-r.)Bild: picture-alliance/dpa/F. Kleefeldt

"Wir waren damals ein Team, das man vergleichen konnte, mit Jogi Löws Weltmeister-Mannschaft im vorigen Jahr. Auch wir hatten keinen Messi und keinen Ronaldo. Doch wie 2014 ist auch 1990 die Mannschaft Weltmeister geworden. Das ist das Geheimnis der deutschen Erfolge. Dieser Geist war 1990 vom ersten Moment an zu spüren. Erst recht, als wir am Kalterer See erstmals italienischen Boden betraten. Deswegen freue ich mich jetzt so auf dieses Wiedersehen in Kaltern", sagt Beckenbauer auf DFB.de.