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Kunst

Eine Mauer teilt deutschen Biennale-Pavillon

9. Mai 2019

Die Künstlerin Natascha Süder Happelmann erklärt den deutschen Biennale-Pavillon in Venedig zum Abschiebegefängnis. Ihr Thema ist Europas Umgang mit Geflüchteten.

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Journalistenansturm bei der Voreröffnung des Deutscher Pavillon auf der 58. Kunst-Biennale von Venedig
Bild: Imago Images/M. Segerer

Das von wuchtigen Pfeilern gesäumte Hauptportal des Deutschen Pavillons bleibt verschlossen. Nur zwei Seiteneingänge führen in den Innenraum, den eine meterhohe Mauer aus Spritzbeton in zwei Hälften teilt. Von einer Seite sieht das aus wie ein Staudamm. Kleine Wasserläufe aus Latex rinnen durch ein Kieselfeld. Jenseits der Mauer erhebt sich ein Metallgerüst. Aus Lautsprechern erklingen Stimmen, Musik und schrille Töne.

"Tribute to whistle" heißt die Soundinstallation. Sie erinnert an die verbreitete Methode von Geflüchteten, sich mit Trillerpfeifen vor Abschiebeversuchen der Polizei zu warnen. In einen Nebenraum des Pavillons hat Süder Happelmann eine Skulptur aus gestapelten Gemüsekisten gebaut. Daran lehnt, wie zufällig, eine Plakattafel mit einer Tomatenwerbung. Die Botschaft der Künstlerin ist deutlich: Europa macht dicht. 

Metapher der Abschottung

Ist Deutschlands Biennale-Pavillon eine Metapher der Abschottung? Ein politisches Statement ist das, erst recht im populistisch regierten Italien. Und auch bei einem Vorab-Auftritt auf der Biennale bleibt die Künstlerin ihrer Linie treu. Sie zitiert Rosa Luxemburgs Ansichten zur Akkumulation des Kapitals. Fragen der Journalisten begegnet sie mit vorbereiteten Statements, dabei bräuchte es viele Antworten. Erneut verbirgt die Künstlerin ihr Gesicht hinter einer Steinmaske aus Pappmaché und lässt eine Schauspielerin für sich sprechen. Deren Kunstname: Helene Duldung.

Die Künstlerin Natascha Süder-Happelmann (rechts) und ihre Sprecherin Helene Duldung in Venedig.
Die Künstlerin Natascha Süder Happelmann (rechts) und ihre Sprecherin Helene Duldung in VenedigBild: DW/S. Dege

Schon vor Monaten deutete sich an, dass Süder Happelmanns Biennale-Beitrag um Fragen der Migration kreisen würde. Auf der Homepage des Deutschen Pavillons, der in diesem Jahr von Franciska Zólyom kuratiert wird, konnte man sich Videos anschauen. In einem läuft die Künstlerin mit der Steinmaske auf dem Kopf über sonnige Dorfstraßen in Bayern und Baden-Württemberg und blickt auf sogenannte "Ankerzentren". Die Bezeichnung steht für "Zentrum für Ankunft, Entscheidung, Rückführung". Solche Abschiebegefängnisse gibt es in Deutschland seit 2018. Darin sollen Geflüchtete unterkommen, bis sie in Kommunen verteilt oder aber in ihr Herkunftsland abgeschoben werden. In einem zweiten Video schreitet sie in Apulien riesige Tomatenfelder ab, auf denen im Sommer Migranten aus Afrika unter menschenunwürdigen Bedingungen und für einen Hungerlohn schuften. In einem dritten Film geht es um das juristische Tauziehen um ein deutsches Flüchtlingsschiff, das in einem italienischen Hafen festgehalten wurde.

Deutliche Botschaft

Für ihre Biennale-Performance, zu der auch ihre öffentlichen Auftritte zählen, hat sich die Künstlerin einen Phantasienamen zugelegt. Statt Natascha Sadr Haghighian nennt sie sich Natascha Süder Happelmann - "weil es deutscher klingt!" Ihre Biografie verschleiert sie. Doch bekannt ist: Süder Happelmann stammt aus dem Iran und lehrt Bildhauerei an der Kunsthochschule Bremen.

Blick in den Deutschen Biennale-Pavillon auf der 58. Kunst-Biennale von Venedig
Der Deutsche Pavillon auf der Kunst-Biennale thematisiert die Abschottung EuropasBild: Getty Images/AFP/T. Fabi

An der monumentalen Architektur des 1938 von den Nazis umgestalteten Deutschen Pavillons haben sich vor Süder Happelmann schon viele Künstler abgearbeitet. Hans Haacke etwa hackte 1993 den Boden auf. Mit Gregor Schneider, Christoph Schlingensief und Anne Imhof gewannen seit 2001 gleich drei Deutsche einen Goldenen Löwen. Sollte das auch Süder Happelmann gelingen? Es wäre verwunderlich: Zu offensichtlich, zu sehr "Faust aufs Auge" ist ihr Biennale-Beitrag. Die Reaktionen aus der Politik lassen auf sich warten.