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Politik

Eine Oase der Solidarität mit den Flüchtlingen

Amir Purić
20. November 2018

Es kommen weiterhin neue Flüchtlinge nach Bosnien/Herzegowina. Auf dem Weg in die EU schaffen es viele bis an die Grenze nach Kroatien. In Velika Kladuša hat man Verständnis für sie und hilft.

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Bosnien-Herzegowina Velika Kladusa Auseinandersetzungen von Migranten und Polizei an der Grenze zu Kroatien
Bild: Getty Images/AFP/E. Barukcic

Busse, die von Sarajevo in Richtung der Grenze nach Kroatien durch den westlichen Teil von Bosnien und Herzegowina fahren, werden regelmäßig von der Polizei angehalten. So ist es auch diesmal. "Gibt es welche?", fragt ein Polizist den Busfahrer und meint Flüchtlinge. "Heute Abend ist keiner dabei", antwortet der Fahrer. Davon möchte sich der Polizist dann doch selbst überzeugen.

Geprüft wird aufgrund der Hautfarbe: Wenn ein Passagier eine dunklere Hautfarbe hat, muss er seine Dokumente vorzeigen. Wenn feststeht, dass es sich um einen Migranten handelt, der illegal in das Land eingereist ist, verwehrt man ihm die Weiterreise. Dabei spielt es keine Rolle, ob er eine Bescheinigung besitzt, aus der hervorgeht, dass er oder sie in Bosnien-Herzegowina Asyl beantragt hat. Damit sollte er sich eigentlich acht bis vierzehn Tage lang innerhalb des Landes frei bewegen dürfen.

Reiseverbot für Migranten

Auf der Weiterfahrt berichtet der Busfahrer, dass die Migranten nur noch selten mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs seien, nachdem Ende Oktober beschlossen wurde, sie nicht mehr in das Gebiet dieses Kantons kommen zu lassen. Die Unterbringungskapazitäten seien schon erschöpft, so die offizielle Erklärung.

Seitdem wurden mehr als 1500 Migranten an der Einreise in den Kanton Una-Sana gehindert. Die Entscheidung darüber fiel am 23. Oktober, zwei Tage nachdem mehrere Tausend Einwohner der benachbarten Stadt Bihać im Westen von Bosnien und Herzegowina eine Straßensperre errichtet hatten.

Flüchtlinge in Bosnien
Improvisieren im "wilden" Lager Trnovi in Velika KaldusaBild: DW/Amir Puric

Damit protestierten sie gegen die unzureichenden Maßnahmen der Lokalbehörden bei der Bewältigung des Problems. Schon Monate davor war eine den Flüchtlingen überlassene alte Fabrikhalle - ohne Fußböden, Fenster und Türen - restlos überfüllt. Nach der Protestaktion wurde in Bihać außerdem ein weiteres Aufnahmezentrum für Migranten mit einer Kapazität von bis zu 450 Menschen eröffnet, das der Internationalen Organisation für Migration (IOM) untersteht.

Der Mangel an Unterkünften, das Verbot die öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen, das für Migranten im gesamten Kanton Una-Sana gilt, und der bevorstehende Winter bedeuten jedoch nicht, dass weniger Flüchtlinge in Bihać und Velika Kladuša ankommen. Laut Polizeiangaben suchen sie jetzt andere Wege - viele versuchen es zu Fuß. Auf den Straßen in der Gegend trifft man nun häufig Flüchtlinge, die in kleinen Gruppen oder einzeln versuchen, Velika Kladuša zu erreichen.

Hilfsbereitschaft und Solidarität

Der Hauptgrund ist die nahe Grenze zu Kroatien. Es hat sich aber auch herumgesprochen, dass die lokale Bevölkerung freundlich und hilfsbereit sei. Das haben mehrere Flüchtlinge der DW bestätigt. Es gibt keine offiziellen Daten, aber Schätzungen zufolge befinden sich in Velika Kladuša, einem Städtchen mit rund 40.000 Einwohnern, zurzeit zwischen 600 und 1000 Migranten.

Flüchtlinge sowie freiwillige Helfer von Nichtregierungsorganisationen, sind voll des Lobes für die Bürger von Velika Kladuša. "Es gibt etwas in dieser Stadt, das ich nirgendwo anders gesehen habe. Hier gibt es, so weit das möglich ist, ein gemeinsames Leben von Einheimischen und Menschen, die hierher gekommen sind", sagt Nidžara Ahmetašević. Sie war bereits in mehreren Flüchtlingslagern in Griechenland als Freiwillige engagiert, eine solche Solidarität wie in Velika Kladuša habe sie aber noch nicht erlebt.

Bosnien-Herzegowina Velika Kladusa Auseinandersetzungen von Migranten und Polizei an der Grenze zu Kroatien
Bosnische Polizisten blockieren den Übergang zwischen Bosnien und dem EU-Land KroatienBild: Getty Images/AFP/E. Barukcic

Das bestätigt auch Adis Imamović. Mit seiner Organisation "SOS Ljuta Krajina" unterstützt er Flüchtlinge und sammelt für sie Lebensmittel, Kleidung und Zelte. Zuvor war er in sieben verschiedenen Ländern tätig, durch die die Migrationsroute führte. Die Haltung der Bürger gegenüber den Flüchtlingen begeisterte den in Banja Luka geborenen Imamović so sehr, dass er beschlossen hatte, auch wenn eines Tages die Migrationskrise in Europa zu Ende geht, nach Velika Kladuša zurückzukehren und dort zu leben.

Kaum Chancen zu bleiben

Hier bleiben möchte auch Younes, einer von etwa zwanzig jungen Männern, die gerade Fußball spielen auf dem Parkplatz vor dem alten Busbahnhof, wo sie auch schlafen. Younes sagt, er sei aus Palästina, spricht mehrere Sprachen - auch ein wenig Bosnisch. Er will in Bosnien einen Asylantrag stellen. Ein fast hoffnungsloses Unterfangen. Bis Ende Oktober Jahres haben mehr als eintausend Migranten Asyl in Bosnien und Herzegowina beantragt, das Sicherheitsministerium erkannte jedoch keinen einzigen als Flüchtling an. Nur ein Kind aus Syrien erhielt subsidiären Schutz.

Im Gegensatz zu Younes wollen andere junge Männer weiter nach Frankreich, Italien, England oder Deutschland gehen. Sie sind gesprächig und beschweren sich über nichts. "Die Leute sind gut hier, es gibt keinen Rassismus. Wir sind es gewohnt, nur im Hier und Jetzt zu leben. Das Wichtigste ist Gesundheit. Wenn du gesund bist, ist alles einfach", sagt ein junger Algerier. Er ist fest davon überzeugt, dass er eines Tages nach Westeuropa kommen wird.

Grenzen sind kein Hindernis

Die Grenzen der EU sind in der Tat durchlässig. Laut bosnischer Behörden wurden seit Anfang des Jahres im Land mehr als 21.000 Migranten registriert, zurzeit sind aber höchstens noch 3000 im Land, die meisten im Kanton Una-Sana.

Sie sind in den vier offiziellen und einem wilden Flüchtlingslager untergekommen, oder haben Unterschlupf in verlassenen Häusern und Industriehallen gefunden. Einige wurden auch von bosnischen Familien in ihre Häuser aufgenommen.

Für diejenigen, die sich im inoffiziellen Camp Trnovi in Velika Kladuša aufhalten, ist es bei weitem am schwierigsten. Hier herrschen schlimme hygienische Bedingungen, es gibt nicht genug Toiletten oder Duschen, oft noch nicht einmal fließendes Wasser. Niemand will an diesem Ort auf den Winter warten, und deshalb versuchen immer mehr Menschen die Grenze zu Kroatien zu überschreiten.

Flüchtlingslager Velika Kladusa
Behelfsunterkunft in Velika Kladuša: Keine Outdoor-Romantik sondern Alltag für FlüchtlingeBild: DW/D. Mardesic

Ali aus Pakistan hat es in den vergangenen vier Monaten acht Mal geschafft, wurde aber jedes Mal in Kroatien oder Slowenien gefasst und von der kroatischen Polizei illegal nach Bosnien-Herzegowina zurückgebracht. In der vergangenen Woche sei es ihm erneut gelungen, nach Slowenien durchzukommen, wo er sich selbst bei der Polizei meldete und seine Absicht äußerte, Asyl zu beantragen.

"Sie sagten mir, dass es am nächsten Morgen möglich wäre. Aber am Morgen steckten sie mich ins Auto und in einer halben Stunde sah ich die kroatische Grenze", erzählt der 32-Jährige enttäuscht. Dennoch wird er wieder versuchen zuerst nach Italien und dann weiter nach Frankreich zu kommen, wo Familienangehörige leben. "Vielleicht morgen oder übermorgen. Ich kann hier nicht bleiben", sagt Ali.

Empathie aus Erfahrung

Die meisten seiner Freunde, mit denen er im Sommer im Lager war, melden sich inzwischen aus den EU-Ländern. Sie haben es vorerst geschafft. Andere versuchen es weiter. Deshalb ist in Velika Kladuša andauernd Verkehr: Die einen gehen, die anderen kommen. Die Grenzen und die Polizei erschweren die Bewegung dieser Menschen, aber sie hindern sie nicht.

Allerdings macht die Ankunft des Winters sowohl Migranten als auch Einheimische nervös. Dennoch haben die meisten Bewohner von Velika Kladuša Verständnis für Migranten und unterstützen sie. Natürlich nicht alle, aber der Ärger über die Flüchtlinge ist in den sozialen Netzwerken stärker spürbar als im Alltag der Kommune, versichert uns Adis Imamović.

Neulich wurde die Stadt wieder blockiert, aber diesmal hatten Migranten aus Asien und Afrika damit nichts zu tun. In einer kilometerlangen Autoschlange warteten die lokalen "Gastarbeiter" am Grenzübergang nach Kroatien. Nach dem Kurzurlaub zu Hause, waren sie jetzt wieder auf dem Weg zu ihrem Arbeitsplatz in Kroatien, Slowenien oder Österreich. Vielleicht liegt es gerade an den Migrationserfahrungen, die viele Menschen in dieser Region haben, dass das Verständnis für Flüchtlinge in Velika Kladuša größer ist als anderswo.