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Politik und Kultur in Europa

Bettina Marx4. März 2014

Unter diesem Motto haben in Berlin Künstler und Politiker miteinander diskutiert. Es ging um die Frage, wie Bürger und Kunstschaffende sich mehr in Europa einbringen können.

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Symbolbild Europa Sterne Gesicht Tuch Flagge Mädchen
Bild: Fotolia/arsdigital

Es war eine schwierige Debatte zwischen den europäischen Spitzenpolitikern auf der einen Seite und den Kulturschaffenden auf der anderen. Direkt am Brandenburger Tor im Herzen der deutschen Hauptstadt waren sie zusammen gekommen, um in mehreren Runden über die "Seele Europas" zu diskutieren. Dabei traf jeweils ein Politiker auf zwei Künstler, darunter Schriftsteller, Filmemacher und Philosophen. Doch streckenweise entwickelte sich kaum ein Dialog zwischen den beiden Welten. Stattdessen gab es Monologe, Unverständnis und wechselseitige Vorwürfe.

Den Auftakt machte der deutsche Filmregisseur Wim Wenders ("Himmel über Berlin", Buena Vista Social Club", "Pina"). Er sagte, er habe schon als Kind und später als junger Mann von einem geeinten Europa geträumt. Dieser Traum sei zwar in Erfüllung gegangen, dennoch sei er nicht glücklich über die Europäische Union. Im Gegenteil, er sei verärgert, denn seine Vision eines geeinten Europa sei im Lauf der Jahre auf der Strecke geblieben. Das Europa seines Traums sei ersetzt worden durch ein Europa der Bürokratie, der Wirtschaft und der Finanzen. "Wir Kulturschaffenden dienen der Europäischen Kommission und den europäischen Politikern lediglich als Feigenblatt. An Entscheidungsprozessen werden wir nicht beteiligt", empörte sich Wenders.

Der Filmregisseur Wim Wenders Foto: DPA
Der Filmregisseur Wim WendersBild: picture-alliance/dpa

Rilke im Kopf

Der luxemburgische Spitzenpolitiker Jean-Claude Juncker wies diese Kritik zurück. Die Kultur spiele in der europäischen Politik eine große Rolle. "Die Art und Weise, wie wir Konflikte lösen, hat mit der europäischen Kultur zu tun", sagte er. So habe man in Europa gelernt, einander zuzuhören. Einschränkend fügte Juncker hinzu: "Ich kann nicht anfangen, Rilke zu zitieren, wenn ich mich mit Haushaltsdefiziten Griechenlands auseinanderzusetzen habe." Gleichwohl habe er den deutschen Dichter bei seiner politischen Tätigkeit immer im Kopf.

Der ehemalige luxemburgische Ministerpräsident erinnerte an seinen Vater, der gegen seinen Willen von den Nazis gezwungen wurde, als Soldat für Deutschland in den Zweiten Weltkrieg zu ziehen. Mit schweren Verwundungen sei er aus der Kriegsgefangenschaft zurück gekommen. Obwohl ihm die Nazis sozusagen die Jugend gestohlen hätten, habe er seinen Sohn deutsch-freundlich und als Europäer erzogen. Die Lebensgeschichte seines Vaters sei für ihn Antrieb, sich für Europa und für den Euro zu engagieren, sagte Juncker, der als Nachfolger von Kommissionspräsident José Manuel Barroso im Gespräch ist.

Der ehemalige luxemburgische Ministerpräsident Jean-Claude Juncker Foto: Getty Images
Der luxemburgische Oppositionsführer Jean-Claude JunckerBild: GEORGES GOBET/AFP/Getty Images

Parlamentspräsident und Buchhändler

Martin Schulz, Präsident des Europäischen Parlaments und Spitzenkandidat der europäischen Sozialisten, betonte, Europa habe vor seiner Einigung, nicht nur Krieg erlebt, sondern auch Verelendung und Verarmung. Die Europäische Union sei angetreten, um diese Erfahrung vergessen zu lassen und ein Europa des Wohlstands zu schaffen. Inzwischen aber habe die Finanzkrise dazu geführt, dass die soziale Ungleichheit wieder zunehme. "Wenn wir in Europa jeden Tag einen Milliardär mehr haben, aber auch jeden Tag Zehntausend Arbeitslose mehr, dann wird das auf Dauer den Kontinent auseinander treiben", so Schulz.

Er selbst sei nicht nur gelernter Buchhändler, sondern auch begeisterter Leser. Aus der Literatur ziehe er für seine politische Arbeit einen größeren Nutzen als aus den Tageszeitungen. Außerdem habe er großen Respekt vor Schriftstellern und Künstlern. Die Kunst, so Schulz, habe einen grenzüberschreitenden und universellen Anspruch. Dies habe sie mit der Europäischen Union gemein, die ebenfalls Grenzen überwinden wolle.

Martin Schulz, SPD-Kandidat bei der Europawahl, Foto: REUTERS
Der Spitzenkandidat der Europäischen Sozialisten bei der Europawahl, Martin SchulzBild: Reuters

Der Berliner Grafiker und Plakat-Künstler Klaus Staeck sagte, er bemühe sich darum, Politik und Kunst zu trennen. Es sei aber interessant, wenn sich beide produktiv aneinander rieben. Er selbst definiere sich als Künstler und politischer Mensch und begrüße es, wenn Kulturschaffende sich in die Politik einmischten. Staeck warnte vor den Verhandlungen der EU mit den USA um ein transatlantisches Freihandelsabkommen. Die europäische Politik müsse darauf achten, dass Kultur nicht zu einem weiteren Handelsgut degradiert werde

Sorge um die Ukraine

Über der breit angelegten ganztägigen Veranstaltung im Berliner Allianz-Kulturforum schwebte wie ein düsterer Schatten die dramatische Lage in der Ukraine. Die Grünen-Europapolitikerin Rebecca Harms, die enge Verbindungen in die Ukraine hat, rief zur Solidarität mit den Menschen in der Krisenregion auf. Sie beklagte, dass die monatelangen Demonstrationen auf dem Maidan in Kiew europäische Künstler nicht in die ukrainische Hauptstadt gezogen hätten. "Wo sind die Solidaritätsappelle der europäischen Künstler für ihre ukrainischen Kollegen, die auf dem Maidan frieren?", fragte sie. Sie selbst sei mit vielen ukrainischen Künstlern seit Jahren eng befreundet und habe aus diesen Kontakten viel gelernt.

Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europaparlament, Rebecca Harms, Foto: DW
Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europaparlament, Rebecca HarmsBild: DW/L. Frey

Der Präsident der Europäischen Kommission, Barroso, sicherte der Ukraine die Unterstützung Europas zu. Das Minimum, was die EU für die Ukrainer tun könne, sei, ihre Souveränität zu unterstützen und ihnen eine europäische Perspektive zu geben. "Wir haben gesehen, wie die Menschen in der Ukraine die europäische Fahnen geschwenkt haben in der Hoffnung auf eine Zukunft in der europäischen Familie." Die Ukraine gehöre kulturell, wirtschaftlich und politisch zu Europa.