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Eine Welt ohne Tuberkulose?

Gudrun Heise24. März 2015

Mit einer neuen Strategie will die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Zahl der Tuberkulosefälle weltweit erheblich reduzieren, in einigen Ländern sogar ausrotten. Ist das realistisch?

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Röntgen-Bild einer Lunge (Foto: AP)
Bild: AP

Bis 2035 soll die Zahl der Tuberkulose-Toten nach dem Willen der WHO um 95 Prozent sinken, die Zahl der Tuberkulose-Erkrankten um 90 Prozent. Die Messlatte hängt hoch. Ernsthafte Anstrengungen sind nötig, um die Infektionskrankheit, die durch Bakterien ausgelöst wird, in den Griff zu bekommen. Das soll die so genannte "End-TB-Strategy" (Strategie zur Beendigung der Tuberkulose) der WHO innerhalb der nächsten 20 Jahre leisten.

Der Würzburger Tropenmediziner August Stich ist skeptisch: "Ausrotten ist sicher nicht möglich in diesem Zeitraum. Und ob Tuberkulose überhaupt jemals von der Erde verschwindet, wage ich zu bezweifeln. Es gibt sie ja, seit es den Homo Sapiens gibt. Wir haben einige wenige neue Medikamente. Und durch die Einführung von molekularbiologischen Nachweismethoden haben wir einen ziemlichen großen Durchbruch in der Diagnostik. Beides zusammen lässt ein bisschen hoffen, dass man etwas erreichen kann. Dennoch bleibt Tuberkulose ein riesiges Problem."

Das wissen auch die Experten bei der WHO. Mario Raviglione hält die "End TB"-Strategie aber für durchaus realistisch."Wir haben einige neue Methoden, zum Beispiel einen molekularen Schnelltest zur Diagnose von TB. Den gab es vor vier, fünf Jahren noch nicht. Und zum ersten Mal gibt es zwei neue Medikamente gegen die multiresistente Form von Tuberkulose. In den letzten zehn, fünfzehn Jahren wurde in die Forschung investiert. Wir haben also die Hoffnung, dass wir den Rückgang von TB beschleunigen können."

Robert Koch (Foto: akg-images)
1882 entdeckte Robert Koch das Tuberkulose-BakteriumBild: picture-alliance/akg-images

Das Sorgenkind: Multiresistente Erreger

Im Vorfeld des Welttuberkulosetags an diesem Dienstag (24. März) meldete das Robert-Koch-Institut (RKI) 4318 Tuberkulosefälle in Deutschland für das Jahr 2013. Die Zahlen der vergangenen Jahre zeigen, dass das Land im Kampf gegen Tuberkulose nicht wesentlich weitergekommen ist und dass die Zahlen stagnieren. Tropenmediziner Stich sieht vor allem drei große Problemfelder: "Das erste Problemfeld sind die resistenten Tuberkulosen, multiresistente oder extensiv resistente Tuberkulosen. Die lassen sich extrem schwer behandeln. Das zweite ist, dass viele Patienten co-infiziert sind mit Aids. Das macht die Behandlung ebenfalls schwieriger und steigert die Todesrate. Und das dritte ist die Frage des Zugangs zu einer effektiven Behandlung."

Die Behandlung von Tuberkulose ist aufwändig und langwierig. Ein halbes Jahr lang müssen die Patienten vier Arten von Antibiotika einnehmen. Wenn die Ärzte diese Medikamente nicht mehr verabreichen können, weil sich Resistenzen entwickelt haben, dauert die Behandlung noch länger und wird entsprechend teurer. Stich gibt zu bedenken, dass sich die Therapie nur für einen sehr kleinen Teil derjenigen, die sie dringend brauchen, realisieren lässt. "Weltweit leiden rund 500.000 Menschen, an einer multiresistenten Form von Tuberkulose." Im Jahr 2013 waren es in Deutschland etwa 100.

Gemeinsamer Kraftakt

Um die Ausbreitung von Tuberkulose zu reduzieren, ist es wichtig, die Krankheit im Keim zu ersticken. Dazu müssen Mediziner in die Lage versetzt werden, Tuberkulose so früh wie möglich zu diagnostizieren. Die WHO fordert deshalb, den Einsatz von Medikamenten zu optimieren und die Patienten auch finanziell zu unterstützen. "Dahinter steckt der Gedanke, dass die Gesundheitsministerien ihre nationalen Programme stärken müssen, so dass Medikamente zur Verfügung gestellt werden können, sobald ein Fall diagnostiziert ist", so Raviglione. "Wir müssen sicherstellen, dass es da ein System gibt, das Diagnose und Therapie für jeden Menschen garantiert."

Spitze / Impfung (Foto: Getty Images)
Ein neuer Tuberkulose-Impfstoff ist dringend nötigBild: John Moore/Getty Images

Laut WHO muss dringend in weitere Forschung und in neue Therapiemetoden investiert werden. Dazu gehören beispielsweise Impfungen und Möglichkeiten zur Prophylaxe. "Wir müssen dafür sorgen, dass es Therapien gibt, die nicht so lange dauern und effizienter sind oder eben eine Impfung, die wir einsetzen können. Das sind die Methoden, die auf lange Sicht die Tuberkulosefälle nach unten drücken werden", davon ist Raviglione überzeugt.

Die Zusammenarbeit verschiedener Länder und Regierungen ist einer der zentralen Punkte im 20-Jahres-Plan der WHO. Die Kosten sollen niedrig gehalten werden, so dass auch Patienten aus ärmeren Familien behandelt werden können. So sieht es auch Stich: "Ich denke, dass der Kampf gegen Tuberkulose weniger durch die pharmazeutische Forschung gewonnen wird als vielmehr durch die Verbesserung der Gesundheitssysteme. Wenn Menschen überall auf der Welt Zugang zu einer notwendigen Therapie bekämen, dann hätten wir schon sehr viel gewonnen." Der 20-Jahre-Plan der WHO möchte genau das realisieren. Und er strebt an, dass bis 2025 ein neuer Impfstoff zur Verfügung steht.