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Bund zahlt 670 Euro pro Flüchtling

Richard A. Fuchs, Berlin 24. September 2015

Bund und Länder haben sich geeinigt: Die Kommunen erhalten für jeden Flüchtling Geld - als Pauschale. Für 2016 sollen vier Milliarden Euro fließen, in diesem Jahr zwei Milliarden Euro. Aber es gibt auch Kürzungen.

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Berlin Kanzleramt Flüchtlingsgipfel
Bild: Reuters/H. Hanschke

Bund und Länder haben sich beim Flüchtlingsgipfel im Berliner Kanzleramt auf ein Bündel von Maßnahmen geeinigt. Zentrales Ergebnis beim Treffen der Bundesregierung mit den 16 Regierungschefs der Länder: Der Bund wird künftig die Hauptlast bei der Finanzierung der Flüchtlingskosten übernehmen. Bislang tragen vor allem die Kommunen jene Kosten, die durch den Zustrom von immer mehr Flüchtlingen in Deutschland entstehen.

670 Euro pro Flüchtling und Monat

Die Einigung zwischen Bund und den Ländern sieht vor, dass der Bund 670 Euro pro Asylbewerber und Monat an die Länder überweist. Die reichen das Geld dann an die Kommunen weiter. Je mehr Flüchtlinge kommen, desto mehr Gelder fließen, so der einstimmige Beschluss, den Bundeskanzlerin Merkel (Artikelbild, neben Vizekanzler Gabriel) als eine "entscheidende Weichenstellung" lobte.

Damit zeigten Bund und Länder gemeinsam, dass sie die Bewältigung der Flüchtlingskrise als "nationale Aufgabe" betrachten. Die Einigung entlaste klamme Kommunen direkt, so die Kanzlerin - der Bund übernehme die finanziellen Risiken.

Berlin Kanzleramt Flüchtlingsgipfel
Mehr Geld für die Kommunen, aber auch Leistungskürzungen bei einzelnen Asylsuchenden: Der Bund-Länder-Gipfel hat Entscheidungen gebrachtBild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Dauert ein Asylverfahren länger als die hier einkalkulierten fünf Monate pro Fall, sieht der Plan eine Weiterfinanzierung durch den Bund vor. Für die Bundesregierung bedeutet das, dass sie für 2016 statt drei Milliarden Euro jetzt vier Milliarden Mehrausgaben für die Flüchtlingshilfe einplant. Für das laufende Jahr werden die Finanzen noch einmal aufgestockt - auf jetzt zwei Milliarden Euro.

Eine Milliarde für Betreuung und Bildung

Und auch an anderer Stelle kommt die Bundesregierung den Ländern entgegen. Im Bundeshaushalt wird rund eine Milliarde Euro frei durch den Wegfall des Betreuungsgeldes für Familien. Dieses Geld wird direkt an die Bundesländer weitergereicht. Ziel ist es, dass damit Kitas und Bildungseinrichtungen für die steigenden Flüchtlingszahlen fit gemacht werden.

Die Teilnehmer am Flüchtlingsgipfel haben aber auch Einschnitte bei der finanziellen Ausstattung von Asylbewerbern beschlossen. So sollten "Fehlanreize" gemindert werden, sagte die Kanzlerin. Demnach werden in Erstaufnahmelagern künftig Sachmittel statt Geldleistungen die Regel. Das soll vor allem Flüchtlinge aus den Westbalkanstaaten abschrecken, denen viele Politiker Flucht aus wirtschaftlichen Gründen unterstellen. Albanien, der Kosovo und Montenegro wurden einstimmig auf die Liste der "sicheren Herkunftsländer" aufgenommen. Asylsuchende von dort haben künftig nur noch geringe Chancen, hier anerkannt zu werden.

Flüchtlinge kommen am Flughafen in Köln/Bonn an
Künftig bekommen die Kommunen pro Flüchtling eine Geldpauschale. Kommen mehr Flüchtlinge, fließt mehr GeldBild: picture-alliance/dpa/F. Gambarini

Ministerpräsidenten: "Planungssicherheit für Haushalte"

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) lobte den Kompromiss im Namen seiner Amtskollegen in den höchsten Tönen: "Das ist eine Einigung, die ihre Wirkung entfalten wird." Sein Amtskollege aus Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff (CDU), fügte hinzu: "Es ist ein hervorragendes Ergebnis, weil es Planungssicherheit für unsere Haushalte gibt". Dass die Entscheidungen des Abends notwendig waren, zeigt ein Blick auf die Zahlen. Bis jetzt haben nach Angaben der Bundesregierung im laufenden Jahr bereits 521.000 Flüchtlinge Deutschlands Grenzen passiert. Mit 800.000 Flüchtlingen wird derzeit für das laufende Jahr gerechnet.

Kommunen bekommenden nicht die vollständige Entlastung

Mit der Einigung soll gewährleistet werden, dass nicht die vom Zustrom am meisten betroffenen Kommunen und Städte auf den Kosten für Notunterkünfte und Erstaufnahmelager sitzen bleiben. 64 Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeister waren eigens nach Berlin gereist, um dort eine dauerhafte und vollständige Kostenerstattung durch den Bund einzufordern. Nach Ansicht des Städte- und Gemeindebunds müsste dafür jede Kommune pro Jahr und Flüchtling rund 13.000 Euro bekommen. Mit dem jetzt ausgehandelten Kompromiss bekommen Kommunen pro Jahr und Flüchtling etwa 8000 Euro. Die Finanzierungslücke muss wohl auch weiter von Kommunen und privaten Trägern gedeckt werden.

Mit beim Gipfel dabei war auch der neue Leiter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Frank-Jürgen Weise. Er stellte seinen Plan vor, wie er den Stau bei der Prüfung von rund 300.000 laufenden Asylverfahren beenden will. 6300 neue Sachbearbeiter ebenso wie neue IT-Systeme sollen die Verfahren beschleunigen. Die süffisante Bemerkung der Kanzlerin dazu: "Für einen ersten Bericht war das sehr hoffnungsfroh."

Winfried Kretschmann aus Baden-Württemberg und Horst Seehofer aus Bayern
Sie bekommen mehr, wenn auch weniger als erhofft: Die Ministerpräsidenten Kretschmann (links) aus Baden-Württemberg und Seehofer aus BayernBild: Reuters/H. Hanschke

Auch bei der Gesundheitsversorgung für Flüchtlinge gibt es Fortschritte. So kann künftig jedes Bundesland selbst entscheiden, ob es die elektronische Gesundheitskarte für Flüchtlinge nutzt. Mit ihr können Flüchtlinge viele Leistungen der Krankenkassen in Anspruch nehmen. Bisher gilt, dass Asylbewerber jede ärztliche Behandlung bei den kommunalen Behörden einzeln beantragen müssen.