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Einnahmen stocken in Griechenland

Jannis Papadimitriou20. Februar 2016

Ernüchterung für die linksgeführte Regierung von Alexis Tsipras: 2015 hat der Fiskus rund 600 Millionen Euro weniger eingenommen als im Vorjahr - trotz drastischer Steuererhöhungen.

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Symbolbild : Rollende Euro-Münze - Hilfe für Griechenland (Foto: Foto: Oliver Berg/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/Berg

Nach jüngsten Angaben des griechischen Finanzministeriums betrugen die Steuereinnahmen im Krisenjahr 2015 insgesamt 43,6 Milliarden Euro. Das bedeutet ein Minus von 611 Millionen im Vergleich zu 2014, obwohl im vergangenen Jahr neun neue direkte oder indirekte Steuern eingeführt worden sind. Noch deutlicher kommt die Finanznot zum Vorschein, wenn man frühere Haushaltsprognosen heranzieht: Im November 2014, also vor dem Linksruck in Athen und der angestrebten Neuverhandlung der Sparauflagen mit den Geldgebern, hoffte das griechische Finanzministerium noch auf Einnahmen in Gesamthöhe von 47 Milliarden Euro im Jahr 2015 - und bekommt nun 3,4 Milliarden weniger als damals berechnet. Das Finanzloch hat womöglich ein politisches Nachspiel, da die internationalen Kreditgeber zusätzliche Sparmaßnahmen verlangen und damit die Regierung Tsipras, die seit Monaten mit einer höchst umstrittenen Rentenreform hadert, weiter in Bedrängnis bringen.

Nach offizieller Lesart ist das Einnahmen-Minus lediglich auf finanztechnische Gründe zurückzuführen und nicht weiter bedenklich: Das Fälligkeitsdatum für die zwei ersten Raten einer verfassungsrechtlich umstrittenen Immobilien-Sondersteuer sei nämlich mehrmals nach hinten verschoben worden. Dadurch bedingt, so die Argumentation in Athen, würden die entsprechenden Einnahmen in Milliardenhöhe nicht mehr bei den Einnahmen im Haushalt 2015 mitberücksichtigt, sondern auf 2016 verschoben. Dem kann man wohl nicht widersprechen. Auffallend ist aber, dass die griechische Wirtschaft im Jahr 2015 erneut schrumpfte, während man noch im November 2014 ein kräftiges Wachstumsplus von drei Prozent in Aussicht stellte, das zu deutlich höheren Steuereinnahmen geführt hätte. "Für den Rückfall in die Rezession gibt es vor allem zwei Gründe: Die anhaltende Unsicherheit in der Wirtschaft, sowie die Einführung von Kapitalverkehrskontrollen im Sommer 2015", erklärt Panagiotis Petrakis, Wirtschaftsprofessor an der Universität Athen, im Gespräch mit der DW.

Alexis Tsipras (Foto:REUTERS/Alkis Konstantinidis)
Tsipras: weiter in BedrängnisBild: Reuters/A.Konstantinidis

Wirtschaftsdaten auf Achterbahn

Laut Petrakis könnte die Rezession in diesem Jahr vertieft werden und womöglich für negative Überraschungen in Griechenland sorgen. Die Unsicherheit in der Wirtschaft treibe nun mal seltsame Blüten. Ein beunruhigender Indikator dafür sei insbesondere die Entwicklung am Arbeitsmarkt, mahnt der Ökonom: "Erstmals seit 2014 verzeichnen wir derzeit erneut mehr Entlassungen als Neueinstellungen. Dabei hatten wir uns gerade noch im Jahr 2015 über ein überraschend deutliches Beschäftigungsplus mit 97.000 zusätzlichen Jobs gefreut", erläutert Petrakis.

Besonders die Entwicklung der Staatseinnahmen sorgte in den vergangenen Monaten für ein Wechselbad von Hoffnung und Verzweiflung in Hellas. Während man in den ersten Monaten nach dem Linksruck in Athen einen alarmierenden Rückgang von über neun Prozent im Vergleich zum Vorjahr verzeichnete, haben die Einnahmen im zweiten Halbjahr 2015 alle Erwartungen übertroffen.

Für diese scheinbar widersprüchliche Lage hat Professor Petrakis folgende Erklärung: "Nach der Einführung von Kapitalverkehrskontrollen im Sommer 2015 hatten viele Menschen plötzlich Angst um ihr Geld und beschlossen deshalb, ihre früher oder später fälligen Verpflichtungen gegenüber dem Fiskus mit hoher Priorität zu erfüllen - zumal die neue Regierung gerade dabei war, drakonische Strafgesetze gegen säumige Schuldner zu verabschieden. Deshalb sind die Steuereinnahmen im zweiten Halbjahr 2015 stark gewachsen". Allerdings sei die Zahl der unbedienten Kredite zu dieser Zeit ebenfalls deutlich gestiegen. Offenbar versuchten viele Menschen, ihre knappen Ressourcen umzuschichten, um ihren Verpflichtungen gegenüber dem Fiskus nachzukommen. Damit sei der Staat letzten Endes auf Kosten der Banken befriedigt worden, erläutert der Ökonom.

Weitere Maßnahmen wohl unumgänglich

Auffallend bei der jüngsten Steuerschätzung in Athen ist auch, dass die Steuereinnahmen durch Angestellte, Lohnarbeiter und Rentner im vergangenen Jahr um 11 Prozent gestiegen sind. Für die linksliberale Zeitung der Redakteure liegt der Grund auf der Hand: Einfache Menschen in Lohnarbeit seien so etwas wie die Lasttiere der Finanzverwaltung, während die Wohlhabenden ihren Verpflichtungen nicht nachkämen. Eine andere Erklärung liefert Spiros Dimitrellis, Analyst im Wirtschaftsportal Capital.gr: Den Zuwachs der Steuereinnahmen müsse man wohl auf einen entsprechenden Anstieg der Beschäftigung ab 2014 zurückzuführen; nach der Zuspitzung der griechischen Krise im vergangenen Sommer sei die Beschäftigung allerdings wieder rückläufig.

Protest der Rentner in Griechenland (Foto: ANGELOS TZORTZINIS/AFP/Getty Images)
Rentner protestieren in Athen gegen KürzungenBild: Getty Images/AFP/A. Tzortzinis

Wie auch immer: Um das drohende Finanzloch für 2016 zu stopfen, ist der Staat auf zusätzliche Einnahmen angewiesen. Laut Medienberichten prüft die Regierung in Athen unter anderem eine Erhöhung des Steuersatzes für Gutverdiener, sowie die höhere Besteuerung von Mieteinnahmen.