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Politik

Eint Donald Trump die Demokraten?

Michael Knigge
2. November 2018

Die seit ihrer Niederlage in der Präsidentschaftswahl 2016 zersplitterten US-Demokraten sind jüngst zusammengerückt. Uneinig ist die Partei jedoch in der Frage, welche Rolle der Präsident dabei gespielt hat.

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USA, Washington: Trump hält eine Kabinettssitzung im Weißen Haus
Bild: Reuters/K. Lamarque

Melissa Byrne ist eine demokratische Aktivistin, die vergangenes Jahr während einer Protestaktion im New Yorker Trump Tower festgenommen  wurde. Sie lebt in Philadelphia.

Justin Talbot-Zorn ist ein progressiver Demokrat, der als Stabschef für drei Kongressabgeordnete gearbeitet hat. Er lebt in Santa Fe.

Robert Shrum ist ein gemäßigter Demokrat, der als Stratege an den Präsidentschaftswahlkämpfen von Al Gore und John Kerry mitgearbeitet hat. Er lebt in Los Angeles.

Byrne, Talbot-Zorn und Shrum repräsentieren unterschiedliche Lager der Demokratischen Partei, unterschiedliche Generationen und US-Regionen. Über eines sind sie sich allerdings einig: Die Partei ist jüngst zusammengerückt. Unterschiedlicher Meinung sind sie dagegen hinsichtlich der Frage, ob Donald Trump etwas mit dem neugefundenen Zusammenhalt zu tun hatte.

USA Robert Shrum, Berater von John Kerry und Al Gore
Trump mobilisiere auch Demokraten, sagt Robert ShrumBild: Matt Meindl

"Donald Trump hat die Demokratischer Partei unabsichtlich geeint", so Shrum, der heute das Center for the Political Future und das Jesse M. Unruh Institute of Politics an der University of California leitet, in einem Interview. Donald Trump in Schach zu halten sei in den Augen vieler Wähler "das erste, wofür die Demokratische Partei steht".

Eine Demokratische Partei zu einen, die nach der bitteren Niederlage bei der Wahl von 2016 in ein von Hillary Clinton vertretenes gemäßigtes und ein von ihrem Herausforderer Bernie Sanders vertretenes progressives Lager gespalten war, ist kein geringes Verdienst.

Donald Trump habe aber genau das erreicht - unabsichtlich, einfach weil er Präsident ist, sagt Talbot-Zorn der Deutschen Welle. "Er schafft das. Ich würde nicht so weit gehen, zu sagen, dass die Demokratische Partei zum jetzigen Zeitpunkt einen gemeinsamen philosophischen Blickwinkel hat. Aber es gibt so viel Konvergenz wie zu keiner anderen Zeit in der jüngeren Geschichte."

"Mutiger und stärker"

USA Protest gegen Nominierung von Brett Kavanaugh | Melissa Byrne, demokratische Aktivistin
Die Demokraten hätten auch ohne Trump einen gemeinsamen Kurs gefunden, ist sich Melissa Byrne sicherBild: picture-alliance/AP Photo/M.B. Ceneta

Melissa Byrne stimmt zu, dass die Demokratische Partei zuletzt trotz andauernder Meinungsverschiedenheiten bei bestimmten Themen zusammengerückt ist. Trump will sie allerdings keine Rolle in dem Einigungsprozess zugestehen. "Nach Occupy [Anm. d. Red.: 2011 ins Leben gerufene Protestbewegung Occupy Wall Street] haben sich die Leute in der Demokratischen Partei und die, die sich ihr verbunden fühlten, mutiger und stärker organisiert", schreibt Byrne per SMS. "Ich denke, unsere Arbeit hätte sich unabhängig von der Präsidentschaft beschleunigt. Deshalb weigere ich mich, dem weißen Nationalisten im Weißen Haus Anerkennung dafür zu geben."

Einen Beweis für den Zusammenhalt innerhalb der Partei sehen alle drei in der Einigkeit der Partei, wenn es um eine flächendeckende Gesundheitsversorgung und eine Reform der Studiengebühren geht, zwei wichtige innenpolitische Themen, bei denen zuvor Zerstrittenheit herrschte.

Gesundheit und Bildung

Im Bereich der Gesundheitsfürsorge wollen die Demokraten zunächst die wohl bekannteste innenpolitische Errungenschaft von Präsident Barack Obama, den Affordable Care Act - auch Obamacare genannt - stärken. Dieses Gesetz hatte bis dahin nicht versicherten Amerikanern ermöglicht, eine Krankenversicherung abzuschließen. Als zweiten Schritt wollen sie eine allgemeine Krankenversicherung für alle Amerikaner einführen - etwas, was die meisten mit den USA vergleichbaren Länder schon lange haben.

Der innerparteiliche Konsens in Bezug auf die allgemeine Gesundheitsfürsorge sei eine noch sehr junge Entwicklung, sagt Talbot-Zorn, der im Kongress an dem von dem ehemaligen Abgeordneten John Conyers eingebrachten Gesetz "Medicare for All" mitgearbeitet hat [Anm. d. Red.: Medicare bietet eine Krankenversicherung für Amerikaner über 65 Jahre an].

"Das war damals eher ein Nischenthema", erklärt Talbot-Zorn. "Es gab ein paar Dutzend Co-Sponsoren. Deren Anzahl hat im letzten Jahr - ich denke, seit Trump im Amt ist - außerordentlich zugenommen."

Was eine Reform der Studiengebühren betrifft, sind sich die Demokraten inzwischen einig, dass die Kosten für den Besuch amerikanischer Colleges und Universitäten ein gesellschaftliches Problem sind, das angegangen werden muss; viele Studenten müssen nach ihrem Abschluss an einer US-Uni jahrelang hohe Schulden abbezahlen. Noch mögen sie keine gemeinsame Lösung gefunden haben, aber die Tatsache, dass das Problem von der gesamten Partei als solches anerkannt wird, ist bereits eine bedeutsame Entwicklung.

"In der Demokratischen Partei herrscht nun ein viel größerer Konsens darüber, dass der Staat etwas gegen die hohen Kosten für das College und die damit verbundenen Schulden unternehmen muss", konstatiert Shrum.

Neue Haltung gegenüber Saudi-Arabien

Sogar mit Blick auf den Krieg Saudi-Arabiens gegen den Jemen und die Beziehung der USA mit dem Land - ein wichtiges und hochaktuelles außenpolitisches Thema - entwickele sich eine neuer Konsens, sagt Talbot-Zorn. Bis vor kurzem waren es lediglich ein paar wenige progressive Demokraten und libertäre Republikaner im Kongress, die die Trump-Regierung dazu drängten, die Unterstützung des saudischen Jemenkriegs zu beenden.

"Jetzt - und das hat sich erst in den vergangenen zwei Monaten entwickelt - unterstützen alle führenden Figuren der Demokratischen Partei, zumindest im Repräsentantenhaus, einen gemeinsamen Beschluss, jegliche Unterstützung für Kampfhandlungen im Jemen zurückzuzienen", sagt Talbot-Zorn. "Das ist eine große Veränderung, die gerade passiert."

Der Mord an dem saudischen Journalisten Jamal Khashoggi, der auch US-Bürger war, mag bei dieser Veränderung eine wichtige Rolle gespielt haben, aber das sei nicht die ganze Geschichte, so Talbot-Zorn. "Trumps Handeln und seine Regierung führen zu mehr und mehr ideologischem Zusammenhalt unter den Demokraten."

USA Justin Talbot-Zorn, ehemaliger demokratischer Kongressmitarbeiter
Schon die Existenz der Trump-Regierung führe zu einer Annäherung zwischen den demokratischen Lagern, sagt Justin Talbot-ZornBild: privat

Shrum stimmt zu, dass Trump eine echte Wahlwerbung für Demokraten ist. "Trump sendet jeden Tag eine Botschaft, die die Demokraten mobilisiert und die Wähler zu den Demokraten treibt."

Überlebt die Einigkeit den Präsidentschaftswahlkampf?

Doch wie lange wird die neu gefundene Einigkeit innerhalb der Partei anhalten?

Das ist eine Frage der Perspektive. Sollten die Demokraten die Kontrolle über das Repräsentantenhaus zurückgewinnen - eine realistische Aussicht -, stehen die Chancen gut, dass sie eine kohärente politische Plattform schaffen und einen einheitlichen Umgang mit Trump entwickeln.

Allerdings beginnt kurz nach den Zwischenwahlen der Wahlkampf für die Präsidentschaftswahl 2020, bei dem die demokratischen Kandidaten versuchen werden, ihre individuellen Profile zu schärfen und sich von ihren Kontrahenten abzugrenzen. Dies werde die Bühne sein, auf der anhaltende Unstimmigkeiten über den Kurs der Partei wohl wieder an die Oberfläche geschwemmt werden, glaubt Shrum. "Diese internen Streitigkeiten werden 2020 und nicht 2018 ausgetragen."