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Eklat im Vatikan

Stefan Dege4. Oktober 2015

Der Zeitpunkt war wohl kalkuliert: Einen Tag vor Beginn der Familiensynode im Vatikan hat ein polnischer Priester seine Homosexualität öffentlich gemacht und der katholischen Kirche Homophobie vorgeworfen. Ein Skandal?

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Polnischer Prieser Krzysztof Charamsa nach Pressekonferenz im Vatikan (Foto: picture-alliance/dpa/L. del Castillo)
Bild: picture-alliance/dpa/L. del Castillo

Damit hatte niemand gerechnet im Machtzentrum der Weltkirche. Am allerwenigsten wohl in der Glaubenskongregation, deren Mitarbeiter Krzysztof Olaf Charamsa seit 2003 war. Die von dem als Hardliner geltenden deutschen Kurienkardinal Gerhard Ludwig Müller geleitete Kurienabteilung wacht über die Reinheit der katholischen Lehre. Homosexualität gilt nicht als sündhaft, wohl aber homosexuelle Handlungen. So traf der Auftritt des jungen Polen mit seinem spanischen Freund mitten ins Herz des katholischen Selbstverständnisses.

Zu spüren war die Irritation auch beim Empfang von Annette Schavan, der Deutschen Bostschafterin beim Heiligen Stuhl, die zum 25. Jahrestag der Deutschen Einheit in den Garten ihres Amtssitzes geladen hatte. Viele verstohlene Blicke trafen den hochgewachsenen Müller, dessen Kardinalkappe dank seiner Statur über den Köpfen der illustren Gästeschar aus Diplomaten, Kirchenleuten und Journalisten leuchtete. Einer seiner Sekretäre, der namentlich nicht genannt werden möchte, erboste sich über den polnischen Landsmann und nannte dessen Verhalten aggressiv.

Prälat rechnet mit Verlust seines Priesteramtes

Hinter vorgehaltener Hand wurde getuschelt und diskutiert, während Müller den Blick starr geradeaus richtete. Die polnische Ausgabe des Magazins "Newsweek" vom Samstag hatte er da längst gelesen. Darin hatte Monsignore Charamsa festgestellt, der Klerus sei "überwiegend homosexuell und traurigerweise auch homophob". Der italienischen Tageszeitung "Corriere della Sera" hatte er gesagt: "Ich weiß, dass die Kirche mich als jemanden ansieht, der seiner Pflicht nicht nachgekommen ist, der sich verloren hat und der noch dazu nicht mit einer Frau, sondern mit einem Mann zusammen ist." Er wisse, dass er sein Amt aufgeben müsse. Sein Ziel sei es aber, eine "zurückgebliebene" und "paranoide" Kirche zu bewegen.

Bemerkenswert ist der Zeitpunkt seines Coming-outs, zumal für den Vatikan. Dort eröffnet Papst Franziskus an diesem Sonntag die Ordentliche Weltbischofssynode zu Ehe und Familie. Bei den dreiwöchigen Beratungen soll auch der Umgang der katholischen Kirche mit Homosexuellen diskutiert werden, ein heiß umstrittenes Thema. Damit nicht genug: Die polnische Kirche gilt als besonders konservativ, auch und vor allem beim Thema Homosexualität.

"Leben ohne Liebe ist unmenschlich"

Und wenn stimmt, was der polnische Priester behauptet, müsste die Synode zunächst Nabelschau betreiben: Der Klerus, so der 43-Jährige, sei deshalb "homophob bis zur Paranoia, weil es an Akzeptanz der eigenen sexuellen Orientierung mangelt". Die katholische Kirche müsse hinsichtlich gläubiger Homosexueller "die Augen öffnen und verstehen, dass ihre Lösung, totale Abstinenz und ein Leben ohne Liebe zu leben, unmenschlich ist".

Der Vatikan reagierte erbost. Krzysztof Olaf Charamsa, der auch Beigeordneter Sekretär der Internationalen Theologenkommission des Vatikan ist und als Dozent an den Päpstlichen Hochschulen der Jesuiten (Gregoriana) und der Hochschule der Legionäre Christi (Regina Apostolorum) lehrt, wurde noch am Samstag suspendiert. Er hat keinen Zutritt mehr zur Glaubenskongregation. Über seine priesterliche Zukunft muss der zuständige Bischof entscheiden - in Polen.