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Mit Rechentricks zum Umweltfreund?

Klaus Ulrich
12. November 2018

Die Frage nach der besten Ökobilanz verschiedener Antriebsarten von PKW fällt selbstverständlich zugunsten des Elektroautos aus - oder etwa nicht? Experten warnen vor Pauschalurteilen.

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Ein Mann sitzt in einem Tesla Model S auf dem Fahrersitz und bedient den Cockpit-Computer
Bild: picture alliance/dpa/S. Hoppe

Wenn das keine Erfolgsmeldung ist: Satte 50 Prozent Zuwachs könnte die Zahl der Elektromobile auf Deutschlands Straßen zum Ende des Jahres erreichen. Knapp 54.000 reine Elektroautos gab es laut Kraftfahrtbundesamt Anfang Januar 2018. In den ersten neun Monaten dieses Jahres wurden weitere 24.574 Neuzulassungen registriert.

Doch gemach - bei näherem Hinsehen wird sehr schnell klar, dass Elektroautos hierzulande bislang nur dann eine Rolle spielen, wenn man homöopathische Maßstäbe anlegt. Mit gerade einmal 0,18 Prozent weist Hamburg im Bundesländervergleich noch den höchsten Anteil reiner Elektrofahrzeuge auf. Bayern und Berlin teilen sich mit jeweils 0,17 Prozent den zweiten Platz, dicht gefolgt von Baden-Württemberg mit 0,16 Prozent. Schlusslicht im Ranking ist Sachsen-Anhalt mit 0,06 Prozent.

Infografik PKW in Deutschland Bestand nach Kraftstoffarten (DW)

Elektrifizierung kommt nur sehr langsam voran

Bei den Antriebstechnologien im Straßenverkehr setzt die Elektrifizierung nur langsam ein – "und das ist auch ökologisch sinnvoll", betont der Zulieferer SEG Automotive in einer jüngst veröffentlichten Analyse. Die Stuttgarter Firma ist 2018 aus dem Bosch-Geschäftsbereich Starter Motors & Generators hervorgegangen, beschäftigt weltweit über 8000 Mitarbeiter und arbeitet mit nahezu allen großen Autobauern zusammen. Ihre Argumente sind durchaus nachvollziehbar.

SEG beruft sich auf Berechnungen renommierter Klima- und Verkehrsexperten. Die Produktion eines Elektroautos verursacht wegen der großen Batterien deutlich mehr CO2 als die eines Fahrzeugs mit Verbrennungsmotor. Deshalb spart ein E-Auto laut SEG nur in Ländern mit geringem Anteil an fossilen Brennstoffen über den gesamten Lebenszyklus mehr als 50 Prozent der CO2-Emissionen ein. Als Beispiele genannt werden Frankreich, das auf Atomenergie setzt (die Frage nach radioaktivem Müll wird nicht erörtert) und Norwegen, das natürliche Ressourcen, vor allem Wasserkraft, nutzen kann.

Schlüsselmärkte mit hohem CO2-Austoss bei der Stromproduktion

In vielen Schlüsselmärkten, wie den USA, Indien, China, aber auch in Deutschland, werde dagegen bei der Stromproduktion so viel CO2 ausgestoßen, dass reine Elektrofahrzeuge und Plug-In-Hybride auch auf lange Sicht keinen Vorteil für das Klima hätten oder sich im Vergleich zu Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren in der Ökobilanz sogar negativ auswirkten.

Angelehnt an eine entsprechende Studie des großen deutschen Automobilclubs ADAC stellt SEG diese Rechnung auf: Über eine Laufleistung von 50.000 Kilometern könne ein elektrischer Kleinwagen bei dem aktuellen deutschen Strommix seinen CO2-"Rucksack" aus der Produktion gegenüber einem vergleichbaren Benziner oder Diesel über seine gesamte Lebenszeit nicht mehr aufholen - das gehe nur, wenn er zu 100 Prozent mit regenerativem Strom geladen werde. Anders sehe es bei einer Laufleistung von über 150.000 Kilometer aus. Hier sei das E-Auto selbst mit dem aktuellen Strommix besser unterwegs, mit Ökostrom komme es nur auf einen Bruchteil der Emissionen über das gesamte Fahrzeugleben. 

Ein Elektromotor für den milden Hybrid-Antrieb mit 48 Volt
Ein neuer Heilsbringer? Elektromotor für den milden Hybrid-Antrieb mit 48 Volt bei einer Präsentation 2015Bild: picture-alliance/dpa/H. Hollemann

Mittelweg: 48-Volt-Diesel-Mild-Hybrid

Ein Mittelweg und bei dem aktuellen Strommix sogar mit weniger CO2-Emissionen behaftet ist der SEG-Analyse zufolge der 48-Volt-Diesel-Mild-Hybrid, bei dem über einen Starter-Generator sowohl Antriebshilfe als auch Energiegewinnung realisiert werden – eine relativ "junge" Technologie, die wegen ihrer Kraftstoffeffizienz und den schärferen gesetzlichen Umweltauflagen bei den Autobauern in aller Welt immer beliebter wird.

Der 48-Volt-Diesel-Mild-Hybrid kommt in der Produktion nur auf minimal höhere Kohlenstoffdioxid-Emissionen, kann aber im laufenden Betrieb für Kraftstoff- und CO2-Einsparungen von bis zu 15 Prozent sorgen. Und somit in Ländern, in denen der Strom nicht grün genug produziert wird, sogar zur klimafreundlichsten Variante in der Vergleichsrechnung werden.

Der Clou bei der Analyse, man ahnt es bereits: Der Automobilzulieferer SEG stellt genau solche Systeme her. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

"Die Tendenz stimmt"

Prompt nachgerechnet haben deshalb die Macher des Magazins "Edison" , einer Publikation aus der Verlagsgruppe "Handelsblatt", die sich den Bereichen E-Mobilität, Nachhaltigkeit und vernetztes Leben widmet. Ihr Fazit: Tendenziell gehe die Analyse von SEG trotz einiger Ungenauigkeiten in die richtige Richtung. Bei Verbrennern gebe es zweifellos noch große Potenziale, ebenso bei den Entwicklungen in der Batterietechnik und beim Strommix.

Klar sei aber auch: Mit steigender Laufleistung nehme der Vorteil des Elektroautos zu. Optimal sei es, sein Elektroauto mit reinem Solarstrom zu betreiben. Dagegen sei es "gar nicht" sinnvoll, dasselbe Elektroauto nach einer Leasinglaufzeit von drei Jahren mit 15.000 Kilometern Fahrleistung durch ein neues zu ersetzen, heißt es bei "Edison". "Eine Erkenntnis, für die es eigentlich keine Vergleichsrechnung braucht – nur etwas auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Menschenverstand."