Elektroautos im Fracking-Land USA?
4. November 2014In den USA ist die Zahl der verkauften Elektro-Autos in den ersten sechs Monaten dieses Jahres immerhin um ein Drittel auf rund 54.000 gestiegen. Die Branche sieht die Entwicklung erfreut, seit rund vier Jahren befinde sie sich auf einer zweiten Erfolgswelle, meint Chelsea Sexton, die die Branche seit fast 20 Jahren berät: "Das erste elektrische Auto der neuen Generation war der General Motors EV1. Angekündigt im Jahr 1990, sechs Jahre später ist er auf den Markz gekommen."
Damals seien andere Autobauer GM gefolgt und bald sei eine kleine aber feine Auswahl an Elektro-Varianten zu haben gewesen. "Dann war einige Jahre Flaute und jetzt lebt die Branche seit rund vier Jahren wieder auf. Mit mehr Energie und Aufmerksamkeit." Seit 2010 sind in den USA rund 250.000 Elektro-Autos verkauft worden. Ginge es nach den Plänen, die Präsident Obama vor fünf Jahren verkündet hatte, müsste sich diese Zahl bis Ende kommenden Jahres auf eine Million vervierfachen.
Ein Auto für fast jeden Tag
Ein Grund für die späte Vorfahrt der E-Wagen in den USA ist die Geografie des Landes. Wegen der noch zu geringen Batterieleistungen sind Elektroautos auf den weiten Strecken, die in dem riesigen Land gefahren werden, oftmals nicht wettbewerbsfähig. "Wahrscheinlich geht ein Cross-Country Roadtrip mit einem Elektroauto sogar", sagt Sexton. Aber die heutigen Modelle seien dafür noch nicht gemacht. "Sie sind eher wie Mikrowellen. Man benutzt sie jeden Tag, aber den Festtagsbraten bereitet man dann doch nicht darin zu."
Seit einigen Jahren steht die Firma Tesla mit ihrem Model S und dem Visionär Elon Musk im Chefsessel oft im Rampenlicht. Medienwirksam vermarktet steigen Umsätze und Aktienwert - letzterer allein in diesem Jahr um 70 Prozent. Allerdings sind die Autos der hipp anmutenden Firma ziemlich teuer und damit kein Auto für Jedermann. Marktführer in den USA ist der Nissan Leaf, dahinter der Chevrolet Volt, dann kommt der Toyota Prius.
Kommen die Deutschen zu spät?
Die deutschen Marken erscheinen da wie Nachzügler. Douglas Skorupski, Manager bei Volkswagen of Amerika widerspricht vehement. "Ich finde nicht, dass wir hinterherhinken. Wir sind mittendrin", erklärt er mit Bezug auf den Marktstart des E-Golf in den USA. "Wir kommen mit unseren Produkten immer dann auf den Markt, wenn wir die Technik ausgefeilt haben und wissen, dass wir damit auch erfolgreich sein können."
In zehn US Bundesstaaten wird der E-Golf künftig zu haben sein: Kalifornien, Massachusetts, Connecticut, Oregon, Maryland, Rhode Island, New York, New Jersey, Maine und Vermont. Das sind auch die Staaten in denen mehr als ein Viertel der regulären Auto-Verkäufe erzielt wird. Gleichzeitig aber auch die Staaten, in denen der Energie-Mix am saubersten ist. Denn grün ist Energie in den USA bei weitem nicht überall.
"Im mittleren Westen der USA kommt die Energie manchmal zu 60, 70 oder 80 Prozent aus Kohlekraftwerken", erklärt Nic Lutsey vom International Council on Clean Transportation. Bei solchen Zahlen seien Elektro-Autos mindestens so umwelt-unfreundlich wie benzin- oder dieselbetriebende Autos. Ein zweischneidiges Schwert also: Einerseits ist Energie in den USA weitaus billiger als in Europa, das macht Elektro-Wagen attraktiv. Gleichzeitig ist Strom günstig weil der Energie-Mix größtenteils von fossilen Brennstoffen bestimmt wird. Was den Elektrischen ihre Sauberkeit wieder nimmt.
Branche ist optimistisch
"Es gibt viele Möglichkeiten, ein sauberer Auto-Bauer zu sein. Die Lösung sind nicht nur elektrische Fahrzeuge", sagt Nic Lutsey. Man könne Diesel-Autos und auch Benziner sehr effizient bauen: Mit effizielten Motoren, besserer Übertragung, Bodenhaftung, guten Reifen und guter Aero-Dynamik. "All diese Dinge werden in den nächsten zehn Jahren der Umwelt mehr bringen als Elektro-Autos", meint der Clean Transportation- Experte.
Das neuerliche Umsatz-Wachstum stimmt die Branche trotzdem optimistisch. Das Gros der zehn genannten US-Bundesstaaten hat sich im vergangenen Jahr auf das Ziel geeinigt 3,3 Millionen Null-Emissionsfahrzeuge bis 2025 auf ihre Straßen zu bringen. Auch Industrie-Beraterin Chelsea Sexton ist zuversichtlich und vergleicht die Entwicklung mit der von anderen digitalen Neuerungen: "Wenn man an Smartphones denkt. Da haben wir auch nicht auf unseren Kassettenrekorder geschaut und gedacht, ich wünschte ich könnte auch Filme schauen und damit telefonieren." Heute sei das möglich und auch der Elektro-Auto-Fahrer von morgen wisse heute noch gar nicht, wie verlockend das Angebot sei.
Als Alltagsauto für die Stadt entdecken Amerikaner mehr und mehr die Bequemlichkeit, die ein E-Wagen mit sich bringt, meint Sexton. Was der Branche fehle, um von Kunden ernster genommen zu werden, sei mehr Auswahl. Es müssten viele unterschiedliche Modelle in Sachen Größe, Leistung, Motorvarianten angeboten werden. "Nur dann ist auch wirklich für jeden Bedarf etwas dabei", sagt Sexton. Jetzt kommt zumindest auch der E-Golf von Volkswagen als eine Variante hinzu.