Elon Musk verbreitet irreführende Klima-Aussagen
3. Juli 2023In einem Tweet Ende Juni behauptete der Milliardär Elon Musk: "Das, was auf der Erdoberfläche passiert (darunter auch die Landwirtschaft), hat keinen nennenswerten Einfluss auf den Klimawandel." Er behauptete weiter, dass die Gefahr des Klimawandels überwiegend von der Verlagerung von CO2 aus dem Untergrund in die Atmosphäre ausgehe. "Wenn wir so weitermachen, wird sich die chemische Zusammensetzung unserer Atmosphäre mit der Zeit so stark verändern, dass es zu einem bedeutenden Klimawandel kommt."
Damit liegt der Twitter-Eigentümer aus wissenschaftlicher Sicht gleich doppelt falsch. Erstens stammten zwischen 13 bis 21 Prozent aller weltweiten Treibhausgasemissionen in den Jahren 2010 bis 2019 aus der Land- und Forstwirtschaft und anderen Formen der Landnutzung.
Und zweitens hat der Klimawandel längst begonnen: Die Erde hat sich durch menschliche Aktivitäten im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter bereits um 1,2 Grad Celsius erwärmt - was schon jetzt dazu führt, dass extreme Wetterereignisse wie Überschwemmungen oder Hitzewellen häufiger und stärker geworden sind.
Die Verschwörungsmythen des Elon Musk
"Menschliche Aktivitäten, vor allem durch die Emission von Treibhausgasen, haben ohne Zweifel die globale Erwärmung verursacht", erklärte das International Institute for Applied Systems Analysis, eine globale Forschungsorganisation mit Sitz in Österreich, in einem Tweet als Antwort auf Musk.
Musk, der rund 145 Millionen Anhänger auf Twitter hat, bezeichnet sich selbst als "Absolutist der freien Meinungsäußerung". Seit er die Social-Media-Plattform im vergangenen Oktober gekauft hat, verbreitete der Milliardär dort wiederholt Verschwörungsmythen. Zu seinen Zielscheiben gehörten der milliardenschwere Philanthrop George Soros, der häufig antisemitischen Beschimpfungen ausgesetzt ist, die ehemalige demokratische Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses Nancy Pelosi und das internationale investigative Recherchenetzwerk Bellingcat.
"Ich sage, was ich sagen will, und wenn das zur Folge hat, dass ich Geld verliere, dann ist das eben so", sagte Musk in einem Interview mit dem TV-Sender CNBC im Mai, nachdem er auf seinen Hang zu Verschwörungsmythen und dessen Auswirkungen auf die Werbeeinnahmen von Twitter angesprochen worden war.
Eine am 27. Juni an die Pressestelle von Twitter gerichtete DW-Anfrage nach einem Kommentar wurde automatisch mit einem Kothaufen-Emoji beantwortet. Dies scheint derzeit die Standard-Antwort auf Presseanfragen zu sein, seit Twitter vor einigen Monaten neben vielen anderen Mitarbeitern auch den Großteil des Kommunikationsteams entlassen hatte.
Wenn Klimawandel-Leugner Social-Media-Angriffe starten
Das Ausmaß an Klimawandel-Leugnung auf Twitter hatte im vergangenen Jahr zugenommen, das zeigt eine 29. Juni veröffentlichte Analyse, die die Aktivistengruppe Climate Action Against Disinformation gemeinsam mit Desinformations-Forscherin Abbie Richards veröffentlicht hatte.
Seit Juli 2022 stieg die Zahl der Tweets, die Begriffe enthalten, in denen der Klimawandel geleugnet wird, von etwa 30.000 auf rund 110.000 pro Woche. Seit Musk Twitter gekauft hat, berichten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler deutlich häufiger von Beschimpfungen durch Klimawandel-Leugner.
"Ich habe es nicht in demselben Ausmaß abbekommen wie einige meiner Kolleginnen und Kollegen, weil ich einen schnellen 'Blockierfinger' habe", sagt Julia Steinberger, Professorin für Ökologische Ökonomie an der Universität Lausanne in der Schweiz. Sie schätzt, dass sie zehntausende - wenn nicht hunderttausende Accounts blockiert hat. "Es ist definitiv viel schlimmer geworden, seitdem Musk das Ruder übernommen hat."
Steinberger, eine der Autorinnen des jüngsten Berichts des Weltklimarats (IPCC), nannte Musk in einem Thread kurz nach dessen Tweet einen Klimawandel-Leugner. Einige Kommentare dazu hätten echte Kritik an der Definition des Begriffs "Klimawandel-Leugner" enthalten und gefragt, was Musk mit dem Wort "nennenswert" (meaningful) genau gemeint habe, berichtet sie. Doch viele andere Kommentare seien beleidigend gewesen und stammten von Klimawandel-Leugnern und pöbelnden Twitter-Trollen.
So behauptete Jordan Peterson, ein einflussreicher rechtsgerichteter kanadischer Psychologe mit 4,4 Millionen Anhängern auf Twitter, Steinberger mache sich das Leiden der Juden im Holocaust zunutze, indem sie Musk einen "Klimawandel-Leugner" nenne.
Bis zu Petersons Angriff seien die Gegenreaktionen "sehr intensiv, aber überschaubar" gewesen, erzählt Steinberger, Tochter des Holocaust-Überlebenden und Physik-Nobelpreisträgers Jack Steinberger. Doch das Ausmaß des Mobbings sei immer von der Zahl und dem Verhalten der Follower auf Twitter abhängig. "Bei einigen hunderttausend Anhängern kann ich damit umgehen, aber Jordan Peterson hat vier Millionen Follower", so Steinberger.
Elon Musk: vom Klimaschutz-Befürworter zum Klimawandel-Leugner?
Musk ist auch Chef des Raumfahrtunternehmens SpaceX sowie des Elektroautoerstellers Tesla. In den vergangenen zehn Jahren hat er sich mehrfach über das Ausmaß des Klimawandels geäußert, den er als real und katastrophal bezeichnete.
Doch in den vergangenen Monaten spielt Musk die Rolle der Landwirtschaft immer wieder herunter und kritisierte wiederholt die Bemühungen zur Eindämmung der Umweltverschmutzung durch landwirtschaftliche Betriebe.
Als Antwort auf einen Tweet im März über belgische Landwirte, die gegen Gesetze protestierten, die zum Grundwasserschutz die Ausbringung von Gülle reduzieren sollen, schrieb Musk: "Ich bin ein großer Klimaschutz-Befürworter, aber wir müssen definitiv keine Landwirte in die Arbeitslosigkeit schicken, um den Klimawandel zu bekämpfen. Ganz und gar nicht."
Im Juni antwortete Musk auf einen Artikel, in dem vorgeschlagen wurde, dass Irland 200.000 Kühe töten könnte, um seine Klimaziele für 2025 zu erreichen: "Das muss wirklich aufhören. Ein paar Kühe zu töten, hat nichts mit dem Klimawandel zu tun."
Nach Angaben der irischen Umweltschutzbehörde war die Landwirtschaft im Jahr 2021 für 38 Prozent der Treibhausgasemissionen in Irland verantwortlich - der größte Teil davon: Methan aus der Viehhaltung und Lachgas aus Düngemitteln und Gülle.
Welchen Anteil am Klimawandel hat die Landwirtschaft?
Einige Expertinnen und Experten befürchten, dass eine Reduzierung der Tierhaltung in einem Land zum Anwachsen der Zahl der Tiere anderswo führen könnte, wenn nicht gleichzeitig auch die Nachfrage nach Fleisch- und Milchprodukten gesenkt wird. Dennoch sind sie sich darin einig, dass die Emissionen aus der Viehhaltung den Klimawandel wesentlich mitverursachen.
"Ohne Frage sind die Emissionen aus fossilen Brennstoffen größer. Aber die Viehhaltung hat hier ein bedeutenden Anteil", sagt David Ho, Klimawissenschaftler an der Universität von Hawaii in Manoa, USA.
Die Staats- und Regierungschefs der Welt haben sich verpflichtet, die globale Erderwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, doch mit der derzeitigen Politik wird sie fast doppelt so hoch ausfallen. Mehrere Studien der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass die derzeitigen Emissionen aus der Landwirtschaft allein ausreichen, um das für die 1,5-Grad-Begrenzung noch verbleibende CO2-Budget zu sprengen.
Laut einer im März in der Fachzeitschrift "Nature Climate Change" veröffentlichten Studie könnte dazu der weltweite Lebensmittelkonsum bis zum Jahr 2100 zu einer Erwärmung von fast einem Grad Celsius beitragen. Mehr als die Hälfte dieser Erwärmung ließe sich vermeiden, wenn Lebensmittel besser produziert würden, überall auf eine hauptsächlich pflanzenbasierte gesunde Ernährung umgestellt und die weltweite Lebensmittelverschwendung eingedämmt würde, so die Forschenden.
Die Wissenschaft mahnt, dass die Emissionen aus der Landwirtschaft so schnell wie möglich gesenkt werden müssen. Denn, so Tim Searchinger, technischer Direktor des Ernährungsprogramms der Umwelt-Denkfabrik World Resources Institute: "Sie steigen derzeit so stark an, dass allein durch sie im Jahr 2050 mehr menschengemachte Treibhause vorhanden sein werden, als die Welt überhaupt noch aufnehmen kann."
Redaktion: Jennifer Collins
Adaption aus dem Englischen: Jeannette Cwienk